„Demütig anerkennen, wo die Krise uns stoppt!“

 

Zu einer mutigen Veränderung in Kirche und Gesellschaft, insbesondere angesichts der Erfahrungen in der Corona-Pandemie, hat der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Dr. Georg Bätzing, aufgerufen. „Vielfach wurde seit Beginn der Pandemie die Vermutung geäußert, dass durch die Corona-Krise gesellschaftliche Entwicklungen und Veränderungsprozesse beschleunigt werden und sich wie in einem Brennglas verdichten. Es gehört zu den großen Aufgaben der Politik, über die Analyse solcher Problemverdichtung hinaus zu einer gründlichen Vergewisserung zu finden und Handlungsoptionen zu entwickeln, mit denen die nötigen Veränderungen gestaltet werden können“, so Bischof Bätzing. „Gerade heute, einen Tag nach der Bundestagswahl, ermutige ich Sie alle, diese Herausforderungen gemeinsam anzugehen und dabei vielleicht auch Kraft und Hoffnung aus dem Glauben zu schöpfen. Die wahrnehmbare Beschleunigung von Umbruch- und Abbruchszenarien lässt sich ohne Weiteres auf die kirchliche Situation und die Seelsorge übertragen, wenn sie uns nicht sogar stärker trifft“, sagte Bischof Bätzing heute Abend (27. September 2021) beim St. Michael-Jahresempfang des Katholischen Büros in Berlin.

 

Er legte in seiner Ansprache vor rund 200 Gästen aus Kirche, Politik und Gesellschaft, darunter Bundestagspräsident Dr. Wolfgang Schäuble und Bundeskanzlerin Angela Merkel eine Analyse des Zustandes der katholischen Kirche vor. „Die Kirche wird sich künftig stärker entscheiden müssen, wofür sie ihre Ressourcen einsetzen kann und will. Das alles sind Anzeichen einer sich beschleunigenden äußeren Disruption kirchlich gebundener Religionsausübung und ihrer gesellschaftlichen Wahrnehmung. Und wir können nicht so tun, als sei alles normal.“ Diesen soziologisch greifbaren Phänomenen eines massiven Umbruchs entspreche eine fundamentale Störung des Vertrauens gegenüber der Kirche und kirchlichem Handeln, „die nicht anders denn als innere Disruption beschrieben werden kann. Die Erkenntnisse zum Ausmaß des sexuellen und geistlichen Missbrauchs in der katholischen Kirche haben zu einem tiefgreifenden Vertrauensverlust in weiten Teilen der Bevölkerung geführt. Zurückgehaltene Gutachten und bisweilen zögerliche Aufarbeitung verstärken diese Entwicklung und führen zu langen Wartezeiten für Austrittswillige“, so Bischof Bätzing.

 

„Mit dieser wenig schmeichelhaften Analyse“ gelte es jedoch, konstruktiv und kreativ umzugehen, wozu der Synodale Weg nach Auffassung von Bischof Bätzing eine große Chance biete. In dem gemeinsam mit dem ZdK initiierten Prozess gehe es darum, „Menschen in ihren konkreten Lebensbedingungen wieder mit dem Evangelium von Jesus Christus in Verbindung zu bringen. Denn die Störung des gelebten Brückenschlags zwischen beiden Wirklichkeiten stellt heute die eigentliche Krise dar. Viele Menschen wissen nicht, warum der Glaube sinnvoll ist und was er mit ihrem Leben zu tun hat.“

 

Im kirchlichen Handeln gehe man in der Regel davon aus, dass alle Menschen auf der Suche nach Sinn in ihrem Leben seien: „Diesen Sinn des Lebens ‚übersetzen‘ wir Christinnen und Christen mit Gott und nehmen daher an, dass die Gottesfrage jedem Menschen aufgrund seines Menschseins innewohnt“, sagte Bischof Bätzing. Neuere Studien zeigten jedoch, dass viele Zeitgenossen erst gar nicht die Sinn- und erst recht nicht die Gottesfrage stellten. „Wenn dies auf Menschen in unserem Kulturkreis zutrifft, müssen wir von einer fundamentalen Disruption sprechen, denn dann ist nicht nur von einem radikalen Abbruch der Kirchlichkeit, sondern des Gottesglaubens auszugehen. Angesichts dieser Tragweite erscheinen Strategieprozesse und notwendige Strukturanpassungen ebenso unzureichend wie einfach aufgelegte missionarische Initiativen. Die geforderte Transformation wird tiefer ansetzen müssen. Sie erfordert Umkehr im wahrsten Sinn und im religiösen Verständnis des Wortes“, betonte Bischof Bätzing.

 

Christlicher Glaube könne von seinem Wesen her nie bloß privat, sondern immer auch öffentlich und politisch wirksam werden, fügte er hinzu. „Mittlerweile haben Christinnen und Christen der verschiedenen Konfessionen verstanden, dass nur ein starkes gemeinsames Glaubenszeugnis mit guten Argumenten auch gesellschaftlich Wirkung entfalten kann.“ Mit Blick auf die konkrete Situation der Kirche unterstrich Bischof Bätzing, dass eine Umkehr der Kirche als Ganze in den Dienst der Menschen die Bekehrung der Einzelnen hin zu einer persönlichen Glaubensentscheidung voraussetze: „Wenn es uns gelingt, uns ehrlich zu machen und nicht alle Energie darauf zu verwenden, wie wir die Krise stoppen, sondern demütig anzuerkennen, worin die Krise uns stoppt, dann ist eine Trendumkehr zwar noch lange nicht geschafft – aber der Ausgangspunkt ist richtig gewählt. Denn – so sagt es Papst Franziskus – die Wahrheit öffnet sich für die, die sich ihr öffnen.“

Begrüßungsansprache

von Prälat Dr. Karl Jüsten (Berlin),

Leiter des Kommissariats der deutschen Bischöfe,

 

beim St. Michael-Jahresempfang

 

am 27. September 2021 in Berlin

 

Sehr geehrter Herr Bundestagspräsident, Dr. Schäuble, sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin, Dr. Merkel, lieber Herr Bischof Dr. Bätzing, Eminenzen und Exzellenzen, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, meine sehr verehrten Damen und Herren,

 

nachdem wir im letzten Jahr unseren traditionellen Michaelsempfang wegen der Corona-Pandemie absagen mussten, freue ich mich sehr, Sie zu unserem diesjährigen Michaelsempfang begrüßen zu dürfen. Herzlich willkommen und danke, dass Sie gekommen sind.

 

Ganz besonders freuen wir uns, dass Sie, sehr geehrte Frau Dr. Merkel, heute Abend bei uns sind. Genau auf den Tag vor 16 Jahren, am 27. September 2005, hat auch ein Michaelsempfang stattgefunden, auf dem ich Sie ebenfalls kurz nach der damaligen Bundestagswahl begrüßen durfte, damals noch als Oppositionsführerin. Wenige Wochen später wählte der Deutsche Bundestag Sie zur Bundeskanzlerin. Seitdem haben Sie unser Land besonnen und tatkräftig durch viele Herausforderungen und Krisen geführt. Hier ist nicht der rechte Ort, Ihre Verdienste angemessen zu würdigen, aber ich möchte an dieser Stelle jedenfalls unseren aufrichtigen Dank für Ihren großen Dienst und all das Gute aussprechen, das Sie in Ihrer Amtszeit für unser Land bewirkt haben. Ein herzliches Vergelt´s Gott.

 

Mit Ihnen, sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin, begrüße ich als weitere Vertreterinnen und Vertreter der Bundesregierung alle anwesenden Staatssekretärinnen und Staatssekretäre. Ihnen und allen Mitarbeitern in den Ministerien ebenfalls einen herzlichen Dank für Ihre Arbeit in der vergangenen Legislaturperiode, insbesondere zuletzt unter den schwierigen Bedingungen der Corona-Pandemie.

 

Am Tag nach der Bundestagswahl stehen die gewählten Mitglieder des Deutschen Bundestages und die Frage im Mittelpunkt, welche Fraktionen gemeinsam eine Regierung bilden werden. Der Blick richtet sich nun nach vorne. Wir sind sicherlich alle gespannt, welche neue Koalition künftig unser Land regieren wird.

 

Ich möchte allen Abgeordneten danken, die in der jetzt zu Ende gehenden Legislaturperiode Verantwortung getragen haben. Sie haben viel getan für unsere Demokratie, danke für Ihren Einsatz in schwieriger Zeit.

 

Beglückwünschen möchte ich alle gestern gewählten Abgeordneten. Stellvertretend für sie begrüße ich ganz herzlich den Bundestagspräsidenten Dr. Wolfgang Schäuble. Wie bedeutsam die Arbeit des Deutschen Bundestages ist, haben Sie, sehr geehrter Herr Dr. Schäuble, in einem Interview in der vergangenen Woche noch einmal dargelegt. Schlagwortartig haben Sie die Themen benannt, mit denen sich der Bundestag in seiner letzten Sitzung vor der Bundestagswahl befasst hat: die Flutkatastrophe, der Rückzug aus Afghanistan, die Corona-Pandemie. Sie haben den globalen Charakter dieser Themen herausgestrichen und von „tektonischen Verschiebungen“ und „weltpolitischen Problemen“ gesprochen, auf denen sie beruhen. Das Bild der „tektonischen Verschiebungen“ verweist auf heftige und weitreichende Erschütterungen und damit auf die Dramatik dieser Themen. Wir sind zu mutigem Handeln aufgefordert. In diesem Sinne wünschen wir Ihnen, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, Mut und Entschlossenheit, alles Gute und Gottes Segen für Ihre verantwortungsvolle Aufgabe.

 

Die genannten Themen werden auch in der kommenden Legislaturperiode eine wichtige Rolle spielen. Es überrascht daher nicht, dass die Kirchen Forderungen nach einem achtsamen Umgang mit der Schöpfung, nach der Solidarität mit der Menschheitsfamilie sowie dem Erhalt und Ausbau der sozialen Gerechtigkeit in den Mittelpunkt ihres Wahlaufrufs gestellt haben.

 

So sind wir in großer Sorge, dass die bisher beschlossenen und auch die in den Wahlprogrammen skizzierten Maßnahmen zum Klimaschutz nicht ausreichen, das im Pariser-Abkommen vereinbarte, für unsere Zukunft so entscheidende 1,5°-Grad-Ziel zu erreichen. Hierzu müssen wir in der Klimaschutzgesetzgebung und mit Klimaschutzmaßnahmen rasch nachlegen. Darüber hinaus bedarf der Schutz der Biodiversität, das Aufhalten des großen Artensterbens, politisch weit höherer Aufmerksamkeit. Auch dieser Schutz ist für uns und unseren Planeten von existenzieller Bedeutung.

 

Ebenso sehen die Kirchen Verbesserungsbedarf beim Umgang mit Flucht und Migration. Zuletzt hat uns der Rückzug der Nato aus Afghanistan noch einmal eindringlich vor Augen geführt, dass und wie sehr wir für Menschen, die in Krisengebieten bedroht sind, Verantwortung tragen und Verantwortung übernehmen müssen. Wir stehen nicht nur gegenüber den Ortskräften in der Pflicht. Zudem ist weitere humanitäre Hilfe für Afghanistan notwendig. Wir fordern, dass die menschenunwürdigen Zustände an den Grenzen Europas überwunden werden und dass der besondere Schutz der Familie auch und gerade für geflüchtete Familien gelten muss.

 

Die Kirchen haben die umfassenden Maßnahmen auf Bundes-, Landes-und kommunaler Ebene gegen die vielfältigen Auswirkungen der Corona-Pandemie grundsätzlich sehr begrüßt. Die Anstrengungen des Staates, in der Krise zur Sicherung und zum Erhalt von Arbeitsplätzen beizutragen, waren und sind für viele Menschen sehr wichtig. Sie sind notwendige Beiträge für sozialen Ausgleich und soziale Gerechtigkeit. Über die Krise hinaus gehört es zu den Aufgaben einer guten Sozial-und Arbeitsmarktpolitik, die Menschen in Arbeit zu bringen und gerecht zu entlohnen, damit sie und ihre Familien jetzt und im Alter angemessen davon leben können. Ein drängendes Problem sind bezahlbare Wohnungen. In der Pflege wurde einiges erreicht. Es werden aber weitere Reformen für eine würdige Pflege alternder und kranker Menschen, für gute Arbeitsbedingungen und die Unterstützung pflegender Angehöriger in der kommenden Legislatur anstehen.

 

Bei der Digitalisierung muss es vorangehen. Gleichzeitig sind wir alle aufgefordert, uns für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft einzusetzen und Polarisierung entgegenzuwirken. Dazu gehört es, dass wir populistischer Stimmungsmache und hetzerischer Rede entgegentreten und uns für einen sachlichen und respektvollen Umgang in allen, analogen wie digitalen, Kommunikationsräumen einsetzen. Hier liegt eine große Aufgabe vor uns – gerade auch im Hinblick auf schwierige gesellschaftliche Diskurse und Aushandlungsprozesse, die wir führen müssen.

 

Ich begrüße die Vertreterinnen und Vertreter der Bundesländer. Sie sind den Kolleginnen und Kollegen in den katholischen Länderbüros und uns gerade auch in den letzten Monaten wichtige Ansprechpartner gewesen. Es war und ist uns ein Anliegen, dass Gottesdienste auch in Zeiten der Pandemie gefeiert werden und die Seelsorgerinnen und Seelsorger bei den Menschen sein können, die Nähe und Zuspruch in der Not bedürfen.

 

Herzlich begrüße ich den Nuntius, Herrn Erzbischof Dr. Nikola Eterović, auch in seiner Eigenschaft als Doyen des Diplomatischen Corps.

 

Zum ersten Mal darf ich in diesem Jahr die neue Generalsekretärin der Deutschen Bischofskonferenz, Frau Dr. Beate Gilles, in unserer Mitte begrüßen. Es ist ein Ausdruck der guten Zusammenarbeit unserer Dienststellen, dass Sie mit Kolleginnen und Kollegen aus dem Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz und vom VDD heute zum Michaelsempfang gekommen sind. Schön, dass Sie da sind!

 

Auch bei uns im Katholischen Büro in Berlin gibt es eine Veränderung. Ich darf Ihnen meine langjährige Mitarbeiterin, Frau Uta Losem, als meine neue Stellvertreterin vorstellen. Dabei möchte ich ihrem Vorgänger, Herrn Robert Wessels, für seine hervorragende Arbeit ausdrücklich und sehr herzlich danken. Herzlichen Dank, lieber Herr Wessels! Ein herzliches Willkommen sage ich meinem evangelischen Kollegen, Herrn Prälaten Dr. Martin Dutzmann. Mit ihm grüße ich alle weiteren Repräsentantinnen und Repräsentanten aus der evangelischen Kirche.

 

Begrüßen möchte ich Herrn Bischof Sfiatkos für die griechisch-orthodoxe Metropolie und den Vorsitzenden der Arbeitsgemeinschaft der Christlichen Kirchen, Herrn Erzpriester Radu Miron. Als Vertreter für den Koordinationsrat der Muslime begrüße ich Herrn Burhan Kesici.

 

Ich freue mich, dass ich stellvertretend für die anwesenden Vertreter der katholischen Verbände den Präsidenten des ZdK, Herrn Prof. Thomas Sternberg begrüßen darf. Für ihn ist es heute der letzte Michaelsempfang als Präsident des ZdK. Daher möchte ich Dir, lieber Thomas, bereits an dieser Stelle ganz herzlich für die gute Zusammenarbeit in den vergangenen Jahren danken. Herzlich begrüße ich auch die Vertreter der Hilfswerke.

 

Nun möchte ich Ihnen, lieber Bischof Bätzing, das Wort geben. Wenn Sie heute zu uns unter der Überschrift „Die Wahrheit öffnet sich für die, die sich ihr öffnen“ – Zur Krise der katholischen Kirche sprechen, stellen Sie den weiteren Kontext her, in den die katholische Kirche gestellt und aufgefordert ist, ihre Zukunft im Dienste der Menschen zu gestalten. Ich freue mich, dass Sie erstmals als Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz die Ansprache auf dem Michaelsempfang halten werden. Wir sind gespannt auf Ihre Ausführungen!

 

Begrüßungsansprache

von Prälat Dr. Karl Jüsten (Berlin),

Leiter des Kommissariats der deutschen Bischöfe,

 

beim St. Michael-Jahresempfang

 

am 27. September 2021 in Berlin

 

Sehr geehrter Herr Bundestagspräsident, Dr. Schäuble, sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin, Dr. Merkel, lieber Herr Bischof Dr. Bätzing, Eminenzen und Exzellenzen, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, meine sehr verehrten Damen und Herren,

 

nachdem wir im letzten Jahr unseren traditionellen Michaelsempfang wegen der Corona-Pandemie absagen mussten, freue ich mich sehr, Sie zu unserem diesjährigen Michaelsempfang begrüßen zu dürfen. Herzlich willkommen und danke, dass Sie gekommen sind.

 

Ganz besonders freuen wir uns, dass Sie, sehr geehrte Frau Dr. Merkel, heute Abend bei uns sind. Genau auf den Tag vor 16 Jahren, am 27. September 2005, hat auch ein Michaelsempfang stattgefunden, auf dem ich Sie ebenfalls kurz nach der damaligen Bundestagswahl begrüßen durfte, damals noch als Oppositionsführerin. Wenige Wochen später wählte der Deutsche Bundestag Sie zur Bundeskanzlerin. Seitdem haben Sie unser Land besonnen und tatkräftig durch viele Herausforderungen und Krisen geführt. Hier ist nicht der rechte Ort, Ihre Verdienste angemessen zu würdigen, aber ich möchte an dieser Stelle jedenfalls unseren aufrichtigen Dank für Ihren großen Dienst und all das Gute aussprechen, das Sie in Ihrer Amtszeit für unser Land bewirkt haben. Ein herzliches Vergelt´s Gott.

 

Mit Ihnen, sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin, begrüße ich als weitere Vertreterinnen und Vertreter der Bundesregierung alle anwesenden Staatssekretärinnen und Staatssekretäre. Ihnen und allen Mitarbeitern in den Ministerien ebenfalls einen herzlichen Dank für Ihre Arbeit in der vergangenen Legislaturperiode, insbesondere zuletzt unter den schwierigen Bedingungen der Corona-Pandemie.

 

Am Tag nach der Bundestagswahl stehen die gewählten Mitglieder des Deutschen Bundestages und die Frage im Mittelpunkt, welche Fraktionen gemeinsam eine Regierung bilden werden. Der Blick richtet sich nun nach vorne. Wir sind sicherlich alle gespannt, welche neue Koalition künftig unser Land regieren wird.

 

Ich möchte allen Abgeordneten danken, die in der jetzt zu Ende gehenden Legislaturperiode Verantwortung getragen haben. Sie haben viel getan für unsere Demokratie, danke für Ihren Einsatz in schwieriger Zeit.

 

Beglückwünschen möchte ich alle gestern gewählten Abgeordneten. Stellvertretend für sie begrüße ich ganz herzlich den Bundestagspräsidenten Dr. Wolfgang Schäuble. Wie bedeutsam die Arbeit des Deutschen Bundestages ist, haben Sie, sehr geehrter Herr Dr. Schäuble, in einem Interview in der vergangenen Woche noch einmal dargelegt. Schlagwortartig haben Sie die Themen benannt, mit denen sich der Bundestag in seiner letzten Sitzung vor der Bundestagswahl befasst hat: die Flutkatastrophe, der Rückzug aus Afghanistan, die Corona-Pandemie. Sie haben den globalen Charakter dieser Themen herausgestrichen und von „tektonischen Verschiebungen“ und „weltpolitischen Problemen“ gesprochen, auf denen sie beruhen. Das Bild der „tektonischen Verschiebungen“ verweist auf heftige und weitreichende Erschütterungen und damit auf die Dramatik dieser Themen. Wir sind zu mutigem Handeln aufgefordert. In diesem Sinne wünschen wir Ihnen, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, Mut und Entschlossenheit, alles Gute und Gottes Segen für Ihre verantwortungsvolle Aufgabe.

 

Die genannten Themen werden auch in der kommenden Legislaturperiode eine wichtige Rolle spielen. Es überrascht daher nicht, dass die Kirchen Forderungen nach einem achtsamen Umgang mit der Schöpfung, nach der Solidarität mit der Menschheitsfamilie sowie dem Erhalt und Ausbau der sozialen Gerechtigkeit in den Mittelpunkt ihres Wahlaufrufs gestellt haben.

 

So sind wir in großer Sorge, dass die bisher beschlossenen und auch die in den Wahlprogrammen skizzierten Maßnahmen zum Klimaschutz nicht ausreichen, das im Pariser-Abkommen vereinbarte, für unsere Zukunft so entscheidende 1,5°-Grad-Ziel zu erreichen. Hierzu müssen wir in der Klimaschutzgesetzgebung und mit Klimaschutzmaßnahmen rasch nachlegen. Darüber hinaus bedarf der Schutz der Biodiversität, das Aufhalten des großen Artensterbens, politisch weit höherer Aufmerksamkeit. Auch dieser Schutz ist für uns und unseren Planeten von existenzieller Bedeutung.

 

Ebenso sehen die Kirchen Verbesserungsbedarf beim Umgang mit Flucht und Migration. Zuletzt hat uns der Rückzug der Nato aus Afghanistan noch einmal eindringlich vor Augen geführt, dass und wie sehr wir für Menschen, die in Krisengebieten bedroht sind, Verantwortung tragen und Verantwortung übernehmen müssen. Wir stehen nicht nur gegenüber den Ortskräften in der Pflicht. Zudem ist weitere humanitäre Hilfe für Afghanistan notwendig. Wir fordern, dass die menschenunwürdigen Zustände an den Grenzen Europas überwunden werden und dass der besondere Schutz der Familie auch und gerade für geflüchtete Familien gelten muss.

 

Die Kirchen haben die umfassenden Maßnahmen auf Bundes-, Landes-und kommunaler Ebene gegen die vielfältigen Auswirkungen der Corona-Pandemie grundsätzlich sehr begrüßt. Die Anstrengungen des Staates, in der Krise zur Sicherung und zum Erhalt von Arbeitsplätzen beizutragen, waren und sind für viele Menschen sehr wichtig. Sie sind notwendige Beiträge für sozialen Ausgleich und soziale Gerechtigkeit. Über die Krise hinaus gehört es zu den Aufgaben einer guten Sozial-und Arbeitsmarktpolitik, die Menschen in Arbeit zu bringen und gerecht zu entlohnen, damit sie und ihre Familien jetzt und im Alter angemessen davon leben können. Ein drängendes Problem sind bezahlbare Wohnungen. In der Pflege wurde einiges erreicht. Es werden aber weitere Reformen für eine würdige Pflege alternder und kranker Menschen, für gute Arbeitsbedingungen und die Unterstützung pflegender Angehöriger in der kommenden Legislatur anstehen.

 

Bei der Digitalisierung muss es vorangehen. Gleichzeitig sind wir alle aufgefordert, uns für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft einzusetzen und Polarisierung entgegenzuwirken. Dazu gehört es, dass wir populistischer Stimmungsmache und hetzerischer Rede entgegentreten und uns für einen sachlichen und respektvollen Umgang in allen, analogen wie digitalen, Kommunikationsräumen einsetzen. Hier liegt eine große Aufgabe vor uns – gerade auch im Hinblick auf schwierige gesellschaftliche Diskurse und Aushandlungsprozesse, die wir führen müssen.

 

Ich begrüße die Vertreterinnen und Vertreter der Bundesländer. Sie sind den Kolleginnen und Kollegen in den katholischen Länderbüros und uns gerade auch in den letzten Monaten wichtige Ansprechpartner gewesen. Es war und ist uns ein Anliegen, dass Gottesdienste auch in Zeiten der Pandemie gefeiert werden und die Seelsorgerinnen und Seelsorger bei den Menschen sein können, die Nähe und Zuspruch in der Not bedürfen.

 

Herzlich begrüße ich den Nuntius, Herrn Erzbischof Dr. Nikola Eterović, auch in seiner Eigenschaft als Doyen des Diplomatischen Corps.

 

Zum ersten Mal darf ich in diesem Jahr die neue Generalsekretärin der Deutschen Bischofskonferenz, Frau Dr. Beate Gilles, in unserer Mitte begrüßen. Es ist ein Ausdruck der guten Zusammenarbeit unserer Dienststellen, dass Sie mit Kolleginnen und Kollegen aus dem Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz und vom VDD heute zum Michaelsempfang gekommen sind. Schön, dass Sie da sind!

 

Auch bei uns im Katholischen Büro in Berlin gibt es eine Veränderung. Ich darf Ihnen meine langjährige Mitarbeiterin, Frau Uta Losem, als meine neue Stellvertreterin vorstellen. Dabei möchte ich ihrem Vorgänger, Herrn Robert Wessels, für seine hervorragende Arbeit ausdrücklich und sehr herzlich danken. Herzlichen Dank, lieber Herr Wessels! Ein herzliches Willkommen sage ich meinem evangelischen Kollegen, Herrn Prälaten Dr. Martin Dutzmann. Mit ihm grüße ich alle weiteren Repräsentantinnen und Repräsentanten aus der evangelischen Kirche.

 

Begrüßen möchte ich Herrn Bischof Sfiatkos für die griechisch-orthodoxe Metropolie und den Vorsitzenden der Arbeitsgemeinschaft der Christlichen Kirchen, Herrn Erzpriester Radu Miron. Als Vertreter für den Koordinationsrat der Muslime begrüße ich Herrn Burhan Kesici.

 

Ich freue mich, dass ich stellvertretend für die anwesenden Vertreter der katholischen Verbände den Präsidenten des ZdK, Herrn Prof. Thomas Sternberg begrüßen darf. Für ihn ist es heute der letzte Michaelsempfang als Präsident des ZdK. Daher möchte ich Dir, lieber Thomas, bereits an dieser Stelle ganz herzlich für die gute Zusammenarbeit in den vergangenen Jahren danken. Herzlich begrüße ich auch die Vertreter der Hilfswerke.

 

Nun möchte ich Ihnen, lieber Bischof Bätzing, das Wort geben. Wenn Sie heute zu uns unter der Überschrift „Die Wahrheit öffnet sich für die, die sich ihr öffnen“ – Zur Krise der katholischen Kirche sprechen, stellen Sie den weiteren Kontext her, in den die katholische Kirche gestellt und aufgefordert ist, ihre Zukunft im Dienste der Menschen zu gestalten. Ich freue mich, dass Sie erstmals als Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz die Ansprache auf dem Michaelsempfang halten werden. Wir sind gespannt auf Ihre Ausführungen!

Von admin