Mehrere Hundert Tausende Teilnehmer:innen demonstrierten unter dem Motto „Nur gemeinsam stark – Für Demokratie und Vielfalt“ für die Aufnahme queerer Menschen ins Grundgesetz und weiterer Forderungen in Berlin am 27. Juli 2024. Große Unterstützung durch namhafte Künstler:innen, Politiker:innen und Live-Streams von Medien. Die Veranstalter ziehen eine positive Bilanz.
Am 27. Juli 2024 gingen einmal mehr mehrere Hundert tausend Menschen unter dem Motto „Nur gemeinsam stark – Für Demokratie und Vielfalt“ auf die Straßen Berlins, um für die Rechte der LGBTIQA* Community zu demonstrieren. Der Demonstrationszug mit 75 Wagen und +100 gemeldeten Fußgruppen setzte sich um 12 Uhr in Bewegung und marschierte zügig über die 7,6 Kilometer Route durch die Berliner Innenstadt.
Der musikalische Höhepunkt war der gefeierte Auftritt von Special Guest Herbert Grönemeyer. Der Musiker steht wie kein anderer für das diesjährige CSD Motto „Demokratie und Vielfalt“ ein. Herbert Grönemeyer ist nicht nur musikalisch einer der herausragendsten deutschen Künstler, sondern auch seit Jahrzehnten sozial und politisch engagiert, gerade auch für dieses Land und seine Demokratie. Dazu Grönemeyer in seinem Statement: „Es geht um das gemeinsame Eintreten für Toleranz, Vielfalt, Gleichberechtigung und für die Menschenrechte. In Zeiten des aufkeimenden rechten Gedankenguts ist es elementar zusammenzurücken, lebensfroh Flagge zu zeigen und auch im Grundgesetz zu verankern, das niemand wegen seiner sexuellen Identität benachteiligt bzw. bevorzugt werden darf. Die Zukunft bleibt knallbunt!“ Damit unterstützt auch einer der renommiertesten Künstler Deutschlands, Herbert Grönemeyer, die Forderung des Berliner CSD e. V. nach der Aufnahme queerer Menschen ins Grundgesetz.
Die diesjährige Eröffnungsrede des CSD in Berlin hielt die ostdeutsche Aktivistin Sophie Koch vom LAG Queeres Netzwerk Sachsen. Das Grußwort sprach die Bundesfamilienministerin Lisa Paus. Im Anschluss eröffneten die beiden Rednerinnen gemeinsam mit dem Vorstand und weiteren Gästen aus Politik und der Community offiziell den Demonstrationszug.
Die Bundesfamilienministerin Lisa Paus sprach sich in ihrem Grußwort gegen Gewalt und für mehr Solidarität aus: „Europaweit erleben wir einen gesellschaftspolitischen Backlash: immer mehr Gewalt gegen LSBTIQ*, auch hier in Deutschland. Die Antwort darauf muss lauten: mehr Solidarität mit LSBTIQ*. Daher ist es mir ein besonderes Anliegen am Berliner CSD teilzunehmen und deutlich zu machen: Wir stehen gemeinsam für Vielfalt und gegen jede Form von Ausgrenzung und Hass.“
Der Vorstand des Berliner CSD e.V. machte sich stark für die Rechte und Sichtbakeit der LGBTQIA*-Community. Die Vorständ:innen Stella Spoon, Mara Geri, Ulli Pridat, Marcel Voges und Manfred Lehmann verwiesen in ihrer Rede auf dem Vereinstruck auf die zunehmende Gefährdung der Demokratie in Deutschland. Alle waren sich einig, dass es so nicht weitergehen kann. Sie betonten ihre Kernforderungen und, dass sie auch nach dem CSD den Druck auf die Politik fortsetzen.
Dazu Sophie Koch vom LAG Queeres Netzwerk Sachsen in ihrer Eröffnungsrede: „Ich bin sehr sehr dankbar, dass der CSD Berlin so vehement für die Ergänzung des Artikel 3 kämpft. Denn ein Schutz unserer Rechte im Grundgesetz schützt gerade uns, die als erstes von einer rechten Mehrheit bedroht wären. Mehrheiten, die es in einigen Städten im Osten längst gibt. Diese Änderung des Grundgesetzes muss noch in dieser Wahlperiode kommen! “
Weitere Gäste bei der Eröffnung waren: Helmut Metzner (Bundesstiftung Magnus Hirschfeld), Vertreter:innen des BiBerlin e.V., Sebastian Walter (queerpolitischer Sprecher der Bundesfraktion Die Grünen im Abgeordetenhaus), Laura Neugebauer (queerpolitischer Sprecherin Die Grünen im Abgeordetenhaus), Klaus Lederer (queerpoltischer Sprecher Die LINKE), Wiebke Neumann (queerpolitische Sprecherin der Berliner SPD), René Powilleit (LSU), Werner Graf (Fraktionsvorsitzender Die Grünen im Abgeordnetenhaus), Sven Lehmann (Beauftragter der Bundesregierung für die Akzeptanz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt, MdB) und Carsten Schatz (Fraktionsvorsitzender Die Linke im Abgeordnetenhaus) .
Insgesamt sprachen 150+ Redner:innen der LGBTQIA*-Community auf den Wagen, um die Diversität der Community zu zeigen und sich für Demokratie und Vielfalt einzusetzen. Die Vereinstrucks waren waren gleichzeitig auch die großen Thementrucks, die die wichtigsten Anliegen in den Vordergrund rückten: House of Pride mit Fokus auf Afrika und Osteuropa, TIN Truck mit Augenmerk auf trans*, inter und non-binäre Menschen, der Multireligiöse Wagen und neu in diesem Jahr der Wagen mit Fokus auf queeren Sport.
Auf dem Führungstruck des Vorstands machten Vertreter:innen verschiedener Prides und Projekte aufmerksam auf die Umstände in ihren Ländern und sprachen deren Forderungen an. Dabei waren unter anderem Derrick Kimera (Let’s Walk Uganda) und das „Rangin Panah – Afghanistan Project“.
Um 12 Uhr setzte sich der Zug in Bewegung. Mit dabei 75 Fahrzeuge und 100+ Fußgruppen. Auch in diesem Jahr zeigte die Politik mit mehreren Wagen und Fußgruppen ihre Unterstützung für die Anliegen der queeren Community.
Während der Demonstration wurde an neuralgischen Punkten wie dem Bundesrat, Potsdamer Platz und dem Nollendorfplatz für Redebeiträge angehalten.
Neu bei diesem CSD war in diesem Jahr die Streckenführung. Vom Regenbogenkiez am Nollendorfplatz aus ging es weiter zur Urania und dann in Richtung Siegessäule. Auf Höhe der Nordischen Botschaften teilte sich der Zug in gerade und ungerade Nummern auf und fuhr zum Endpunkt Siegessäule weiter. Dort reihten sich die Wagen rundherum um die Goldelse auf.
Gegen 16.00 Uhr trafen die ersten Wagen dort ein. Von der Siegessäule ging es zu Fuß durch das Pride Village vorbei an der Anti-Littering-Area bis zum Brandenburger Tor. Auf der Bühne die große Abschlusskundgebung statt mit Redebeiträgen und musikalischen Acts.
Die Sondermoderation und Anmoderation zum Programmgedenkpunkt Berliner Aids Hilfe übernahm Gayle Tufts (Comedian). Das gesamte Bühnenprogramm der Mainstage wurde von Jesse George, Schwester Daphne, Juressica Parka und Phryne Dexter-Solaris bilingual moderiert. Außerdem gab es eine Gebärdendolmetscherin.
Einer der Höhepunkte der Abschlusskundgebung war die Verleihung der Soul of Stone Wall Awards an unterschiedliche Persönlichkeiten und Vereinigungen aus aller Welt.
Den Soul of Stonewall Awards 2024 erhielten:
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1. ZUSAMMENHALT IN DER COMMUNITY für Brix Schaumburg
Laudatio: Tessa Ganserer (MdB, Die Grünen), überreicht durch Lex Grassmann
2. INTERNATIONAL ACTIVISM für Kasha Nabagesara
angenommen durch Emmy Lubega – HE/HIM, Laudatio: Matt Beard
3. SPORT für Felicia Mutterer
Laudatio: Monique King
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4.COMMUNITY ENGAGEMENT für Travestie für Deutschland
vertreten durch Jacky Oh Weinhaus Laudatio: Jurassica Parka
5. LEBENSWERK für Ipek Ipekcioglu
Laudatio: Dr. Nivedita Prasad
„Wir bedanken uns bei allen, die heute mit uns auf der Straße demonstriert und bei der Abschlusskundgebung gefeiert haben. Der Zuspruch der Politik und der Medien zeigt ganz deutlich, dass der CSD eine friedliche Demonstration und Anlass ist, unsere erreichte Ziele zu feiern. Jedoch soll nicht davon abgelenkt werden, dass es viele Missstände gibt. Unser Forderungskatalog wird seinen Weg finden, die Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft kommt nicht daran vorbei. Wir machen weiter Druck!“, erklärte der Vorstand des Berliner CSD e.V. in seiner Rede bei der Abschlusskundgebung.
Die Bedeutung des Berliner CSD Umzugs wurde durch ein breites Medienecho unterstützt. Über 450 Medienvertreter:innen aus aller Welt waren dabei. Der rbb übertrug zudem in einer LIVE-Schalte von 13 bis 15 Uhr Teile des Umzugs und hatte dazu diverse Gäste geladen. Auf dem ARD-Kanal Twitch konnten Zuschauer:innen direkt kommentieren und Antworten erhalten. Zeitgleich sendete radioeins vom rbb aus der Urania eine Sondersendung.
Thomas Hoffmann (Sonderbevollmächtigter des Vorstands „Vorstandsbeirat“), Lisa Paus (Bundesfamilienministerin), Ulli Pridat (Vorstand), Manfred Lehmann (Vorstand), Sven Lehmann (Beauftragter der Bundesregierung für die Akzeptanz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt, MdB), Mara Geri (Vorständin) und Marcel Voges (Vorstand) (v.l.n.r.) bei der Eröffnungsrede