Deutschland mehrmals bei Europäischem Medienpreis in Potsdam ausgezeichnet

Unter dem Motto „Media that matter“ wurden bei der Preisverleihung des PRIX EUROPA 2022 am Freitagabend die Besten Europäischen TV, Radio und Digital Media Programme des Jahres 2022 gefeiert.

Höhepunkt der festlichen Gala in der Potsdamer Schinkelhalle war die Ernennung der Exil-Russin Galina Timtschenko zur Europäischen Journalistin des Jahres. Die Mitbegründerin, Geschäftsführerin und Herausgeberin des in Riga beheimateten unabhängigen Online-Mediums Meduza, wurde mit Standing Ovations empfangen und richtete aufrüttelnde Worte an das versammelte Publikum: „Jeder Krieg beginnt damit, dass die unabhängige Presse mundtot gemacht wird und Einschnitte in die Redefreiheit gemacht werden. Die Meinungsfreiheit zählt immer zu den ersten Opfern im Vorfeld von kriegerischen Auseinandersetzungen. Wir müssen versuchen, das zu verhindern!“ Ihre Vorgängerin, die weißrussische Journalistin Darya Chultsova, nahm ihre Trophäe nachträglich in Empfang, da sie sich bis September diesen Jahres infolge ihrer Berichterstattung über Proteste gegen den weißrussischen Machthaber Alexander Lukaschenko in Gefangenschaft befand. Sie nutzte die Gelegenheit, um daran zu erinnern, dass ihre Kollegin Katsiaryna Andreyeva zu weiteren acht Jahren Arbeitslager verurteilt wurde. Sie stehe auch für Katsiaryna auf der Bühne und sei überzeugt, dass „egal wie viel Zeit sie hinter Gittern verbringen wird, sie wird in ihrem Leben noch viele wunderbare Dinge vollbringen. Bis dahin werde ich mein Bestes tun, um für uns beide zu arbeiten.“

Von den insgesamt 17 Auszeichnungen durfte Deutschland sich über vier Preise freuen, darunter die Trophäe für den besten Spielfilm für die auch schon im Vorfeld viel beachtete ZDF-Produktion „Die Wannseekonferenz“. Die Kälte und Gefühlslosigkeit der auf reellen Personen und dem Protokoll der „Besprechung mit anschließendem Frühstück“, auf der die sogenannte „Endlösung der Judenfrage“ entschieden wurde, lässt dem Publikum das Blut in den Adern gefrieren. Auch die beste Fernsehserie hält sich mit beklemmenden Emotionen nicht zurück: Das norwegische „Afterglow“ beschäftigt sich auf zutiefst anrührende Weise mit dem Leben nach einer Krebsdiagnose. Als bestes Fernsehprogramm über kulturelle Vielfalt wurde eine Dokumentarserie ausgezeichnet: In „Belgium’s Stolen Children“ suchen drei Menschen nach den Spuren ihrer eigenen Herkunft in Verbindung mit der belgischen Kolonialgeschichte. Das französische „War Crimes: The Faces of the Executioners“ bringt das Publikum direkt ins aktuelle Kriegsgeschehen in der Ukraine und wurde damit beste Fernsehinvestigation. Der Preis für den Besten Europäischen Dokumentarfilm geht nach Schweden für eine hochkarätige schwedisch-deutsch-finnische Zusammenarbeit, an der von deutscher Seite ZDF/ARTE beteiligt war: „Der schönste Junge der Welt“ erzählt das tragische Schicksal des von Luchino Visconti entdeckten Björn Andrésen in der Unterhaltungsindustrie. Auch an der besten TV-Dokumentarserie von Radio Bremen ist ARTE beteiligt. Der Titel der Serie ist Programm und ethische Frage zugleich und treibt derzeit viele Menschen um: „Wen dürfen wir essen?“

In den ausgezeichneten Radioproduktionen haben vorwiegend Frauen das Wort: Als beste Radioinvestigation wurde „‘Ihre Angst spielt hier keine Rolle’ – Wie Familiengerichte den Gewaltschutz von Frauen aushebeln“ prämiert. In der deutschen Produktion erzählen Frauen, die extremer häuslicher Gewalt ausgesetzt sind, ihre eigene Geschichte. Das beste Hörspiel kommt aus Norwegen und bringt die Hörerschaft in eine zwiespältige Situation: Hat die alleinerziehende Mutter, um die es in „The Friend“ geht, Wahnvorstellungen oder sind es die Menschen um sie herum, deren Wahrnehmung verschoben ist? Das belgische „The Buffalo Bitches“ wurde zur besten Hörspielserie gekürt und hat selten dargestellte Protagonistinnen: zwei weibliche Hooligans. Auch das beste Radiofeature kommt aus Belgien: In „Pearl“ berichten Frauen, die Opfer von Genitalverstümmelung geworden sind, von ihrem Schicksal und von ihrem Versuch, sich ihre Sexualität und die Lust daran wieder anzueigenen, beziehungsweise sie überhaupt erst zu entdecken. Die beste Dokumentarserie „Ekerö Swindler“ aus Schweden sucht nach den Spuren von Internetbetrug. Trotz Brexit sind die Briten weiterhin dabei und dürfen einen Preis mit nach Hause nehmen: „Add to Playlist“ von der BBC ist das Beste Europäische Radio Musikprogramm.

Die zwei PRIX EUROPA-Trophäen für Digital Media gingen an das finnische Audio-Game „Sexy Pants and Other Problems“, das die Userinnen und User mitnimmt in die LGBTQI+-Community in Helsinki und an die portugiesische Multimedia-Produktion „For You, Portugal, I Swear!“ über ehemalige Soldaten der portugiesischen Streitkräfte in Guinea-Bissau.

Außerdem wurde bekannt gegeben, welche Nachwuchs-Talente als PRIX EUROPA Rising Stars ausgezeichnet werden. Die zwei Publikumspreise, für die europaweit von zu Hause aus abgestimmt werden konnte, haben eine deutsche und eine niederländische Studentin gewonnen. Beide werden im nächsten Jahr am PRIX EUROPA vor Ort teilnehmen.

Zum Schluss der Preisverleihung kündigte Moderator Tolga Akar an, dass der PRIX EUROPA ab 2023 wieder in Berlin ausgetragen wird. Die Regierende Bürgermeisterin von Berlin, Franziska Giffey hatte dazu schon im Vorfeld verlauten lassen, dass die Medienstadt Berlin sich auf das Festival und seine zahlreichen internationalen Teilnehmerinnen und Teilnehmer freue. Dr. Katrin Vernau, Intendantin der gastgebenden Sendeanstalt RBB, erklärte, der PRIX EUROPA sei ein entscheidender Impulsgeber für europäische Medienschaffende und das  traditionsreiche rbb „Haus des Rundfunks“ eine ideale Begegnungsstätte für kreative, journalistische Köpfe.“

Der PRIX EUROPA wird von einem starken Bündnis aus derzeit 26 Mitgliedern europäischer öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten und weiterer europäischer Träger gestützt. Schirmherrin ist das Europäische Parlament. Die bisherigen Austragungsorte waren Amsterdam, Straßburg, Barcelona, Porto, Reykjavik, Marseille und wiederholt Berlin. Von 2019 bis 2022 war Potsdam Austragungsort, 2023 ist die Stadt Berlin gemeinsam mit dem RBB Gastgeberin. Gegründet wurde das Festival 1987 auf Initiative des Europarats mit dem Ziel, die europäische Medienlandschaft zu stärken. Seitdem hat es sich zum Schaukasten der europäischen Qualitätsmedien entwickelt. Jedes Jahr sind weit über hundert europäische Produktionen im Wettbewerb vertreten. Sie machen den Prix Europa zu einer wichtigen Plattform des professionellen Austauschs und der Nachwuchsförderung, die jedes Jahr Hunderte von Medienschaffenden aus ganz Europa versammelt.

Die Preisverleihung wurde per Livestream übertragen und kann weiterhin als Video on demand auf der Homepage des PRIX EUROPA abgerufen werden, ebenso Ausschnitte aller Gewinnerproduktionen.

Von admin