Weltbekannt wurde der britische Sänger und Songwriter Marc Almond bereits im Alter von 24 Jahren mit seiner ersten eigenen Band: dem ‚Electro-Duo‘ SOFT CELL, das er zusammen mit dem Sound-Tüftler David Ball gründete. Ihre 1981 veröffentlichte Single »Tainted Love« wurde ein internationaler Erfolg und erreichte in nicht weniger als 17 Ländern Platz 1 in den Charts. Im Laufe seiner Karriere, die nach fünf Soft Cell Jahren inzwischen weitere 30 Jahre als Solo-Künstler mit einer enormen Bandbreite künstlerischen Schaffens umfasst, verkaufte Marc Almond weltweit über 30 Millionen Platten.

 
Im März dieses Jahres veröffentlichte er ein neues Album mit dem Titel »The Velvet Trail«; eine Club-Tour führte ihn an vier Abenden nach Deutschland. Am 18.09.2015 präsentierte Marc Almond eine Auswahl alter und neuer Songs in Berlin. Ursprünglich sollte das Konzert im ungefähr 1000 Zuschauer fassenden c-club stattfinden. Da dieser allerdings zur Zeit noch umgebaut wird, musste das Konzert verlegt werden. Neuer Veranstaltungsort wurde das Berliner Schwulenzentrum »SchwuZ«, das vor einiger Zeit nach Berlin-Neukölln in die Räume der ehemaligen Kindl-Brauerei umgezogen war. Der ausverkaufte Saal war mit 650 Zuschauern prall gefüllt, als Marc Almond um 20 Uhr unter großem Jubel die Bühne betrat. Überraschenderweise begleiteten ihn nicht nur Schlagzeuger, Gitarrist und Keyboarder, sondern auch zwei blonde Backgroundsängerinnen, die seiner Musik sowohl auf seinem neuen Album als auch an diesem Abend eine besondere Note verleihen. An die Fläche unmittelbar hinter der Bühne werden während des gesamten Konzertes wechselnde Visualisierungen projiziert.

Marc Almond eröffnet das Konzert mit dem schönen Song »Minotaur«, gefolgt von »Bad To Me«, beide vom neuen Album. Mit »The Stars We Are« und Gene Pitneys Hymne »Something’s Gotten Hold of My Heart«, seinem kommerziell erfolgreichsten Song aus seiner Zeit als Solo-Künstler, erreicht die Begeisterung einen ersten Höhepunkt. Ebenfalls spielt er »Darker Times«, ein Soft Cell Stück vom Album »Cruelty Without Beauty« aus der Zeit der Reunion 2002. Besonders bejubelt wird das düstere »Black Heart«, welches im Rahmen seines Solo-Projektes MARC & THE MAMBAS im Jahr 1983 entstanden war. Das Stück »The Velvet Trail« ist ein melancholischer Rückblick des inzwischen 58jährigen Sängers auf seine Jugend in der nordwest-englischen Kleinstadt Southport.

Es folgen die beiden herausragendsten Stücke des neuen Albums: Zuerst »Scar«, ein sehr ruhiges und gefühlvolles Stück, das von einer unglücklichen Liebe handelt, dann das mitreissende »Zipped Black Leather Jacket« mit seinem provokativ-ironischem Inhalt, dessen Darbietung durch die engelhaften Backing-Vocals der beiden Sängerinnen wirklich phantastisch ist. Auf die Single »Tears Run Rings« folgt das melancholische »Meet Me In My Dream«, dessen Refrain von den Anwesenden enthusiastisch mitgesungen wird. Ein weiterer Höhepunkt ist das bittersüsse »Brilliant Creatures«, das, atmosphärisch beginnend, das Publikum mit seinem treibenden Dance-Beat mitreisst. Ist der Jubel bereits riesengroß, so steigert er sich nochmals, als die Zuschauer bereits an den ersten Klängen die 1981er Soft Cell Single »Bedsitter« erkennen.

Als letztes Stück singt Marc Almond überraschenderweise »Soul Inside«, Soft Cells großartige Single aus dem Jahr 1983. Und was für eine unglaubliche Version er dem Publikum präsentiert. Marc singt voller Enthusiasmus, der Schlagzeuger hämmert dazu einen druckvollen Dance-Beat – ein musikalisches Kunstwerk! Allein diese phänomenale »Soul Inside«-Performance macht das Konzert zu einem Erlebnis. Begleitet von ohrenbetäubendem Jubel verabschieden sich Marc Almond und seine Band von der Bühne – um nach einigen Minuten für Zugaben zurückzukehren.

Erstaunlicherweise wird dem ‚Electro-Popper‘ nun eine E-Gitarre umgehängt: Almond kündigt einen ‚Punk-Song‘ an und spielt zunächst »Gutter Hearts« von seinem ersten Solo-Album, und zwar in einer extra-krachigen Version, bei der er zusammen mit seinem Gitarristen Neal X rabiat die Gitarrensaiten bearbeitet. Nicht fehlen darf natürlich der zeitlose Soft Cell Hit »Tainted Love«, zu dem die Anwesenden begeistert tanzen und mitsingen. Die dritte Zugabe ist die melancholische Soft Cell Hymne »Say Hello, Wave Goodbye«. Das Publikum singt nun dermaßen enthusiastisch mit, dass Marc Almond immer wieder sein Mikrophon erfreut lächelnd einfach der Menge entgegen hält. Nach diesem umjubelten Schlusspunkt des Konzertes treten alle Mitglieder der ihn begleitenden Band zu ihm nach vorn an den Rand der Bühne, verbeugen sich unter Standing Ovations vor dem euphorischen Publikum und verschwinden schließlich im Backstage-Bereich.

Allerdings lassen sich die begeisterten Zuschauer davon nicht weiter beeinflussen, sie bleiben einfach im Saal und jubeln, klatschen und schreien weiter. Dann passiert das Unglaubliche: Nach einer ganzen Zeit tritt Marc Almond aus dem Backstage-Bereich zurück auf die Bühne und sagt, überwältigt von dem nicht enden wollenden Jubel, dass er jetzt eine absolute Ausnahme machen werde. Er betont, dass er sich nur dieses eine Mal auf der Tour hier und jetzt in Berlin dazu hinreißen lasse, noch ein weiteres, letztes Stück zu spielen. Währenddessen treten auch die anderen Musiker zurück auf die Bühne. Er erklärt, dass sie kein weiteres Stück eingeübt hätten und hinter der Bühne kurz darüber diskutierten, welches Stück sie noch spielen könnten. Almond wandte ein, dass er sich nicht sicher sei, ob er so spontan den kompletten Text abrufen könne, aber der Schlagzeuger ermutigte ihn, das klappe schon. Alle sind gespannt, welches weitere Stück nun noch zu hören sein wird. Schließlich sagt er ‚This is »Jacky«‘. Marc Almond, den die ‚Estate of Brel‘ den besten lebenden Interpreten der Musik des berühmten französischsprachigen Chansonniers Jacques Brel nennt, spielt als wirklich allerletztes Stück dieses Abends jene sehr tanzbare, englischsprachige Version der Brel-Komposition »La chanson de Jacky«, die er 1991 auf seinem Album »Tenement Syphony« veröffentlicht hatte – und diese wird vom Auditorium mit riesiger Begeisterung aufgenommen. Mittendrin bestätigen sich seine Befürchtungen: Ein kleiner Teil des Textes ist ihm nicht mehr präsent, und so ersetzt er lachend den fehlenden Teil einfach durch ‚la-la-la-la ‚. Als wolle das Publikum ihn für seine Spontaneität und seinen Mut belohnen, steigert es seinen Jubel in dem Moment ins schier Unermessliche. Unter wirklich ohrenbetäubenden Applaus verabschieden sich Marc Almond und seine Band endgültig vom begeisterten Publikum. Dies war ohne jede Übertreibung ein unvergesslicher Abend!

Sven

Setlist des Marc Almond Konzertes vom 18.09.2015 in Berlin:

01. Minotaur
02. Bad To Me
03. The Stars We Are
04. Burn Bright
05. Something’s Gotten Hold of My Heart (Gene Pitney cover)
06. Variety
07. The Dancing Marquis
08. Darker Times (late Soft Cell song)
09. Champagne
10. Black Heart (Marc & the Mambas song)
11. The Velvet Trail
12. Scar
13. Zipped Black Leather Jacket
14. Demon Lover
15. Tears Run Rings
16. Meet Me In My Dream
17. Brilliant Creatures
18. Bedsitter (Soft Cell song)
19. Soul Inside (Soft Cell song)

Zugabe 1:
20. Gutter Hearts
21. Tainted Love (Soft Cell song, Gloria Jones cover)
22. Say Hello, Wave Goodbye (Soft Cell song)

Zugabe 2:
23. Jacky (Jacques Brel cover)

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Von admin

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