Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier lädt am 10. Januar zum Neujahrsempfang ins Schloss Bellevue ein. Neben Repräsentanten des öffentlichen Lebens sind rund 70 Bürgerinnen und Bürger aus allen Bundesländern eingeladen, die sich um das Gemeinwohl besonders verdient gemacht haben. Mit der Einladung danken der Bundespräsident und Frau Büdenbender den Gästen für ihr Engagement.

Im Anschluss an das Defilee der Repräsentanten aus allen Bereichen des öffentlichen Lebens lädt der Bundespräsident die Bürgerinnen und Bürger zu einem gemeinsamen Mittagessen in den Großen Saal seines Berliner Amtssitzes.

Re­de des Bun­des­prä­si­den­ten:

Herzlich willkommen im Schloss Bellevue!

Die ersten Tage im neuen Jahr erleben wir – im Privaten, aber auch in der Politik – oft als eine beschwingende Zeit des Aufbruchs. Wir lassen etwas hinter uns und richten den Blick nach vorn, voller Hoffnung und Zuversicht. Und wir sind bereit, loszulegen, uns zu bewegen und etwas anzufangen, mit uns selbst, aber auch mit anderen.

Dieser Zeit des Anfangens geht meist eine Phase des Innehaltens und der Besinnung voraus. Viele von uns haben die Feiertage genutzt, um zurückzuschauen und sich Gedanken über das vergangene Jahr zu machen. Die eigene, persönliche Bilanz sieht dann oft etwas anders aus als das, was uns in bunten Gala-Revuen und düsteren Apokalypsen so alles als „Jahresrückblick“ präsentiert wird. Und natürlich lösen die Gedanken über ein Jahr bei jeder und jedem von uns ganz unterschiedliche Bilder und Gefühle aus.

Aber es gibt doch einiges, was wir in Deutschland im vergangenen Jahr sehr ähnlich empfunden haben. Ich bin viel unterwegs gewesen in unserer Republik, und ich habe in meinen Gesprächen häufig Sorgen gehört – Sorgen, weil Positionen sich verhärtet haben und Gespräche schwieriger geworden sind.

Bei meinen Reisen ins Land bin ich aber auch unzähligen Menschen begegnet, die das nicht nur schulterzuckend zur Kenntnis nehmen, sondern die mithelfen, neu entstandene Mauern abzutragen. Etwa dann, wenn sie sich in den politischen Institutionen oder in der Gesellschaft dafür einsetzen, dass wir respektvoll miteinander umgehen, einander zuhören und aufeinander Rücksicht nehmen. Oder wenn sie sich mitten in den Wind stellen, um gegen Intoleranz, Hass und Gewalt zu kämpfen – auch dann, wenn sie beschimpft und bedroht werden.

Politische Gewalt ist eine Gefahr für unsere Demokratie! Die Ausschreitungen beim G20-Gipfel in Hamburg und die Ereignisse in Chemnitz haben uns das bewusst gemacht. Und auch aktuell, mit Blick auf die Nachrichten aus Leipzig, aus dem sächsischen Döbeln und vor wenigen Tagen aus Bremen, sage ich ganz deutlich: Politische Gewalt, aus welcher Ecke und gegen wen auch immer, können wir niemals dulden. In einem Rechtsstaat gibt es keinen Raum für Gewalt mit gutem Gewissen, weder von rechts noch von links. Im Gegenteil: Jeder Angriff auf eine Parteiversammlung, eine Bürgermeisterin oder einen Abgeordneten ist ein Angriff auf unseren Rechtsstaat. Dem müssen, dem werden wir uns geeint und entschlossen entgegenstellen. Genauso wünsche ich mir, dass ein Angriff wie in Bremen nicht instrumentalisiert wird, um Gräben noch tiefer zu graben, sondern dass er ein Weckruf ist an alle Seiten: für mehr Respekt, Anstand und Sachlichkeit in der politischen Auseinandersetzung!

Sie alle, liebe Gäste, stehen stellvertretend für die vielen Menschen in unserem Land, die sich ehrenamtlich engagieren und zum gesellschaftlichen Zusammenhalt beitragen. Es liegt an Ihnen, an Ihrem Mut und Ihrem Schwung, dass wir heute in Deutschland allen Grund haben, mit Zuversicht ins neue Jahr zu gehen. Dafür will ich Ihnen heute meinen herzlichen Dank sagen.

Sie alle engagieren sich auf ganz unterschiedliche Weise, aber Sie haben auch etwas gemeinsam: Ihnen ist es nicht gleichgültig, was um Sie herum passiert, in Ihrer Nachbarschaft, Ihrer Region, Ihrem Land oder in der Welt. Sie gehören nicht zu denen, die in der Sofaecke schimpfen und darauf warten, dass andere etwas tun. Sondern Sie wenden sich den Problemen zu, suchen nach kreativen Lösungen und packen mit an, wo es etwas zu tun gibt.

Und die Geschichten Ihres Engagements geben einen Eindruck davon, was es alles zu tun gibt in unserem Land und wie viel sich bewegen lässt. Nicht wenige hier im Saal helfen Menschen, die nach Deutschland geflohen sind, auf ihrem Weg in unsere Gesellschaft. Unter uns sind auch einige, die vor längerer Zeit selbst ihre Heimat verlassen mussten und aus eigener Erfahrung wissen, wie schwierig die Ankunft sein kann.

Andere, die heute hier sind, treten Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Gewalt entgegen, engagieren sich für den Austausch der Kulturen oder für lebendige Beziehungen zu unseren europäischen Nachbarn. Oder sie halten die Erinnerung an die deutsche Geschichte wach, pflegen Denkmäler und regionale Kulturgüter, weil sie wissen: Zusammenhalt braucht auch Erinnerung.

Viele von Ihnen kümmern sich um Menschen, die krank und gebrechlich sind, engagieren sich in der Pflege und in Hospizen, unterstützen Menschen mit Behinderung oder Obdachlose. Manche haben selbst schwierige Situationen durchgemacht oder leben mit Beeinträchtigungen und sind gerade deshalb Vorbilder, weil sie an sich glauben und nicht aufgeben, weil sie zeigen, was alles möglich ist.

Wir haben heute auch Frauen und Männer hier, die sich dafür einsetzen, dass Ihre Region eine Zukunft hat und, im wahrsten Sinne des Wortes, „Land in Sicht“ bleibt. Sie engagieren sich in Sportvereinen, bei der Feuerwehr oder in der Kultur, setzen sich für den Naturschutz ein oder fördern nachhaltiges Wirtschaften. Und ich will natürlich auch diejenigen nicht vergessen, die nach Unfällen und Katastrophen helfen, die auf Straßen und an Gewässern ehrenamtlich für mehr Sicherheit sorgen.

Sie tun das alles mit großer Leidenschaft, und Sie schenken unserem Land viele tausend Stunden ehrenamtlicher Arbeit. Manche von Ihnen engagieren sich schon seit Jahrzehnten, und viele bringen sich gleich in mehreren Vereinen und Initiativen ein.

Trotzdem sorgt Ihr Engagement nur selten für Schlagzeilen und Sie stehen nur selten auf der großen Bühne. Ich weiß: Die meisten von Ihnen sind darüber auch ganz froh. Aber wenigstens heute Mittag sollen Sie einmal im Mittelpunkt stehen. Ich freue mich, Sie alle hier zu haben und jetzt mit Ihnen zu essen. Und wenn Sie mir zu Beginn des Jahres ein wenig Pathos erlauben: Es macht mich stolz, in einem Land zu leben, das solche Bürgerinnen und Bürger hat.

Herzlichen Dank!

 

Zu den Geehrten aus Berlin :

Inge Borch engagiert sich seit 1998 in der Seniorenbegegnungsstätte Dahmestraße, dem heutigen Kiezklub in Bohnsdorf. Sie ist im Seniorenbeirat und setzt sich für die Nachbarschaftshilfe, für soziale Belange ihrer Mitmenschen sowie die Entwicklung des Wohngebietes auch generationsübergreifend ein. Inge Borch ist Mitbegründerin der Seniorengruppe Tanz und Theater „Die Zipperleiner“ sowie Ensemblemitglied der Theatergruppe „Die Bohnsdorfer Dahmen“ und tritt mit den Gruppen in Krankenhäusern, Tagesstätten, Betreutem Wohnen und anderen Kiezklubs auf. Ferner ist Frau Borch in der Flüchtlingsarbeit aktiv. Sie gibt Nachhilfe beim Erlernen der deutschen Sprache für geflüchtete Menschen oder organisiert für Kinder Spielzeug und Bastelaktionen.

Tamara Siebenmorgen-Koch ist seit 1985 Mitglied im Verein „Ausländer mit uns“ im Interkulturellen Haus im Bezirk Tempelhof-Schöneberg. Seit der Gründung des Hauses im Jahr 1997 plant, organisiert und begleitet sie hier mit großem Engagement Projekte, wobei die regelmäßigen Kochabende unter dem Motto Küche-Kultur- Kontakte ( K-K-K Kochkurs) zu den Highlights zählen. Im Laufe der Jahre haben mehr als 150 Personen daran teilgenommen und dabei die deutsche Sprache gelernt. Ferner leitet Tamara Siebenmorgen-Koch die Schülerhilfe im Verein. Sie betreut Kinder und Jugendliche und bereitet Bewerbungsschreiben für Schulpraktika oder für eine Ausbildung vor. Sie ist Mitbegründerin der Arbeitsgemeinschaft der Tempelhof-Schöneberger Integrations- und Flüchtlingsprojekte und als Bürgerdeputierte im Integrationsausschuss des Bezirksbeirats vertritt sie die Interessen der einzelnen Migrantenorganisationen ehrenamtlich.

Tim Ünsal initiierte im Mai 2017 das Koch- und Begegnungsprojekt „Cooking with Friends“ und ermöglichte so Geflüchteten, sich zum gemeinsamen Kochen und Essen zu treffen. Gleichzeitig organisierte er Informationsveranstaltungen für sie zu Themen wie Verbraucherschutz, Wohnungssuche, Antidiskriminierungs¬beratung etc. Mittlerweile ist „Cooking with friends“ zu einer festen Größe im Angebot des Mehrgenerationenhauses Gneisenaustraße geworden und unter den Teilnehmenden sind längst nicht mehr ausschließlich Menschen mit Fluchterfahrungen, sondern Neu- und Alt-Berliner, junge und alte Menschen aus der Nachbarschaft.

Von admin