Eines steht schon jetzt fest: Das diesjährige Finale um den DFB-Pokal wird als ein besonderes in die Geschichte eingehen – ganz gleich, in welcher Verfassung sich die Endspielteilnehmer Borussia Dortmund und VfL Wolfsburg am Samstag (ab 20 Uhr, live in der ARD und bei Sky) präsentieren. Der Grund dafür steckt in und unter der imposanten Dachkonstruktion des Berliner Olympiastadions. Dort wurden in der vergangene Wochen insgesamt 14 Hochgeschwindigkeitskameras installiert, die als Teil der Torlinientechnik fortan jeden erzielten Treffer zweifelsfrei belegen können.

"Hawk-Eye" (Falkenauge) nennt sich das System, das am Samstag seine Deutschland-Premiere feiert. Jeweils sieben Kameras sind in verschiedenen Blickwinkeln auf eines der beiden Tore gerichtet. Aus der Summe der einzelnen Bilder lässt sich dann die exakte Position des Balles errechnen. "Bislang hat es noch keinen einzigen Fall gegeben, in dem der Ball von den Kameras nicht erkannt werden konnte", sagt Laurence Upshon. Der Brite verantwortet im gleichnamigen Unternehmen "Hawk-Eye" den Bereich Fußball und stellte die Torlinientechnik am Dienstag in Berlin vor.

 
Mit Beginn der kommenden Saison führt die Bundesliga die Torlinientechnologie ein. Bereits Anfang dieses Jahres gab es eine erste Abstimmung über den Einsatz dieser Telematik-Lösung, welche jedoch scheiterte. Für viele Vereine waren die Kosten im Hinblick auf die zu erwartenden Vorteile einfach zu hoch. Jüngste Ereignisse im Fußball und das angebotene Telematik-System namens Hawk-Eye haben offensichtlich den Meinungswechsel gefördert.

Ein gewisses Hin und Her zeichnete die Entwicklung der Torlinientechnik in der Bundesliga in diesem Jahr ab. So keimte das Thema bereits 2012 auf, wurde jedoch aufgrund von Unklarheiten bei der Genauigkeit der Systeme abgeschmettert. Anfang 2014 kam es dann zu einer ersten Abstimmung. In der ersten Bundesliga gab es unter den abstimmenden Vereinen zwar neun Befürworter, wie den FC Bayern München, Werder Bremen oder Bayer 04 Leverkusen, aber auch ebenso viele Vereine, die sich gegen den Einsatz aussprachen. Die benötigte Zwei-Drittel-Mehrheit wurde somit nicht erreicht. Noch klarer war die Entscheidung in der zweiten Bundesliga, als sich nur drei Vereine für einen Einsatz dieser Telematik-Lösung aussprachen. Unter dem Bedauern der großen Vereine und auch der Schiedsrichter, die mehrheitlich diese Technik wünschten, musste diese Entscheidung akzeptiert werden. Auf Seiten der Fans sah die Reaktion ähnlich aus: In einer repräsentativen Umfrage des Sport-Informations-Dienstes (SID) stimmten 73 Prozent der Befragten für eine Torlinientechnik in beiden Ligen.

Bis einer heult

Liga-Präsident Reinhard Rauball erwartete nach dem Scheitern des letzten Antrags in naher Zukunft keinen erneuten Vorstoß zu diesem Thema. Offensichtlich rechnete er jedoch nicht mit einigen darauf folgenden Fehlentscheidungen auf dem Fußballplatz. Diese traten zwar keinesfalls häufiger auf als üblich, lösten jedoch bei vielen Vereinen einen faden Beigeschmack aus, schließlich wären unrechtmäßig gegebene Tore mit der neuen Technologie (abgesehen von Abseitsfehlern oder falschen Foul-Entscheidungen) so nicht mehr vorgekommen. Besonders aus den Augen derjenigen Vereine bitter, die von derartigen Entscheidungen benachteiligt wurden.

Die halbe Million aus der Kaffeekasse

Ein entscheidendes Argument gegen den Einsatz der Torlinientechnik über ein Kamerasystem waren die hohen Anschaffungskosten für die Vereine. So musste Anfang des Jahres mit Kosten von ca. 500.000 € pro Verein gerechnet werden. Wesentlich "günstiger" wäre hier die Technologie mit einem Chip im Ball gewesen, die jeden Verein ca. 250.000 € gekostet hätte. Summen, die ein FC Bayern München fast schon aus der Portokasse bezahlt. Für andere Vereine jedoch stellt dies eine nicht unbedeutende Investition dar, die gut überlegt sein will. Besonders typische Aufsteiger/Absteiger-Vereine müssen durchaus Überstunden in der Buchhaltung leisten, um diese Kosten realisieren zu können.

Gute Vertriebsarbeit durch Brasilien, Kießling und Co.

Die Frage des Preises war also der Punkt, der geklärt werden musste und offensichtlich auch geklärt wurde. Die Entscheidung ist nun gefallen. Auf der offiziellen Pressekonferenz gab es zwar keine definitiven Aussagen zu den konkreten Kosten, es wurde jedoch versichert, dass es hier ein neues Angebot gäbe. Neben den reduzierten Preisen, leistete mit Sicherheit auch die WM in Brasilien eine "stille Vertriebshilfe", da das dort verwendete System "GoalControl" einige strittige Situationen zweifelsfrei aufklärten konnte. Auch das in Erinnerung gerufene, berüchtigte Phantom-Tor von Stefan Kießling und vergleichbare Fehlentscheidungen in jüngerer Zeit, waren mit Sicherheit bei der Entscheidung das Zünglein an der Waage.

Funktionsweise der neuen Torlinien-Telematik

Ab der nächsten Saison unterstützt das sogenannte Hawk-Eye-System des gleichnamigen Anbieters HawkEye Ltd. (ein Tochterunternehmen von Sony Europe) die Schiedsrichter beim Erkennen von Toren. Neben dem aus der letzten WM bekannten System GoalControl und zwei weiteren Systemen, die per Chip im Ball arbeiten, ist Hawk-Eye das einzige System, welches von der FIFA für den Einsatz zertifiziert wurde. Und das "Falkenauge" bietet große Erfahrungen im Sport. So findet das System schon lange Zeit im Tennis Anwendung und feierte in der Saison 2013/2014 seinen offiziellen Einsatz in der englischen Premier League.

Hawk-Eye funktioniert folgendermaßen: Pro Tor erfassen sechs Messkameras und eine Hochgeschwindigkeitskamera den Bereich der Torlinie aus verschiedenen Blickwinkeln. Fliegt der Ball auf das Tor zu, wird dieser automatisch vom System erkannt. Aufgrund der bekannten Winkel der Kameras, Torlinie und der genau identifizierten Position des Balls kann millimetergenau festgestellt werden, ob dieser in einer vollen Umdrehung hinter der Torlinie war – oder eben nicht. Der Schiedsrichter bekommt das Ergebnis innerhalb einer Sekunde akustisch über einen kleinen In-Ear-Lautsprecher und zusätzlich auf einer speziellen Uhr am Handgelenk übermittelt. Interessant ist hierbei auch die Tatsache, dass das Kamera-System zur Identifizierung des Balls, diesen nicht einmal komplett sehen muss. Ein kleiner sichtbarer Fleck reicht bereits aus. Ein Torwart müsste sich also schon mit und um den Ball zusammen in das Tor rollen, damit vom Ball auch kein einziger Quadrat-Zentimeter sichtbar wäre. Nur dann könnte ein Spieler das System zumindest ‚etwas‘ behindern – eine Situation, die nicht unbedingt zu erwarten ist. Auch die Fans bekommen das analysierte Tor oder Nicht-Tor im Detail zu sehen, denn die Flugbahn wird direkt aufbereitet und kann über die Anzeigentafel im Stadion nachvollzogen werden.

Somit steigt die Telematik in der kommenden Saison in die Bundesliga auf und liefert zukünftig eine klare Entscheidungshilfe beim Erkennen von Toren, die mit dem menschlichen Auge kaum zu identifizieren sind.

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Von admin

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