Foto: David von Becker

Mit der Publikumseröffnung der Sammlungspräsentationen und Ausstellungen im Ostflügel am 17. September ist ein weiterer Meilenstein für das Humboldt Forum erreicht. Auf mehr als 16.000 Quadratmetern Ausstellungsfläche und in mehr als 40 Ausstellungsmodulen werden rund 20.000 Exponate gezeigt und aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet. Sie geben einen faszinierenden, Epochen und Kontinente umfassenden Überblick über die Kunst und Kulturen der Welt. Die Präsentationen des Ethnologischen Museums und des Museums für Asiatische Kunst der Staatlichen Museen zu Berlin sowie der Stiftung Humboldt Forum im Berliner Schloss befassen sich, im engen Austausch mit internationalen Partnern und Communities, mit den Kulturen Afrikas, Amerikas, Asiens und Ozeaniens. Zur Eröffnung sind Besucher*innen zu einem 24-Stunden-Programm eingeladen.

Nach einer digitalen Eröffnung im Dezember 2020 und schrittweisen Eröffnung der temporären Ausstellungen und der Sammlungspräsentationen im Westflügel in 2021 ist das Humboldt Forum nun vollständig eröffnet. Neben bedeutenden Beständen, die bis vor fünf Jahren von den Staatlichen Museen in Berlin-Dahlem ausgestellt waren, werden zahlreiche Objekte aber auch erstmals präsentiert.

Neu eröffnet werden nun die Räume zu Nord-, Mittel-und Südamerika sowie der zweite Teil der Sammlungspräsentationen zu Asien und Afrika mit Höhepunkten wie den Ausstellungsbereichen zum zur globalen Diversität des Islam oder dem Königreich Benin. Die Spannbreite der neuen Präsentationen reicht von der Sammeltätigkeit des norwegischen Forschungsreisenden Johan Adrian Jacobsen an der Westküste Kanadas und den indigenen Perspektiven auf die Objekte in Berlin bis hin zum Leben der Dinge in der Amazonasregion.

Zu den Highlights gehören besondere Exponate wie etwa ein traditionelles Versammlungshaus (Bai) aus Palau, ein fidschianisches Doppelrumpfboot (Drua), der bekannte Goldmann Kazike der präkolumbischen Quimbaya oder die monumentalen Cotzumalhuapa-Stelen aus dem heutigen Guatemala. Die Kunst der Khmer ist u.a. mit raumgreifenden, 23 Meter langen historischen Abgüssen der Reliefs der Tempelanlage Angkor Wat mit Szenen aus Himmel und Hölle vertreten. Religiöse Architektur der nördlichen Seidenstraße lässt sich anhand der spektakulären Rekonstruktion der begehbaren buddhistischen Höhle der Ringtragenden Tauben erleben.

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Im Ausstellungsbereich zur globalen Diversität des Islam trifft das Publikum auf einen seltenen iranischen Derwischmantel aus dem 19. Jahrhundert und auf Vitrinen, deren Inhalt von Moscheegemeinden in Berlin gestaltet wurde. Zwei Räume widmen sich der Kunst aus dem historischen Königreich Benin. Gezeigt werden ehemals zum Berliner Bestand gehörende historische Werke, die nach der kürzlich erfolgten Rückgabe an Nigeria als Leihgaben in Berlin bleiben. Den berühmten Bronzen wird zeitgenössische Kunst aus Nigeria gegenübergestellt. Die mit den nigerianischen Partner*innen gemeinsam konzipierte Ausstellung wird in den kommenden Jahren gemeinsam weiterentwickelt.

In die Ausstellungen sind an verschiedenen Stellen zeitgenössische künstlerische Interventionen integriert, die sich unmittelbar auf die Sammlungen beziehen oder in Auseinandersetzung mit ihnen entstanden sind. So hat etwa die mexikanische Künstlerin Mariana Castillo Deball in ihrer großflächigen Installation Codex Humboldt Fragment 1 / Codex Azoyú Reverso die Inhalte zweier bedeutender mesoamerikanischer Bilderhandschriften aus dem 16. Jahrhundert in Form von 320 Keramikplatten veranschaulicht.

In vielen Ausstellungsbereichen wurde eng mit internationalen Partnern und Communities zusammengearbeitet. So auch bei den sechs temporären Ausstellungen, die von der Stiftung Humboldt Forum im Berliner Schloss sowie dem Ethnologischen Museum und dem Museum für Asiatische Kunst gemeinsam mit Communities aus vielen Regionen der Welt entwickelt wurden. Sie sind Ergebnisse jahrelanger Zusammenarbeit und verknüpfen verschiedene Wissens-und Erfahrungsgebiete, die zum Forum-Charakter des Humboldt Forums beitragen. Exponate der nordamerikanischen Omaha und Haida, der indischen Naga, Fragen an Objekte aus Tansania sowie eine Präsentation von Skulpturen aus Afrika, Asien und Europa geben Einblicke in verschiedene Gesellschaften und deren kulturelle Praktiken.

Dabei präsentieren die Museen nicht nur aktuelle, kooperative Forschung zu den Objekten und neue Ausstellungs-und Vermittlungskonzepte, sondern stellen sich auch der eigenen Sammlungsgeschichte. Die kritische Aufarbeitung der Provenienzen und Erwerbungskontexte ebenso wie deren Einbettung in die Kolonialgeschichte sind Teil der Erzählung im Humboldt Forum und werden die Arbeit mit den Sammlungen auch zukünftig prägen. Dazu trägt auch das vielfältige Programm des Humboldt Forums bei, das neben Ausstellungen Bildungs-und Wissenschaftsangebote sowie Veranstaltungen zu dem Kernthema Kolonialismus und Kolonialität umfasst.

Zahlreiche Angebote widmen sich der Vermittlung der Herkunft der Objekte in den Sammlungen des Ethnologischen Museums und des Museums für Asiatische Kunst: So führt etwa ein Begleitheft anhand ausgewählter Sammlungskontexte und Objekte in die Vielfalt und Herausforderungen der Provenienzforschung ein und erklärt, warum es wichtig ist, die Herkunft der Stücke gemeinsam mit Vertreter*innen der Herkunftsgesellschaften zu erforschen und wie man dabei vorgeht. Bei Führungen zum Thema können die Besucher*innen mit den Provenienzforscher*innen selbst ins Gespräch kommen.

24-Stunden-Programm zur Eröffnung

Die Eröffnung der neuen Ausstellungsflächen beginnt am Mittag des 17. Septembers mit einem 24-Stunden-Programm. Um punkt 12 Uhr starten erste Ausstellungstalks, Performances, Drop-ins, Workshops und Filmtalks. In Führungen, Diskussionen, Performances und vielen weiteren Formaten geben internationale Expert*innen, Kurator*innen und Restaurator*innen persönliche, vertiefende Einblicke in die Präsentationen. In der ganzen Nacht wird die Eröffnung mit der Sauer Power Klubnacht des Künstler*innenkollektivs Slavs und Tatars im Schlüterhof gefeiert. Die über 100 Programmangebote können alle kostenfrei und ohne Anmeldung besucht werden.

Zitate

Kulturstaatsministerin Claudia Roth : „Auch wenn mit dem Ostflügel jetzt der letzte Teil des Humboldt Forums eröffnet wird, geht die Arbeit weiter. Das Innere des Humboldt Forum hat sich zu einem offenen Ort der internationalen Begegnung entwickelt, an dem Altes hinterfragt wird und Neues entsteht. Es zeigt, wie abseits der ausgetretenen Pfade eurozentristischer Sichtweisen lebendige Museumsarbeit aussehen kann. Hier wird sich nicht nur offen und kritisch mit der kolonialen Vergangenheit auseinandergesetzt, sondern vor allem damit, wie man in Zukunf t partnerschaftlich und auf Augenhöhe mit Expertinnen und Experten aus den Herkunftsgesellschaften Ausstellungen umsetzen kann. Das Humboldt Forum bleibt ‚work in progress‘ im besten Sinne.“

Hartmut Dorgerloh ,

Generalintendant des Humboldt Forum s : „ Wir fr euen uns auf das kommende Wochenende, an dem das gesamte Humboldt Forum vollständig eröffnet sein wird. Es war eine Freude zu erfahren, w ie im vergangenen Jahr Berliner*innen lokalen, nationalen und internationalen Partner *innen u , unsere nd die vielen Besucher*innen der Stadt damit begonnen haben, das Humboldt Forum als neue Kulturinstitution zu beleben, mitzugestalten und es zu einem (Austragungs)ort der demokratischen, offenen Debatte zu machen. Die vielen aktuell verwirklichten Kooperat ionsprojekte lassen das große Potential des Humboldt Forum als internationale Dialogplattform in Berlins Mitte noch deutlicher sichtbar werden. Sie sind ein weiterer, zentraler Meilenstein in einem langen Prozess und ein bedeutender Ausgangspunkt für eine vielfältige Programmarbeit in den kommenden Jahren.“

Hermann Parzinger

 , Präsident der Stiftung Preuß ischer Kulturbesitz: „Endlich können wir das Humboldt Forum, diesen Ort der Weltkulturen, zusammen mit unseren Partner aus aller Welt vollständig erö *in n en ffnen. Es ist vollendet, und doch steht es am Anfang. Dieses Haus ist im Dialog und im Austausch entstanden . Auf dieser Basis gegenseitigen Vertrauens muss es sich kontinuierlich verändern und weiterentwickeln. Unser Wille zu Offenheit und Transparenz, die Anerkennung kolonialen Unrechts mit daraus resultierenden Rückgaben und vielfältige neue Formen der Kooperation und der Koproduktion werden unsere Arbeit auch in Zukunft bestimmen. Dabei geht es auch um die Überwindung noch immer dominanter westlicher Per spektiven und um ein besseres Verständnis dafür, wie Menschen aus den verschiedensten Teilen der Welt heute leben und was ihnen wichtig ist. Das Humboldt Forum kann diese Kraft nur dann entfalten, wenn es gemeinsam mit unseren Partner*innen aus aller Welt Themen setzt und auch ein Forum für deren vielfältige Fragen der Gegenwart schafft. Ich wünsche allen Besucher*innen, dass sie beim Flanieren zwischen Museumsinsel und Humboldt Forum immer neue Blicke auf diese eine Welt entdecken.“

Lars-Christian Koch,

Direktor des Ethnologischen Museums und des Museums für Asiatische Kunst: „Im vergangenen Jahr haben wir die ersten Ausstellungsflächen der Museen eröffnet und sind sehr glücklich über das nach wie vor große Publikumsinteresse. Umso mehr freue ich mich nun, der Öffentlichkeit die restlichen Teile präsentieren zu können, die unsere Ausstellungen im Humboldt Forum komplettieren. Besonders aber freue ich mich darüber, dass wir so viele unserer zahlreichen Partnerinnen und Partner aus allen Teilen der Welt in Berlin begrüßen und mit ihnen feiern dürfen das war 2021 aufgrund von Corona leider noch nicht möglich. Ohne die intensive Zusammenarbeit mit unseren internationalen Partnerinnen und Partnern hätten wir viele Ausstellungsbereiche so nicht realisieren und der Verantwortung nicht gerecht werden können, die wir gegenüber unserer Sammlungsgeschichte haben.“

Wynema Morris,

Mitglied der Omaha und Privatdozentin am Nebraska Indian Community College und Co-Kuratorin der temporären Ausstellung Gegen den Strom. Die Omaha, Francis La Flesche und seine Sammlung: Die Ausstellung Francis La Flesche -Omaha Tribe ist für unser Team aus Studierenden und Mitgliedern der Omaha von großer Bedeutung. Der Anblick der kulturellen Gegenstände, die La Flesche vor über hundert Jahren gesammelt hat, war überwältigend. Aufgrund der erzwungenen Assimilierung gingen viele wichtige Aspekte der Kultur verloren. Mit dieser Sammlung werden sie den Omaha wieder näher gebracht. Die Zusammenarbeit mit dem Berliner Kurator*innenteam war für uns alle ein Höhepunkt. Es war eine Gelegenheit für uns, ´Botschafter*innen´ für die Wiedereinführung einer Vergangenheit zu werden, die fast vergessen war.“

Abba Tijani,

Generaldirektor der nigerianischen National Commission for Museums and Monuments: Wir, die National Commission for Museums and Monuments (Nationale Kommission für Museen und Denkmäler), freuen uns über die Ausstellung im Humboldt Forum, die die Kommission unterstützt und an der sie beteiligt ist. Sie bietet eine großartige Gelegenheit für viele Menschen, die kürzlich repatriierten Objekte zu sehen, die als Leihgaben in Deutschland verbleiben, und zu verstehen, wie die Nationale Kommission für Museen und Denkmäler mit dem Ethnologischen Museum zusammenarbeitet, um diese Bronzen auszustellen. Das ist die Zukunft: eine Zukunft der Zusammenarbeit zwischen Museen, eine Zukunft, in der die legitimen Wünsche anderer Nationen und traditioneller Institutionen respektiert und gewürdigt werden.

Zubeni Lotha,

Fotokünstlerin und Co-Kuratorin der temporären Ausstellung Naga Land. Stimmen aus Nordostindien: „Durch meine Arbeit am Naga Land Projekt wurde mir bewusst, wie wichtig eine Ausstellung ist und wie sie dazu beitragen kann, dass wir etwas über Kultur, Geschichte, Geografie usw. lernen. Wir haben versucht, das Gelernte durch das Design und den Inhalt der Ausstellung zu vermitteln. Die Zusammenarbeit war wunderbar, und ich hatte das Gefühl, dass wir in jeder Phase des Prozesses voneinander lernen konnten.“

Seyran Ateş,

Rechtsanwältin, Autorin sowie Initiatorin und Mitbegründerin der Ibn-Rushd­Goethe-Moschee in Berlin und Co-Kuratorin der Ausstellung Aspekte des Islam: „Es ist für uns eine große Ehre und Anerkennung unserer Arbeit als Ibn Rushd-Goethe Moschee in der Ausstellung Aspekte des Islams des Ethnologischen Museums mit einer eigenen Vitrine im Humboldt Forum vertreten zu sein. Wir wollen diese Chance dazu nutzen, einem breiten Publikum die Diversität und Pluralität im Islam aus unserer Perspektive als liberale Muslime zu vermitteln. Wir freuen uns sehr auf offene, tolerante und gerne auch kontroverse Debatten in unseren Veranstaltungen. Unser Motto wird dabei immer sein, dass wir nicht die absolute Wahrheit verkünden, sondern vor allem auch mit Andersdenkenden und Andersglaubenden eine bessere gemeinsame Welt schaffen wollen.“

Gid yahk’ii Sean Young Archäologe und Sammlungskurator am Haida Gwaii Museum at Kay Llnagaay und Co-Kurator der temporären Ausstellung Ts’uu Zeder. Von Bäumen und Menschen mit: „Für mich war es eine große Freude, dass ich Ts’uu Zeder mit kuratieren konnte. Normalerweise kommen Institutionen, die Ausstellungen über die Kultur der First Nations in Kanada oder den USA machen, erst ganz zum Schluss auf uns zu, fragen etwa, ob die Begleittexte für uns akzeptabel sind. Die Zusammenarbeit mit dem Humboldt Forum war anders: Wir waren von Anfang an einbezogen, haben die Ausstellung gemeinsam entwickelt, uns jede Woche virtuell getroffen. Das war wie ein frischer Wind. So sollte es immer sein!

Von admin