Den mit 10.000 Euro dotierten 1. Preis des „Otto Brenner Preises für kritischen Journalismus“ erhält 2015 Ashwin Raman für „Das 13. Jahr – Der verlorene Krieg in Afghanistan“ (Die Story im Ersten, SWR/ARD, 2. März 2015).
Ashwin Raman geht mit seiner Kamera an die Frontlinien der Krisen- und Kriegsgebiete in der Welt. Er schaut, so die Jury, genau und ausdauernd hin – auch beim Abzug der Deutschen aus Afghanistan. Nach mehr als 13 Jahren Einsatz in Afghanistan kann der Reporter nur ein bitteres Resümee ziehen: Die Zivilbevölkerung ist enttäuscht, die Taliban streben eine erneute Machtübernahme an, die Milliarden an Entwicklungshilfe sind versickert. Schließlich: Die afghanische Armee ist so ratlos wie ihre hochprofessionellen Trainer aus dem Westen.
Nach Auffassung der Jury gehört Ashwin Raman zu jenen Journalisten, „die sich der Wahrheit verschrieben haben“. Sie ehrt ihn als mutigen Solisten und lobt mit ihm einen klaren Analysten. „Unter großer persönlicher Gefahr“, schreibt die Jury, „wagt er sich seit Jahrzehnten tief in Kriegs- und Krisengebiete, damit die Welt weiß, was wirklich passiert, wer Täter, wer Opfer ist“. Auf schwierigem Terrain zeigt er Mut, großes Engagement und Beharrlichkeit: So gelingen dem „Ein-Mann-Team“ beeindruckende AusnahmeDokumentationen, die in der aktuellen Berichterstattung ihres gleichen suchen. Seine jahrzehntelangen journalistischen Erfahrungen und sein Gespür für Menschen unterschiedlicher Ethnien machen ihn zu einem Ausnahmejournalisten in der internationalen Korrespondenten-Szene.

 

„Otto Brenner Preis für kritischen Journalismus“ geht 2015 an den Kriegsreporter Ashwin Raman (SWR/ARD) +++ Jury zeichnet den griechischen Dokumentarfilmer Yorgos Avgeropoulos mit dem „Spezial“-Preis aus +++ Newcomer-Preis geht an Tagesspiegel-Autorin Elisa Simantke

Der 2. Preis (5.000 Euro) geht an Silja Kummer für die Artikelserie „Für eine Handvoll Dollar“, die zwischen dem 25. April und 15. Mai 2015 in der Heidenheimer Zeitung erschienen ist.
Die Autorin beschreibt in ihrer Artikelserie, wie sich die Städte Heidenheim, Aalen und Schwäbisch Gmünd mit dem "Cross-Border-Leasing" unkontrollierbaren finanziellen Risiken ausgesetzt haben. Diese Kommunen haben ihre Abwasseranlagen in den Jahren 2002/2003 an einen US-Investor überschrieben. Was mit dieser Investition angerichtet wurde, analysiert die Artikelserie. Nach Einschätzung der Jury ist dies eine Arbeit, die zeigt, was Lokaljournalismus zu leisten in der Lage ist. „Die Autorin greift ein schwieriges Thema klug auf, analysiert mit großer Klarheit und mit vorbildlicher Verständlichkeit“, urteilt die Jury. Ihr Fazit: „Das ist Lokaljournalismus, wie es ihn besser kaum geben kann!“

Mit dem 3. Preis wird „Der verkaufte Fußball – Sepp Blatter und die Macht der FIFA“ ausgezeichnet. Die WDR/SWR-Reportage, die am 4. Mai 2015 in der ARD lief, erhält ein Preisgeld von 3.000 Euro.
Niemand hat dem Ansehen des Profi-Sports und besonders dem Fußball mehr geschadet als Sepp Blatter und seine FIFA. Wie der Fußball-Autokrat die Organisation in den Abgrund führte, wer seine Komplizen waren und wie Europas Fußballfunktionäre von Franz Beckenbauer bis zu Michel Platini ihn gedeckt haben, das haben Jochen Leufgens und seine Kollegen Robert Kempe, Florian Bauer und Daniel Hechler nach Einschätzung der Jury „meisterlich recherchiert und überzeugend dargestellt“. „Mit viel Mut und großer Hartnäckigkeit haben die Autoren nicht nur neue Zeugen gehört und neue Fakten ans Licht gebracht, sondern erstmals auch korrupte Funktionäre vor laufender Kamera gestellt“, begründet die Jury ihre Entscheidung und lobt den konsequenten Recherche-Journalismus als vorbildlich. Dass Sepp Blatter, Michel Platini und weitere hochrangige FußballFunktionäre inzwischen suspendiert sind und ihnen Prozesse drohen, geht auch auf die Recherchen dieses Films zurück.

Der „Spezial“-Preis, dotiert mit 10.000 Euro, geht 2015 an den griechischen Filmemacher Yorgos Avgeropoulos. Mit „Agorá – Von der Demokratie zum Markt“ wird in dieser Kategorie eine Fernsehproduktion (5. Februar 2015, WDR) ausgezeichnet.
Der Film über die Griechenlandkrise, über Armut und Staatsverschuldung ist eine subtile Anklage: Er fügt die Facetten der Krise mit Akkuratesse, Präzision und penibler Leidenschaft zusammen. Die fatalen Folgen der sogenannten Rettungspolitik der EU für die griechische Gesellschaft werden besonders eindringlich in diesem Film aufgezeigt. Dieses Werk, so die Jury, „ist ein großer Leitartikel, ein packendes Essay mit den speziellen Mitteln des Dokumentarfilms.“ Der Film zeigt die Größe dieser Krise und ihre gefährlichen Abgründe. Für die Jury „bildet er nicht nur ab, er regt an zu intensiver Diskussion.“ „Das ist das Beste, was ein Dokumentarfilm leisten kann“, urteilt die Jury in der Begründung der Vergabe des „Spezial“-Preises.

Den Newcomer-Preis, dotiert mit 2.000 Euro, erhält die „Tagesspiegel“-Redakteurin Elisa Simantke für ihren Beitrag „Europoly – Privatisierung unter der Troika.“
Mit zahlreichen, öffentlich kaum beachteten Fallbeispielen dokumentiert die Autorin die Bilanz der verheerenden Troika-Politik in Griechenland und anderen EU-Krisenstaaten. Große Teile der Infrastruktur – Flughäfen, Immobilien, die Wasser-Versorgung, Hafenanlagen uvm. – wurden von IWF, EZB und der EU-Kommission verscherbelt. Die junge Autorin entziffert diese „Privatisierungspolitik“ als „Riesengeschäft“ für die Investoren zum Nachteil der Bürger. Nach Einschätzung der Jury liefert die Nachwuchsjournalistin ein Dossier, „das sich fundamental und dicht belegt von der Troika-Berichterstattung anderer Medien unterscheidet“. Dabei arbeitet sie selbst mit einer Trilogie: „Sehr sorgfältige Recherchen vor Ort verknüpft sie mit analytischer Tiefenschärfe und verpackt diesen atemberaubenden Wirtschaftskrimi multimedial mit Bezügen zum ‚Monopoly-Spiel’“, lobt die Jury. Elisa Simantke ist für die Jury des Otto Brenner Preises nicht nur die „Newcomerin 2015“, sondern zugleich Vertreterin einer Ausnahme-Disziplin: eines kritischen Wirtschaftsjournalismus.

Im Wettbewerb zeichnet die Jury auch innovative und wegweisende Medienprojekte aus. 2015 geht der „Medienprojektpreis“, dotiert mit 2.000 Euro, an das Online-Projekt Hochschulwatch.
Hochschulen sind keine herrschaftsfreien Räume. Und erst recht nicht frei von Geldinteressen. Umso wichtiger ist die Beobachtung von Industrieeinflüssen, die das prämierte Projekt Hochschulwatch nach Einschätzung der Jury in vorbildlicher Weise leistet: „Mit exakten Zahlen, ganz viel Nüchternheit in der Analyse und der Möglichkeit für Nutzer, sich durch eine Recherche auf der Website ihr eigenes Bild zu verschaffen“. Dieses Medienprojekt, das kritisches Watchblog und dynamisch wachsende Datenbank gleichermaßen ist, verdient nach Auffassung der Jury Unterstützung und den Medienprojektpreis 2015.

Neben diesen Preisen werden von der Otto Brenner Stiftung auch Recherche-Stipendien vergeben, die mit jeweils 5.000 Euro dotiert sind. Die Stipendien ermöglichen es, frei von ökonomischen Zwängen und mit professioneller Begleitung von erfahrenen „Mentoren“, innovative und vielversprechende Projektthemen vertieft zu recherchieren und zu realisieren. 2015 hat die Jury wieder drei Stipendien vergeben.

Der Journalist Andreas Maisch geht in „Unsaubere Auftragsvergabe“ der mangelhaften Selbstkontrolle der Behörden nach. Ein zweites Stipendium erhalten Katharina Zabrzynski und Maike Brzoska zum Thema: „Wer profitiert von Polens Sonderwirtschaftszonen?“ Der freie Wissenschaftsjournalist Hinnerk Feldwisch-Drentrup recherchiert über „Psychiatrie unter Ökonomisierungszwang“.

Die Vergabe von drei Recherche-Stipendien und die intensive Betreuung der Gewinner durch profilierte Journalisten gehören zum Markenkern des Brenner-Preises. Inzwischen liegen 25 erfolgreich abgeschlossene, zum Teil spektakuläre Recherche-Ergebnisse vor, die in renommierten Medien erschienen sind.

Die Gewinner der Ausschreibung 2014 (siehe www.otto-brenner-preis.de) werden über die Ergebnisse und persönliche Erfahrungen ihrer Recherchen bei der diesjährigen Preisverleihung berichten.

Die Preisverleihung fand am 17. November in Berlin statt (Hotel Pullman Berlin, Schweizerhof). Anja Höfer, TV- und Hörfunk-Journalistin (SWR), moderiert die Festveranstaltung. Neben allen Preisträgern und den Mitgliedern der Jury, die laudatieren werden, erwartet die Otto Brenner Stiftung mehr als 350 Gäste.

Die Otto Brenner Stiftung der IG Metall verleiht 2015 den „Otto Brenner Preis für kritischen Journalismus“ zum elften Mal. Prämiert werden journalistische Arbeiten, die das Motto der Ausschreibung „Gründliche Recherche statt bestellter Wahrheiten“ in ihren Beiträgen beispielhaft umgesetzt haben. Aus 642 Bewerbungen wählte die Jury am 29. September die Preisträger in fünf Kategorien. Das Preisgeld beträgt in diesem Jahr insgesamt 47.000 Euro.

Mitglieder der Jury des Otto Brenner Preises 2015 sind Sonia Seymour Mikich (Chefredakteurin Fernsehen, WDR), Prof. Dr. Thomas Leif (SWR-Chefreporter), Prof. Dr. Volker Lilienthal (Rudolf-Augstein-Stiftungsprofessur für Qualitätsjournalismus, Universität Hamburg), Prof. Dr. Heribert Prantl (Innenpolitik-Chef und Mitglied der Chefredaktion, Süddeutsche Zeitung) und Harald Schumann (Redakteur für besondere Aufgaben, Der Tagesspiegel) sowie Detlef Wetzel (OBS-Verwaltungsratsvorsitzender).

Informationen zu den prämierten Beiträgen und den diesjährigen Preisträgern haben wir auf www.otto-brenner-preis.de zusammengestellt. Hier finden Sie auch weitere Informationen zum „Otto Brenner Preis für kritischen Journalismus“, zur diesjährigen Preisverleihung, zur Festrede, über alle Preisträger und die Preisverleihungen seit 2005 sowie zu den Mitgliedern der Preis-Jury

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Von admin

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