Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier am 3. November in Schloss Bellevue ein Mittagessen zu Ehren von Joachim Löw gegeben.

In seiner Ansprache sagte er:

Es sind unvergessliche Szenen, die sich im Juli 2014 auf den Straßen zwischen Siegessäule und Brandenburger Tor abspielten, nur wenige Meter von hier. Hunderttausende begeisterte Menschen empfingen damals auf der Berliner Fanmeile die deutsche Fußball-Nationalmannschaft, die kurz zuvor in Rio Weltmeister geworden war, Millionen schauten an den Fernsehschirmen zu.

 

Ein Moment ist mir dabei besonders in Erinnerung geblieben. Es ist der Moment, in dem der Bundestrainer die Bühne vor dem Brandenburger Tor betritt, cool mit Sonnenbrille, Arm in Arm mit Hansi Flick, Oliver Bierhoff und Andreas Köpke. Er kann nicht verhindern, dass die drei Kollegen ihn ganz nach vorn an den Bühnenrand schieben, mitten hinein in den schwarz-rot-goldenen Freudentaumel. Da steht er nun, ballt kurz die Faust, applaudiert den Fans, reißt ein paar Mal die Arme hoch – und dreht dann schnell wieder ab, so als sei es ihm unangenehm, allein im Vordergrund zu stehen.

 

Der Bundestrainer ist schon fast wieder runter von der Bühne, als der Moderator ihn zurückholt, um noch ein paar Fragen zu stellen. Kaum hat Joachim Löw die ersten Worte ins Mikrofon gesprochen, branden Sprechchöre auf, Zehntausende rufen seinen Namen. Und auch in diesem Moment, auf dem Gipfel seines Erfolgs, bleibt dieser Bundestrainer, wie er ist: zurückhaltend, bescheiden, sympathisch. Er lobt seine Spieler, er bedankt sich bei den Fans, und er sagt: „Wir sind alle Weltmeister.“

 

Sie haben den Menschen in diesem Land viele Momente geschenkt, die im Gedächtnis unserer Nation bleiben werden. Und Sie waren dabei immer lieber Teil der Gemeinschaft als ihr Zentrum, wie es der Journalist Mathias Schneider in seiner Biografie über Sie beschrieben hat. Aber nach allem, was Sie in Ihrer Amtszeit als Bundestrainer erreicht und geleistet haben, nach all dem wollen wir Sie nicht einfach von der Bühne gehen lassen, als sei nichts gewesen.

 

Mit Ihrem Rücktritt nach der Europameisterschaft in England ist eine große Ära zu Ende gegangen. In fünfzehn Jahren als Bundestrainer und zwei Jahren als Co-Trainer der Nationalmannschaft haben Sie Historisches für den deutschen Fußball geleistet. Sie haben sich verdient gemacht um den Zusammenhalt unserer Gesellschaft und das Ansehen unseres Landes in der Welt. Deshalb freue ich mich, dass ich Ihnen heute zum Abschied Dank sagen kann, im kleinen Kreis, aber im Namen von ganz Fußball-Deutschland

 

 

Es sind unvergessliche Szenen, die sich im Juli 2014 auf den Straßen zwischen Siegessäule und Brandenburger Tor abspielten, nur wenige Meter von hier. Hunderttausende begeisterte Menschen empfingen damals auf der Berliner Fanmeile die deutsche Fußball-Nationalmannschaft, die kurz zuvor in Rio Weltmeister geworden war, Millionen schauten an den Fernsehschirmen zu.

 

Ein Moment ist mir dabei besonders in Erinnerung geblieben. Es ist der Moment, in dem der Bundestrainer die Bühne vor dem Brandenburger Tor betritt, cool mit Sonnenbrille, Arm in Arm mit Hansi Flick, Oliver Bierhoff und Andreas Köpke. Er kann nicht verhindern, dass die drei Kollegen ihn ganz nach vorn an den Bühnenrand schieben, mitten hinein in den schwarz-rot-goldenen Freudentaumel. Da steht er nun, ballt kurz die Faust, applaudiert den Fans, reißt ein paar Mal die Arme hoch – und dreht dann schnell wieder ab, so als sei es ihm unangenehm, allein im Vordergrund zu stehen.

 

Der Bundestrainer ist schon fast wieder runter von der Bühne, als der Moderator ihn zurückholt, um noch ein paar Fragen zu stellen. Kaum hat Joachim Löw die ersten Worte ins Mikrofon gesprochen, branden Sprechchöre auf, Zehntausende rufen seinen Namen. Und auch in diesem Moment, auf dem Gipfel seines Erfolgs, bleibt dieser Bundestrainer, wie er ist: zurückhaltend, bescheiden, sympathisch. Er lobt seine Spieler, er bedankt sich bei den Fans, und er sagt: „Wir sind alle Weltmeister.“

 

Sie haben den Menschen in diesem Land viele Momente geschenkt, die im Gedächtnis unserer Nation bleiben werden. Und Sie waren dabei immer lieber Teil der Gemeinschaft als ihr Zentrum, wie es der Journalist Mathias Schneider in seiner Biografie über Sie beschrieben hat. Aber nach allem, was Sie in Ihrer Amtszeit als Bundestrainer erreicht und geleistet haben, nach all dem wollen wir Sie nicht einfach von der Bühne gehen lassen, als sei nichts gewesen.

 

Mit Ihrem Rücktritt nach der Europameisterschaft in England ist eine große Ära zu Ende gegangen. In fünfzehn Jahren als Bundestrainer und zwei Jahren als Co-Trainer der Nationalmannschaft haben Sie Historisches für den deutschen Fußball geleistet. Sie haben sich verdient gemacht um den Zusammenhalt unserer Gesellschaft und das Ansehen unseres Landes in der Welt. Deshalb freue ich mich, dass ich Ihnen heute zum Abschied Dank sagen kann, im kleinen Kreis, aber im Namen von ganz Fußball-Deutschland.

 

Wir ehren heute einen der erfolgreichsten Trainer der Nationalmannschaft, der weltweit hohe Anerkennung genießt. Joachim Löw hat das deutsche Team bei drei Weltmeisterschaften und vier Europameisterschaften betreut – und dabei drei Mal das Halbfinale und zwei Mal das Finale erreicht. Er führte seine Spieler 2014 zum Weltmeistertitel und 2017 zum Gewinn des Confed-Cups. Als Weltmeister-Macher steht er in einer Reihe mit Sepp Herberger, Helmut Schön und Franz Beckenbauer.

 

Wir ehren heute einen Erneuerer und Visionär, der den deutschen Fußball zurück an die Weltspitze geführt hat. Als Joachim Löw nach dem „Sommermärchen“ von 2006 das Amt des Bundestrainers übernahm, führte er den Umbruch fort, den sein Vorgänger Jürgen Klinsmann eingeleitet hatte. Mit modernen Trainingsmethoden, vor allem aber einer neuen Spielkultur zog er gegen das zu Felde, was manche als „Rumpelfußball“ verspottet hatten.

 

Es ist Ihr Verdienst, lieber Joachim Löw, dass die Nationalelf sich schon bald nicht mehr nur durch Kampf und Disziplin auszeichnete, sondern auch durch taktische und technische Raffinesse, durch Leichtfüßigkeit und Spielfreude, durch schnellen, mutigen Angriffsfußball, der Millionen Menschen begeistert hat.

 

Laptop und Taktiktafel – das waren die Insignien dieses Bundestrainers. Aber Sie, lieber Joachim Löw, waren nie nur ein akribischer Fußball-Lehrer, ein Mann der Daten und Fakten, ein Pionier des modernen Hightech-Sports. Sie waren immer auch ein Freigeist, der seinen Spielstil variierte und seinen Spielern Raum zur Entfaltung ließ, ein Ästhet, der die Schönheit des Spiels „zelebrieren“ wollte, wie Sie selbst oft gesagt haben.

 

„Joachim Löw und sein Traum vom perfekten Spiel“, so lautet der schöne Titel der Biographie von Christoph Bausenwein. Viele Fußballfans, nicht nur in unserem Land, sind der Ansicht, dass dieser Traum im Halbfinale der WM 2014 Wirklichkeit wurde, beim historischen 7:1-Sieg gegen Gastgeber Brasilien, in einem der beeindruckendsten Spiele der Fußballgeschichte.

 

Wir ehren heute einen Bundestrainer, der auch für einen neuen Mannschaftsgeist steht. Joachim Löw war kein „Einpeitscher“, keine autoritäre Trainerfigur, wie er sie selbst als Spieler noch erlebt hat. Es war ihm immer wichtig, in der Kabine und auf dem Platz eine Kultur des Miteinanders, des Respekts und Vertrauens zu pflegen. Den Spielern zuhören, sie einbeziehen, Argumente finden statt zu brüllen oder zu bestrafen – auch das war ein Schlüssel zu seinem Erfolg.

 

Lieber Joachim Löw, es ist und bleibt Ihr Verdienst, die vielen hochbegabten Talente, die der deutsche Fußball dank guter Nachwuchsarbeit vor der Weltmeisterschaft 2010 hervorbrachte, zu einer verschworenen Einheit geformt zu haben, zu Ihrer Mannschaft. Ihre Kunst, mit Menschen umzugehen, Ihre Fähigkeit, jeden Einzelnen im Ensemble noch besser zu machen, all das macht Sie als Trainer der „goldenen Generation“ aus.

Wir ehren heute einen Bundestrainer, dessen Mannschaft die Vielfalt unserer Gesellschaft widergespiegelt hat. Die Erfolge seines Teams haben das Selbstbild unseres Landes verändert, sie haben unterschiedliche Herkunftsgeschichten junger Deutscher zum festen Bestandteil unserer nationalen Erzählung gemacht. Und sie haben vor allem gezeigt, wie viel wir als Verschiedene gemeinsam erreichen können, wenn wir füreinander da sind.

 

Die Debatte um Mesut Özil hat aber auch gezeigt, dass in unserer vielfältigen Gesellschaft schmerzhafte Konflikte auftreten können, die nicht immer einfach zu lösen sind – nicht einfach mit den betroffenen Spielern, aber auch nicht einfach in einer von Dauernervosität geprägten, schlagzeilenhungrigen Öffentlichkeit, vor allem wenn meinungsstarke Teile dieser Öffentlichkeit ihr Urteil schon fällen, bevor Bemühungen um Entschärfung des Konflikts Erfolg haben können.

 

Wir danken heute einem Trainer, der mit seiner Mannschaft auch das Bild unseres Landes in der Welt geprägt hat. Joachim Löw und seine Spieler stehen für ein weltoffenes und tolerantes Deutschland, für ein Deutschland, das nicht griesgrämig, verbissen und herablassend auftritt, sondern freundlich, zuversichtlich und fair.

Zu diesem neuen Blick auf unser Land hat ganz besonders der Auftritt beim 7:1 gegen Brasilien beigetragen, als die deutschen Spieler und ihr Trainer keine Selbstgefälligkeit, keine Überheblichkeit zeigten, sondern dem Gegner Respekt zollten. Nach diesem Spiel, als die deutsche Mannschaft im Bus zurück in ihr Quartier fuhr, standen Tausende Brasilianer an der Straße und applaudierten.

 

Vor der Europameisterschaft in England haben Sie in einem Interview gesagt: „Trainer zu sein, vor allem bei der Nationalmannschaft, das ist manchmal herrlich und manchmal auch schrecklich.“

 

Sie haben in Ihrer Amtszeit auch die belastenden Seiten erlebt. Sie haben den öffentlichen Druck und die Kritik nach Niederlagen zu spüren bekommen, etwa nach dem bitteren Vorrunden-Aus bei der WM 2018 in Russland oder jetzt im Sommer, nach dem Ausscheiden in England.

 

Sie selbst haben vom „Wellenbad der Gefühle“ im Fußball gesprochen, von der Erfahrung, dass der Erfolg eine „herrliche Droge“ ist, deren Rausch schnell verfliegt, von der Leere und Einsamkeit nach großen Turnieren.

 

Zugleich waren Sie in den letzten fünfzehn Jahren immer auch eine Identifikationsfigur, eine Projektionsfläche, der Trainer einer ganzen Nation. Joachim Löw, das war und das ist für viele „der Jogi“, ein Heimatverbundener, fest verwurzelt im Schwarzwald, in Schönau und Freiburg im Breisgau, zugleich aber ein Weltreisender, nie spießig und rückwärtsgewandt, sondern immer offen für Neues. Joachim Löw, das ist die Stil-Ikone, der Mann, der das taillierte Hemd weltberühmt gemacht hat – und dessen Art, seinen Schal zu knoten, Journalistinnen und Journalisten zu langen philosophischen Abhandlungen inspiriert hat.

Joachim Löw, das ist nicht zuletzt der Aufsteiger, der seine Leidenschaft für den Fußball nie verloren hat. Er schaffte es als talentierter Stürmer von den Turn- und Sportfreunden Schönau bis in die Bundesliga zum VfB Stuttgart; erholte sich nach einem Foul nie mehr ganz von seiner Verletzung; spielte in der ersten und zweiten Liga für Vereine wie Eintracht Frankfurt, den Karlsruher SC und immer wieder den SC Freiburg; wirkte als Vereinstrainer in der Türkei, in Österreich und Deutschland – bis er schließlich im Maracanã, dem größten Fußballstadion der Welt, den goldenen Pokal in die Höhe stemmen konnte.

 

Ich wünsche Ihnen, dass Sie nun, als Bundestrainer außer Dienst, die Zeit finden, um durchzuatmen und neue Kraft zu schöpfen. Und ich bin mir sicher, dass längst neue Ideen und Ziele in Ihnen wachsen, Pläne für das Spiel, das jetzt vor Ihnen liegt.

 

„Ein Hoch auf uns“, hieß es in Andreas Bouranis Hymne zur Weltmeisterschaft in Brasilien. Wer das Lied heute hört, dem kommen all die Bilder wieder in den Sinn: Mario Götzes Siegtor in der Verlängerung gegen Argentinien; der schwer gezeichnete Bastian Schweinsteiger, der seinem Trainer nach dem Schlusspfiff weinend um den Hals fällt; die feiernden Menschen hier auf den Straßen von Berlin.

 

Die Erinnerungen an solche Momente sind kostbar, für jeden einzelnen Fußballfan, aber auch für unsere Gesellschaft als Ganze. Und Ihnen, lieber Joachim Löw, Ihnen haben wir diese Momente ganz entscheidend zu verdanken. Deshalb sage ich heute: „Ein Hoch auf Sie!“ Alles Gute und vielen herzlichen Dank!

 

Von admin