„Mein Hengst hat all diese Pferde aus diversen Lagen stets bezwungen – Angst hab ich vor niemandem, Respekt schon“, war das klare Statement Arnold Mollemas, als er zu seiner Gemütslage vor dem 119. Derby befragt wurde. Natürlich – wer Adbell-Toddington- und Buddenbrock-Rennen, die beiden wichtigsten Vorprüfungen, mehr oder minder souverän auf seine Kappe gebracht hat, muss folgerichtig die Bürde des Favoriten tragen, was dem in allen Ländern Süd-, West- und Nordeuropas, in denen mit Pferden um die Wette gefahren wird, gestählten Friesen überhaupt nichts ausmachte. „Ich musste ihn morgens wecken und ihm sagen, dass er heute etwas Wichtiges zu erledigen habe“, witzelte seine Ehefrau nach vollbrachter Tat im Winner Circle, „Arnold lässt sich so leicht nicht aus der Ruhe bringen – und das strahlt auf die Pferde aus!“ Beim Kampf ums mit 227.430 Euro üppig wie lange nicht dotierte Blaue Band, das insbesondere für die Anfangsphase schwer zu lesen, will heißen vorherzusagen war, musste Mollema dann allerdings die beabsichtigte Taktik sofort über den Haufen werfen: „Expo Express, sonst die Ruhe in Person, war heute etwas nerviger und machte beim Anrollen zwei, drei Galoppsprünge, die ich sonst gar nicht von ihm kenne. Eigentlich wollte ich um die Spitze mitfahren, aber so habe ich ihn doch etwas vorsichtiger losgeschickt“, sollte der 65jährige jene Szene, die ihm und all seinen Anhängern – und das waren bei 17:10 nicht eben wenige – für Momente das Blut in den Adern gefrieren ließ, später schildern. Damit war der Versuch, sofort die Kommandobrücke zu entern, ganz früh Makulatur. Das konnte Elton Attack sehr viel besser, der wie vor einer Woche all seine Galopp-Einlagen vergessen zu haben schien, wie ein Brett lag, teuflisch los flitzte und dem ganz innen abgehenden Ganystar keine Chance ließ, die geliebte Pole Position zu ergattern.

 

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Für Expo Express entwickelte sich das Rennen nach der anfänglichen Schrecksekunde zunächst ideal, denn Indover blieb in der Außenspur hängen, so dass Mollema seinen Zögling direkt dahinter auf die Lauer legen konnte. Mulmig wurde es erst, als Roland Hülskath für die Schlussrunde Indover an die dritte Innenposition dirigieren konnte, so dass Expo Express der nicht allzu scharfe Fahrtwind der äußeren Reihe ins Gesicht blies. Im Nacken saßen ihm Ewald F Boko, Stacelita, die eher mäßig losgekommen war, sowie SJs Sunday. Mitte der Überseite zog Mollema die Temposchraube deutlich an: „Ich wusste, wie höllisch schnell Elton Attack werden kann, lässt man ihn zu lange in Ruhe, und genau deshalb wollte ich ihm früh ein wenig Speed aus den Segeln nehmen.“ Das war zugleich Gift für Ganystar. Berlins große Hoffnung, prominent liegend, kam nicht ganz mit und rollte sich in der Schlusskurve in eine Galoppade, die für den Fuchs das Aus bedeutete. Zu jener Zeit hatte Expo Express den Leader längst am Haken, „und weil mein Pferd ein harter Kämpfer ist, der immer weiter läuft, war ich mir da schon ziemlich sicher, dieses Ding nicht mehr zu verlieren.“
Mollemas „Eigenproduktion“ – „Der Hengst gehört unserer Familie, die Mutter ebenfalls – alles meins!“ – ließ auf den letzten 250 Metern dann auch nichts mehr anbrennen und stand früh als sicherer Sieger fest. Ewald F Boko nutzte den Sog des Triumphators konsequent zum Ehrenplatz und bescherte Conni Lugauer, für den auch diese Derby-Woche sehr durchwachsen verlaufen war, ausgerechnet im höchst dotierten Rennen einen versöhnlichen Abschluss. Elton Attack kämpfte wie ein Löwe, wackelte und schwankte nicht und hielt den heranpreschenden Indover wie die ganz außen engagierte Stacelita in Schach. Wobei die einzige Stute, die sich überhaupt gegen die Jungs gewagt hatte, doch etwas enttäuschte. Aus dritter Lage außen vermochte sie ihren vielgerühmten Turbo-Speed nie wirklich in die Schlacht einzubringen, weil die nach einem verbummelten Mittelstück auf den letzten beiden Abschnitten mit Zwischenzeiten von 1:10,9 und 1:11,2 (jeweils 400 Meter) extrem rasant war.
Expo Express folgte damit seinem großen (Halb-)Bruder Unforgettable („Der war ein sehr viel nervigerer Typ.“), der sich das Blaue Band in identischer Besitzer-, Trainer- und Fahrer-Konstellation 2005 geholt hatte und anschließend zu einem Kreuzzug quer durch Europa aufgebrochen war, der in einem Kontostand von 894.854 Euro gipfelte. Da hat die „kleine Atze“ folglich noch einen schönen „Berg“ vor sich, ist ihm jedoch in einem Punkt voraus: Holte er als 18. Traber die imaginäre dreifache Krone aus den Pretiosen Adbell-Toddington-, Buddenbrock-Rennen und Derby, so war der „Unvergessliche“ am Mittelstück gescheitert, das er 2005 um eine Nasenspitze an Primavera verloren hatte. Der Derbysieg hingegen war beiden fast gleich viel wert: Konnte sich Unforgettable damals 117.790 Euro gutschreiben lassen, so sind es für Expo Express deren 108.715.
Züchterisch ist der unbezwingbare Friesen-Express ein reiner Amerikaner, auch wenn sein Vater Expo Bi in Italien auf der weltberühmten Biasuzzi-Farm zur Welt gekommen ist. Expo Bi stammt väterlicherseits von Toss Out, mütterlicherseits von der Italienerin Summer Sel, die mit Valley Victory und Tarport Leah US-amerikanische Eltern hat. Expo Bi, 2001 geboren und für die Farben Mollemas fast ausschließlich in Italien am Start, beschloss seine Karriere mit 17 Siegen aus 63 Starts, einem Rekord von 1:12,1 und Gewinnen von 439.976 Euro, wobei die Ehrenplätze im Mailänder Gran Premio Europa (zu Echo’ dei Veltri) und im Gran Premio Tino Triossi von Rom (zu Passionate Kemp, jeweils 2005) die Aktivposten waren. Expo Express’ Mutter Pine Spirit, 1998 von Pine Chip aus einer Speedy-Crown-Stute gezüchtet, ist mit einem Rekord von 1:16,4 und Gewinnen von 54.008 Dollar notiert.

Das Rahmenprogramm
Wie tags zuvor Harry’s Bar war Jag Heuvelland in der zweiten Abteilung des Gottlieb-Jauß-Memorials eine Klasse für sich, wenngleich der Sieg des Start-Ziel die Kommandos gebenden Franzl-Schützlings nicht gar so überwältigend ausfiel. „Natürlich wird das Siegen immer schwieriger, je höher er steigt. So allein auf weiter Flur ist er immer ein bisschen faul, so dass ich ihn am Ende doch ein wenig triezen musste“, konstatierte Josef Franzl, der schon zum Auftakt mit Tyrolean Dream die Honoratioren besucht hatte.
Im Derby-Marathon stellte New Line, durchaus ein bewährter Steher, in neuer Hand von Joakim Lövgren die letzten sehr mäßigen Formen völlig auf den Kopf. Nachdem sich Montecore Mo und Going As über den 3200 Meter weiten Weg ausgetobt hatten und die Fahrt langsamer wurde, wuchtete der Jägersroer den mit 40 Meter Zulage „beschwerten“ Wallach nach vorn. Zur Halbzeit in Front, hielt er das Tempo moderat hoch, derweil sich Laughing Stock innen restlos festgefressen hatte und Abano Boy, Staro Foot Loose, Nelson Derm und Son Alézan wie bei „Warten auf Godot“ darauf lauerten, dass der Andere mal ein bisschen offensiver würde. Auf der letzten halben Runde verabschiedete sich New Line dann in jenem Stil, den man aus den Vorjahren von ihm gewohnt war.
Die halb so lange Distanz der Derbymeile, für die die noch am Freitagabend 1200 Kilometer westlich in Cabourg gestartete Ariane Beemd und der am Donnerstag siegreiche Parkin absagten, wurde eine sichere Beute des munter vorneweg stiefelnde Vrai Lord, der Aida Boko und I Won’t Dance keine echte Chance bot, den Spieß umzudrehen und mit 1:12,5 die schnellste Zeit des Meetings insgesamt markierte.
Vorneweg – das war auch der Schlüssel zum Erfolg bei den beiden Derby-Revanchen. In jener der Jungs hatte beim dritten wertvollen Vierjährigen-Vergleich der Saison Fridericus endlich eine akzeptable Startnummer erwischt, wurde eine Runde vor Schluss von Mitfavorit More Caviar auf die Pole Position durchgewunken und war von dort nicht mehr zu verdrängen – da konnte sich der über die Außenbahn kommende Stanislawski ins Zeug legen, wie er wollte. Sicher mit einer Länge behielt der von Michael Nimczyk gesteuerte Schwarzbraune aus dem Hause Kleemann die Nase vorn, während Stanislawski nur noch haarscharf den Ehrenplatz gegen More Caviar schaffte. Die selbst gewählte Todesspur wurde dem stark angepriesenen Lord Jaycee gründlich zum Verhängnis, womit Rene Kjær auch bei seiner zweiten Fuhre kein Glanzlicht anzündete.
In der Revanche der 2010 geborenen Stuten setzte ebenfalls aus der Frontlage Cees Kamminga mit der nach langer Durststrecke wieder erweckten Zenyatta den stärksten Akzent und bot der alles in allem enttäuschenden Mustang’s Sally keine Angriffsfläche.
Ebenfalls in holländische Gefilde ging der Sieg in der Silver Trophy, in der Bonaparte die Schlacht aus der Frontlage diesmal bis zum glücklichen Ende unfallfrei durchstand und Pasi di Girifalco, mit dem sich Jens Bergmann an die Innenkante verkrümelt hatte, nach undenklichen Zeiten mal wieder eine Niederlage bescherte.
Im Derby-Trostlauf schließlich hatte Way Scott das beste Ende für sich, den Robbin Bot über den gesamten Weg klug innen versteckte. In dem von zahlreichen Ausfällen geprägten Match wischte er auf der Zielgeraden sicher über Toto-Favorit Ginger Heldia hinweg.
Gegen Ende durften dann wieder die Gastgeber jubeln, denen ja im Derby durch Ganystars Galoppade das teuerste Fell weggeschwommen war: Das Fahren des Kombi-Pokals – das vorausgegangene Reiten hatte nach der nicht unumstrittenen nachträglichen Disqualifikation Garrys Be Stuck Paasloo gewonnen – wird wohl Philipp Caternberg nie im Leben vergessen: Ausgerechnet am bedeutendsten Tag des deutschen Trabrennsports feierte der Sohn von Rolf Hafvenström, der erst vor wenigen Wochen die Zwischenprüfung zum Berufsfahrer abgelegt hatte, den ersten Sieg seiner Karriere überhaupt – und wie! Mit der unberechenbaren Höwings Pothos Z rollte er von letzter Stelle das komplette Feld weit außen auf, wobei er den Zuschauern fast die Programme aus der Hand fuhr, und präsentierte sich nach dem 946:10-Knaller – dem deftigsten des gesamten Meetings – ganz cool: „Genau so hatte ich mir das vorgestellt: Die Ohrenwatte ziehen – erster Booster, die Klappen – zweiter Booster, und ab ging’s im Speed.“ Auch die „allerletzte“ Siegerschleife blieb wie im Vorjahr in oder bei der Hauptstadt: Für Trainer, Züchter und Besitzer Dirk Grusdas steuerte Thorsten Tietz, der zuvor schon mit Louisdor im Winner Circle aufgekreuzt war, Florana G selbst für ihn etwas überraschend zum ersten und noch dazu ganz leichten Sieg und resümierte: „Auch wenn nicht alles rund lief, bin ich mit der Ausbeute unseres Lots sehr zufrieden. Wir haben eine ganze Menge Rennen gewonnen und gutes Geld verdient.“
Ein Fazit, das über dem gesamten Meeting steht. Der Wetter-Pakt hielt auch am Schlusstag – sowohl was den Umsatz betrifft, der um rund 23.000 Euro über jenem des Derbytags 2013 und insgesamt um 33.000 Euro im Plus lag, wie auch jener himmlische. Die Unwetterwarnung löste sich in zwei leichte Nieselschauer auf, die nicht einmal die Bahnverhältnisse wesentlich veränderten. Und wer bis zum Schluss ausgeharrt hatte, durfte den Heimweg mit bereits wieder vorwitzigen Sonnenstrahlen unterm Regenbogen antreten – vielleicht ein Menetekel, dass im deutschen Trabrennsport keine güldenen, wohl aber etwas rosigere Zeiten anbrechen, wenn gemeinsam darum gerungen wird.
Umsatz bei 14 Rennen: 674.171.- Euro (incl. 283.697.- Euro Außenumsatz)

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119. DEUTSCHES TRABER-DERBY 2014

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