Bundeskanzlerin Angela Merkel verspricht den Maschinenbauern ihre Unterstützung im Freihandel und bei der Verbesserung der Entsenderichtlinie. Auf dem Maschinenbau-Gipfel verteidigt sie das Klimapaket der Regierung.
Der industrielle Mittelstand und die Maschinenbauer brauchen offene Märkte und sie brauchen eine Regierung, die sich mit aller Kraft für den Freihandel einsetzt. Ausdrücklich lobte VDMA-Präsident Carl Martin Welcker zum Auftakt des 11. Deutschen Maschinenbau-Gipfels in Berlin daher den Einsatz von Bundeskanzlerin Angela Merkel „für Ihr unermüdliches und sicher nicht immer einfaches Engagement für eine multilaterale und regelbasierte Weltordnung. An diesem Prinzip festzuhalten wird umso schwieriger, je mehr Länder sich davon abwenden.“ Denn die aktuellen Handelskonflikte belasten die Geschäfte im Maschinenbau inzwischen immer deutlicher: „Wir schauen mit einigen Sorgenfalten auf Entwicklungen gerade in unseren beiden wichtigsten Märkten USA und China. Beide stellen den internationalen Handel, gar die internationale Zusammenarbeit, mehr und mehr in Frage“, sagte Welcker. Und die Kanzlerin zeigte sich als überzeugte Kämpferin für offene Handelsgrenzen. „Ich werde mich weiter dagegenstemmen, dass diese Welt schwächer und ärmer wird durch Handelsstreitigkeiten“, versprach sie in ihrer Rede den rund 700 Teilnehmern des Gipfels. „Wir werden uns weiterhin für gute Exportbedingungen einsetzen.“

Großen Beifall erhielt die Kanzlerin auch für ein Versprechen, auf das gerade die industriellen Mittelständler sehnsüchtig warten. Unter den vielen bürokratischen Lasten für die Betriebe ragt die nationale Umsetzung der Entsenderichtlinie besonders hervor. „Es darf im geeinten Europa mit seinem integrierten Binnenmarkt nicht an den bürokratischen Auflagen scheitern, einen Monteur für einen Wartungsauftrag kurzfristig ins benachbarte Ausland zu schicken – beispielsweise weil Italiener oder Franzosen Anträge in eigener Sprache mit 72 Stunden Bearbeitungszeit einfordern“, bemängelte der VDMA-Präsident. Und Angela Merkel nahm die Vorlage direkt auf: „Ich werde nicht nachlassen zu versuchen, dieses Bürokratiemonster zu verkleinern“, sagte sie. Gespräche darüber mit dem französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron liefen bereits, kündigte sie an.

„Ich werde nicht nachlassen zu versuchen, dieses Bürokratiemonster zu verkleinern.“

Umgekehrt trat die Kanzlerin auch mit einer Bitte an die Maschinenbauer heran: „Unterstützen sie uns und wirken sie mit am Aufbau einer europäischen Cloud-Kooperation“, sagte sie. Denn die Datenlagerung und Datenverarbeitung sei eine Aufgabe, für die es europäische Lösungen benötige.

Europäische Lösungen würde der Maschinenbau auch gerne beim Klimaschutz sehen, zumindest aber müsse der nationale Klimaschutz stärker über die Sektorgrenzen hinweg gestaltet werden, forderte Welcker. „Das Klimapaket der GroKo bleibt mit seinen einzelnen, sektorspezifischen Zielen hinter dem zurück, was machbar und richtig erscheint“, bemängelte der VDMA-Präsident. Und fügte hinzu: „Ein zu niedriger Einstiegspreis und das starre Festhalten an sektorspezifischen Regelungen wirken hier kontraproduktiv. Eine Klimapolitik nach Kabinettresorts wird der globalen Herausforderung nicht gerecht und wird für den deutschen Steuerzahler sehr teuer – vielleicht zu teuer!?“

Dem setzte Angela Merkel allerdings eine andere Sichtweise entgegen: Der Preis von 10 Euro je Tonne CO2 sei ein Einstiegspreis und dass die Sektoren Gebäude und Verkehr eigene Klimaziele erhalten, sei unumgänglich. Denn dort sei die Emissionsreduktion bislang nicht ausreichend erfolgt und nun werde der nötige Druck aufgebaut. Nur so könnten die nationalen Klimaziele noch erreicht werden. Bei einem anderen Klimaziel waren sich die Kanzlerin und die Maschinenbauer dann aber wieder einig: „Wir brauchen jetzt die schnelle Entwicklung alternativer Antriebsformen und müssen die Erneuerbaren Energien weiter ausbauen“, betonte Merkel – und erhielt auch dafür zustimmenden Applaus. VDMA-Präsident gab denn auch die zuversichtliche Parole für den Gipfel aus: „Wir haben allen Grund mutig, entschlossen und zuversichtlich unsere Aufgaben anzupacken. Sei es in den Unternehmen, sei es auf der Regierungsbank oder im Parlament.“

 

 

11. Deutscher Maschinenbau-Gipfel, 15.10.2019, Berlin Eröffnungsrede Carl Martin Welcker

 

Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin,
sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete,
geschätzte VDMA-Mitglieder,
meine Damen und Herren,

herzlich Willkommen hier in Berlin zum 11. Deutschen Maschinenbau-Gipfel. Für uns im VDMA ist dieser Gipfel – bei dem wir Politik und Maschinenbau zusammenbringen – ein Highlight im Kalender. Und wenn uns die letzten Jahre eines gezeigt haben, dann doch, wie wichtig dieser Austausch ist.

Konjunkturelle Lage

„Die Party ist noch nicht vorbei, aber man sollte nahe am Ausgang tanzen“ – So lässt sich die aktuelle Lage im deutschen Maschinenbau ganz gut beschreiben Aktuell verfehlt die Produktion ihr Vorjahresniveau nach vorläufigen Zahlen um 1,6 %; der Auftragseingang liegt um 9 % unterhalb der Vorjahresreferenz. Alles in allem dürfte die Produktion im laufenden Jahr real um rund 2 % sinken. Für das kommende Jahr prognostizieren wir mit viel Optimismus ein Minus in gleicher Höhe. Die Zahlen sind das Ergebnis einer unguten Gemengelage – globaler Handelsstreit sowie große Transformationen schlagen einer exportstarken Branche wie unserer direkt ins Kontor.

Frau Bundeskanzlerin,

an dieser Stelle möchte ich Ihnen persönlich danken für Ihr unermüdliches und sicher nicht immer einfaches Engagement für eine multilaterale und regelbasierte Weltordnung. An diesem Prinzip festzuhalten wird umso schwieriger, je mehr Länder sich davon abwenden. Wir schauen mit einigen Sorgenfalten auf Entwicklungen gerade in unseren beiden wichtigsten Märkten USA und China. Beide stellen den internationalen Handel, gar die internationale Zusammenarbeit, mehr und mehr in Frage.

Was auf WTO-Ebene nicht funktioniert, muss durch Freihandelsverträge geregelt werden. Insofern ist es Besorgnis erregend, wenn nun nach TTIP und Ceta auch das MercosurAbkommen in die Mühlen tagespolitischer und wirtschaftsfremder Vorbehalte gerät.

Wir alle mussten in den letzten Jahren lernen, dass auch kurze Twitter-Botschaften aus Washington oder Interviews von Botschaftern sich früher oder später in unseren Auftragsbüchern niederschlagen können. Wir haben gemerkt, wie fragil unser System einer globalen Arbeitsteilung und grenzüberschreitender Wertschöpfung ist.

Frau Bundeskanzlerin, Ihnen möchte ich da zurufen: Bleiben Sie standhaft in Ihrem Engagement für eine offene Welt. Unsere Unterstützung haben Sie!

Industriepolitik / Mittelstand

Ausdrücklich begrüßen wir auch den Anstoß aus der Bundesregierung, wieder mehr über unseren Industriestandort und die Rahmenbedingungen für den industriellen Mittelstand zu diskutieren. Eine Debatte, die aus unserer Sicht längst überfällig war.

Es ist wichtig, dass wir darüber debattieren, wie und mit welcher Technologie wir in Zukunft unser Geld verdienen. Wir dürfen aber eines nicht vergessen: die Entscheidung, welche Technologien das sind und welche nicht, treffen nicht wir, die trifft auch nicht der Bundeswirtschaftsminister, das Umweltministerium, der Deutsche Bundestag oder die Europäische Kommission.

 

Diese Entscheidung trifft der Kunde.

Worüber wir in dieser Debatte sprechen müssen sind die Rahmenbedingungen, mit denen unsere Unternehmen im scharfen globalen Wettbewerb bestehen können.

Anregen möchte ich hier zum Beispiel deutlich mehr politisches Engagement bei den vielen bürokratischen Lasten, die gerade die Mittelständler in unserer Industrie besonders belasten. Exemplarisch denke ich da an die Umsetzung der europäischen EntsendeRichtlinie. Gerade wir mittelständischen Maschinenbauer leben von einem schnellen und unbürokratischen Kundenservice. 24 Stunden Reaktionszeit werden häufig vertraglich vereinbart. Da kann es doch nicht sein, dass es im geeinten Europa mit seinem integrierten Binnenmarkt an den bürokratischen Auflagen scheitert, einen Monteur für einen Wartungsauftrag kurzfristig ins benachbarte Ausland zu schicken – beispielsweise weil Italiener oder Franzosen Anträge in eigener Sprache mit 72 Stunden Bearbeitungszeit einfordern.

Meine Damen und Herren,

deutsche Industriepolitik muss Mittelstandspolitik sein. Ich freue mich, dass Bundeswirtschaftsminister Altmaier mit seiner Mittelstands-Strategie konkrete Ansätze aufgezeigt hat. Diese Strategie geht deutlich in die richtige Richtung: weg von immer neuen gut gemeinten Förderprogrammen – hin zu gut gemachten Rahmenbedingungen. Aber auch Technologieoffenheit, Entlastungen und mehr Flexibilität am Arbeitsmarkt geben wichtige Impulse. Ganz besonders hervorheben möchte ich dabei das Ziel, die Steuerbelastung auf einbehaltene Unternehmensgewinne auf 25 % abzusenken. Das würde für viele Unternehmen Luft verschaffen für Investitionen und Innovationen – hier in Deutschland. Denn anders als häufig kolportiert, liegt die Summe der Steuern auf einbehaltene Gewinne bei Personengesellschaften regelmäßig über 50 %.

Meine Damen und Herren,

leider führen wir die Debatte über die Zukunft unserer Industrie in immer hitzigeren Tönen. Da wird beispielsweise über die Zukunft der Mobilität gestritten oder über die Frage, welche Folgen die Digitalisierung für unseren Arbeitsmarkt hat. Das sind wichtige Themen – keine Frage.

Ich warne aber davor, solche Zukunftsfragen aus ideologischen Gräben heraus zu führen. Ich rate dringend zu einer realistischen Debatte und einem scharfen Blick auf das Notwendige und das Machbare. Und ich rate dringend, hier mehr auf die Kräfte des Marktes zu vertrauen, statt auf staatliche Ge- oder Verbote, Subventionen und Verordnungen!

 

Klima

Vergangene Woche hat das Bundeskabinett das Klimapaket auf den Weg gebracht. Dieses Klimapaket bleibt mit seinen einzelnen, sektorspezifischen Zielen hinter dem zurück, was machbar und richtig erscheint.

Der VDMA als Sprecher seiner 3.200 Mitglieder setzt sich seit vielen Jahren für eine CO₂- Bepreisung ein, mit der eine echte und marktwirtschaftliche Lenkungswirkung erzielt wird. Ein zu niedriger Einstiegspreis und das starre Festhalten an sektorspezifischen Regelungen wirken hier kontraproduktiv. Eine Klimapolitik nach Kabinettresorts wird der globalen Herausforderung nicht gerecht und wird für den deutschen Steuerzahler sehr teuer – vielleicht zu teuer!?

Meine Damen und Herren,

die Ausrichtung unserer Gesellschaft zur Treibhausgasneutralität wird der größte Gesellschaftsumbau aller Zeiten – und der teuerste. Nach IPCC-Report kostet er, wenn alles optimal läuft, weltweit 900 Milliarden USD – pro Jahr. Für Deutschland hat der BDI Kosten zwischen 16 und 30 Milliarden Euro pro Jahr errechnet – wenn wir auf die totale CO₂- Neutralität verzichten und ein realistisches CO₂-Vermeidungsziel von 85 % anstreben. Alles bei optimalem Ablauf – der sich zurzeit nirgendwo abzeichnet.

Diese Zahlen machen klar – Klimaschutz wird unsere Gesellschaft und jeden Einzelnen etwas kosten. Dass muss auch so sein, wenn wir ein bis dahin kostenloses Gut wie Treibhausgas bepreisen. Wir werden heute auf Wohlstand und Komfort zugunsten nachfolgender Generationen verzichten müssen.

Frau Bundeskanzlerin – Kopf hoch – „Wir schaffen das.“

Schließlich verfügt Deutschland über einen exzellenten und breit gefächerten Maschinenbau, der von Windkraftanlagen über Batterietechnik bis hin zu Optimierung bestehender Verbrennungsanlagen alles bietet, was zur Bewältigung der Klimafrage notwendig ist.

Drei Voraussetzungen müssen gegeben sein:

1. Wir müssen unseren Bürgen ehrlich vermitteln, dass wirksamer Klimaschutz nicht nur alternativlos ist, sondern auch Einschränkungen mit sich bringt.

2. Wir müssen technologieoffenen Klimaschutz betreiben. Dabei dürfen wir ruhig davon ausgehen, dass wir in zehn oder zwanzig Jahren neue Verfahren und Methoden zur CO₂-Vermeidung entwickelt haben werden, sofern wir heute die richtigen Anreize setzen.

Und

3. Wir müssen marktwirtschaftlich vorgehen und unsere Ressourcen dort einsetzen, wo sie den größten Hebel haben.

Im PKW-Bereich beispielsweise liegen die Vermeidungskosten für eine Tonne CO₂ – je nach Berechnungsmethodik – im günstigsten Fall bei 500, nach dem neuesten Klimapaket realistisch bei circa 2.500 € pro Tonne. Insgesamt lassen sich pro Jahr maximal drei Millionen Tonnen CO₂ – bei kompletter Flottenumstellung und 100 % grünem Strom in Deutschland maximal 100 Millionen Tonnen CO₂ pro Jahr auf diese Weise einsparen. Im Vergleich dazu: Bei der Modernisierung von Zementwerken oder bei der Vermeidung von Treibhausgasen in Mülldeponien sind bei Preisen von 2 bis 20 € je CO₂-Tonne kurz- bis mittelfristig mehr als 1 Milliarde Tonnen CO₂ einsparbar. Die Techniken dafür sind vorhanden.

Der Steuerzahler darf von der Politik erwarten, dass die Vermeidungstonne CO₂ möglichst günstig eingekauft wird. Schließlich ist die wirklich knappe Ressource zur Klimarettung das Geld.

Also meine „inbrünstige“ Bitte: marktwirtschaftlich, global, sektorübergreifend denken und handeln.

Schluss

Meine Damen und Herren, herausfordernde Zeiten verlangen uns gute Lösungen ab. Das gilt fürs Klima genauso wie für unseren Industriestandort. Warten wir nicht ab, bis die Frage, ob das, was wir gerade erleben, lediglich eine konjunkturelle Eintrübung ist oder eine tiefgreifende Strukturkrise ist, beantwortet ist. Wir haben allen Grund mutig, entschlossen und zuversichtlich unsere Aufgaben anzupacken. Sei es in den Unternehmen, sei es auf der Regierungsbank oder im Parlament. Arbeiten wir daran, dass wir in Zukunft wieder in der Mitte der Tanzfläche tanzen.

Frau Bundeskanzlerin, ich freue mich nun auf Ihre Worte. Die Bühne gehört Ihnen.

ENDE

Von admin