Über 1.200 geladene Gäste aus Praxis, Politik, Gesellschaft und Wissenschaft diskutierten am TAG DER BAUINDUSTRIE in Berlin über die Herausforderungen der Branche.

Die Zeiten sind für die Bauindustrie schwierig. „Das Sondervermögen ist noch nicht verteilt und der Bundeshaushalt noch nicht verabschiedet“, so Peter Hübner, Präsident der BAUINDUSTRIE. Vor allem die Lage im Wohnungsbau bleibt weiterhin kritisch: „Die neue Bundesregierung wird es besser machen müssen“, so Hübner. Der #TBI25 bot die perfekte Gelegenheit, um über mögliche Ansätze zu sprechen.

Mit großer Spannung wurde Bundeskanzler Friedrich Merz erwartet. Er besuchte mit der Bauindustrie die erste Wirtschaftsbranche seit seinem Amtseintritt. Ein starkes Zeichen der politischen Wertschätzung. Er unterstrich seine Zielstrebigkeit: „Wir bauen in Deutschland zu teuer, zu kompliziert und es dauert alles viel zu lange. Wir sind entschlossen, das zu ändern.“ Ebenfalls eine große Ehre war es, Bundesministerin für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen Verena Hubertz auf dem #TBI25 begrüßen zu dürfen. Hubertz kündigte an, dass in den ersten 100 Tagen ihrer Amtszeit Maßnahmen ergriffen werden sollen, um Bauprojekte schneller umzusetzen.

Auch auf den beiden Panels zu den Themen Infrastruktur und Wohnungsbau wurde lebhaft diskutiert. Erstmals öffentlich vorgestellt wurde Construct-X. In dem vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie geförderten, branchenübergreifenden Projekt werden offene, cloudbasierte Datenräume und Standards entwickelt, um den sicher und schnell Bau- und Anlagedaten auszutauschen.

Rede von Kanzler Merz beim Tag der Bauindustrie

Sehr geehrter Herr Präsident, lieber Herr Hübner,

meine sehr geehrten Damen und Herren,

herzlichen Dank für die freundliche Begrüßung und die Einladung an diesen Ort! Im Gegensatz zum letzten Jahr gehen Sie wieder in ein befestigtes Gebäude; das ist ja auch schön.

Ich freue mich, dass Kolleginnen und Kollegen aus dem Deutschen Bundestag da sind. Ich hätte Peer Steinbrück gerne gehört. Ich gehöre ja zu denen, die Sozialdemokraten gerne hören – vor allen Dingen, wenn Sie älter werden. Ich bedanke mich für die zustimmenden und freundlichen Worte zu unserem Koalitionsvertrag, den wir vor gerade einmal gut zwei Wochen an dieser Stelle unterschrieben haben. Mir kommt es vor wie drei Monate – so viel ist in der Zwischenzeit in der Außenpolitik und in der Europapolitik geschehen. In der Innenpolitik sind wir noch auf dem Weg, die ersten Entscheidungen des Kabinetts vorzubereiten. Sie sollen in der nächsten Woche auf die Tagesordnung kommen und dann noch vor dem Sommer verabschiedet werden. Es gibt aber auch eine ganze Reihe von Themen, die uns noch für eine etwas längere Zeit beschäftigen werden.

Lassen Sie mich vielleicht eine kurze Beschreibung geben, wo wir jetzt, im Sommer des Jahres 2025, stehen. Meine Damen und Herren, zunächst einmal steht da die Außenpolitik und steht da die Außenwirtschaftspolitik im Vordergrund; denn sowohl der Krieg in der Ukraine als auch die Handelspolitik der Amerikaner bestimmen im Augenblick sehr stark unseren Alltag in der Regierung, aber auch in der internationalen Politik. Mir war es wichtig, dass wir sehr schnell aus Deutschland heraus ein Zeichen setzen, dass wir mehr als vorher darum bemüht sein wollen, wieder abgestimmt mit unseren Vertretern, europäischen Partnern, aber auch abgestimmt, wo immer möglich, mit unseren amerikanischen Partnern vorzugehen.

Das, was wir gegenwärtig in der Ukraine erleben, mit Russland erleben, lässt mich einigermaßen besorgt sein um die nächsten Tage, Wochen und vielleicht Monate. Es gibt im Augenblick keine Zeichen dafür, dass dieser Krieg schnell endet. Wir sind darum bemüht, auf diplomatischem Wege alles zu erreichen, was möglich ist. Die italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni hat gestern dann sogar mit dem Heiligen Vater, mit dem neu gewählten Papst Kontakt aufgenommen, mit dem es am Sonntag Gelegenheit gab, auch über dieses Thema in Rom zu sprechen. Das ist dann aber sozusagen die letzte irdische Instanz, und wir können alle nur hoffen, dass es wenigstens dort gelingt, die Konfliktparteien zu einem konstruktiven Gespräch zusammenzubringen.

Mir war es wichtig, dass Deutschland dabei eine aktive, befördernde, starke Rolle spielt. Das geht nicht allein; das geht nur zusammen mit unseren europäischen Partnern, also – Sie haben es dankenswerterweise gesagt – mit Frankreich, aber genauso mit unseren wichtigsten europäischen Partnern im Osten, mit Polen. Und das geht Gott sei Dank auch zusammen mit Großbritannien, die nun leider aus der Europäischen Union ausgetreten sind, sich aber in der Außen- und Sicherheitspolitik sehr darum bemühen, mit uns zusammen, mit den Kontinentaleuropäern, jetzt diesen Weg gemeinsam zu gehen. Ich werde in diesem Kreis der europäischen Staats- und Regierungschefs mit großer persönlicher Zustimmung aufgenommen, aber es geht nicht um mich und meine Person, es geht auch gar nicht einmal um das Amt, sondern es geht einfach darum, dass die größte Volkswirtschaft Europas an diesen Prozessen in Europa ihrem Gewicht, ihrer Größe angemessen aktiv wieder teilnimmt. Darum bemühe ich mich, weil ich weiß, dass das nicht nur für die Außen- und Sicherheitspolitik gilt; vielmehr gilt es auch für die Wirtschaftspolitik, es gilt für die Handelspolitik, es gilt für die Vollendung des europäischen Binnenmarktes.

Damit bin ich dann schon mit einem kurzen Blick auf die Vereinigten Staaten von Amerika in der Zollpolitik, in der Handelspolitik. Wie Sie alle wissen, liegt auch die Handelspolitik nicht mehr in der alleinigen Zuständigkeit der Mitgliedstaaten, sondern ist Sache der Europäischen Union. Es gibt nur zwei Bereiche, die so stark europäisch sind, dass die nationalen Mitgliedstaaten sie nicht mehr in eigener Hand haben: Das ist die Währungspolitik und das ist die Handelspolitik. Wir sind eben auch auf europäischer Ebene darum bemüht, mit Amerika einen Weg zu finden, wie wir den Zollkonflikt möglichst schnell beilegen können. Andere Länder haben da schon erste Fortschritte erzielen können – obwohl natürlich immer auf schwankendem Boden, auf unsicherem Fundament. Aber immerhin, es gibt erkennbare Anzeichen dafür, dass die amerikanische Regierung bereit sein könnte, mit uns eine Verabredung zu treffen, dass wir von diesen hohen Zöllen herunterkommen. Da ist noch einiges an Überzeugungsarbeit zu leisten.

Hohe Zölle, Wirtschaftspolitik und offener und freier Handel sind keine Einbahnstraße; es sind auch nicht Nullsummenspiele, die man sozusagen gegeneinander aufrechnet – der eine bekommt ein bisschen mehr und der andere hat ein bisschen weniger. Offene Märkte und freier Handel – das ist jedenfalls immer unsere Überzeugung gewesen und bleibt auch meine persönliche Überzeugung – dienen allen, die daran teilnehmen, und es ist eben für alle ein Vorteil, wenn die Märkte offen sind, wenn es offenen Wettbewerb gibt und wenn es vor allen Dingen weltweiten Handel gibt. Ich möchte, dass das aus Europa heraus gesagt wird – das wird gesagt, das sagen wir. Wir brauchen da aber noch viel Überzeugungsarbeit mit der amerikanischen Regierung und vor allen Dingen mit dem amerikanischen Präsidenten. Ich werde ihn in Kürze besuchen und versuchen, ihn auch auf diesem Weg ein Stück weit davon zu überzeugen, dass es in unserem gegenseitigen Interesse liegt, dass wir uns hier nicht weiter in einen Zollkonflikt hineinsteigern, sondern dass wir da herauskommen und dass wir Zölle auf einem möglichst niedrigen Niveau bzw. am besten sogar gar keine Zölle miteinander verabreden. Wenn wir dann auch noch zu einer gegenseitigen Anerkennung technologischer Standard in verschiedenen Branchen kommen könnten – was ja immer die zweite Seite der Handelspolitik ist, die ein bisschen wenig Beachtung findet –, dann hätten wir ein Potenzial im transatlantischen Handel, das wir zurzeit überhaupt nicht ausschöpfen und das für Wohlstand auf beiden Seiten des Atlantiks sorgen könnte.

Meine Damen und Herren, dies sind sozusagen die außenpolitischen und außenwirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen, unter denen wir zurzeit in der neuen Bundesregierung arbeiten. Wir wissen aber, dass wir unsere ganze Kraft auch der Wirtschaftspolitik und der Innenpolitik zuwenden müssen. Ich bin dankbar, dass ich heute, weniger als nach einem Jahr, nachdem ich zum letzten Mal bei Ihnen war, Herr Hübner, die Gelegenheit habe, auch einmal kurz vorzutragen, was wir uns in der neuen Bundesregierung vorstellen, wenn es um die Frage geht, wie wir unsere Volkswirtschaft wieder in Gang bringen können und was wir dann auch für die Bauindustrie tun wollen.

Lassen Sie mich mit der Volkswirtschaft im Allgemeinen beginnen. Ich bin Ihnen dankbar, dass Sie das noch einmal so zum Ausdruck gebracht haben. Die Basis unseres Landes, die Basis unserer Volkswirtschaft ist nach wie vor vorhanden. Wir haben eine starke Industrie, wir haben eine starke Basis. Aber wenn wir ehrlich miteinander sind: Nicht erst seit drei Jahren, schon seit ungefähr einem Jahrzehnt haben wir nicht mehr die Produktivität in unserem Lande, die wir eigentlich bräuchten, um den Wohlstand zu erhalten, vor allem, um unsere sozialen Sicherungssysteme ausreichend zu finanzieren. Das heißt, wir werden hier einiges verändern müssen, einiges tun müssen, um das zu verbessern.

Da gibt es aus meiner Sicht vier Punkte, die vielleicht auch in einer gewissen Rangfolge wichtig sind. Das Allererste ist: Wir müssen raus aus dieser wirklich immer weiter überbordenden Bürokratie! Jetzt sage ich Ihnen etwas, das Sie alle schon einmal gehört haben, aber ich will es vielleicht einmal unter einem anderen Vorzeichen sagen, als wir es bisher immer mit der Überschrift „Bürokratieabbau“ oder, wie ich es jetzt sage, mit „Bürokratierückbau“ versehen haben: Ich bin sehr dankbar, dass wir uns mit den Sozialdemokraten im Koalitionsvertrag darauf verständigt haben, dass wir hier einmal eine Veränderung unseres Mindsets haben wollen. Wir wollen raus aus dieser Kultur des Misstrauens des Staates gegen die Privatwirtschaft und die privaten Haushalte, und wir wollen rein in eine grundsätzliche Kultur des Vertrauens gegenüber der Privatwirtschaft und gegenüber den Menschen, die in unserem Lande leben. Ich glaube, das ist eine ganz wichtige Voraussetzung, wenn wir dazu kommen wollen, es einfach besser zu machen als in den letzten Jahren und Jahrzehnten.

Das macht sich an kaum einem Gesetz so deutlich fest oder wird an keinem so deutlich sichtbar wie an diesem sogenannten Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz. Sie sehen, ich kann es schon auswendig. Aber dies ist eben wirklich der Ausdruck tiefen Misstrauens. Dass niemand von uns Kinderarbeit will oder gar fördern will, dass wir Arbeitsbedingungen, dass wir Menschenrechte einhalten wollen, das will niemand bestreiten. Das gilt auch für diejenigen, die wie ich der Meinung sind, man müsste das nationale Gesetz genauso abschaffen wie am besten die europäische Richtlinie. Es kommt darin etwas zum Ausdruck, das wir ändern wollen. Es muss nämlich zum Ausdruck kommen, dass wir den Unternehmen grundsätzlich vertrauen, dass sie darauf achten, dass sie nicht mit Ländern Handel treiben und Vorlieferanten und Zulieferer haben, die unter menschenunwürdigen Bedingungen mit Kinderarbeit und Ausbeutung verbunden sind. Es wird ein Haftungsregime dafür geben. Aber dafür werden die ganzen Aufzeichnungspflichten und die ganzen bürokratischen Lasten drastisch reduziert.

Dafür setzen wir uns auch in Brüssel ein. Ich weiß: Es ergibt keinen Sinn, hier ein Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz abzuschaffen und drei Jahre später in Brüssel eine vergleichbare Richtlinie zu bekommen, die das Ganze dann wieder zurückdreht. Wir müssen das in Brüssel mindestens grundlegend so reformieren, dass aus dem, was es da zurzeit gibt, dieses grundsätzliche Misstrauen herauskommt und dass wir dann allenfalls über Haftung reden, aber nicht über Pflichten zur Dokumentation bis in den kleinsten Winkel der Erde, die niemand nachvollziehen kann und die niemand wirklich zutreffend aufschreiben kann.

Sie können es auf ein vermeintlich kleines innenpolitisches Thema bringen. Das ist das Thema Arbeitszeitgesetz. Sie haben es angesprochen, Herr Hübner. Es war nicht ganz einfach, dies in den Koalitionsvertrag hineinzubringen. Aber auch da geht es eben um das Vertrauen, dass Belegschaften mit ihren Geschäftsführungen und Arbeitgeber mit den Arbeitnehmerorganisationen besser in der Lage sind, zu beurteilen, wie viele Stunden man am Tag arbeitet. Wir wollen es auf 40 Stunden in der Woche begrenzen. Das ist die Regelarbeitszeit. Wie die 40 Stunden aufgeteilt werden, auf sieben Tage oder sechs Tage oder fünf Tage oder vier Tage in der Woche, das wollen und müssen wir den Betriebsparteien und den Tarifparteien überlassen. Das ist ein Stück Vertrauen, das wir zurückgeben und wo wir der Meinung sind: Das muss der Staat nicht regeln. Das können Sie in Ihren Unternehmen mit Ihren Belegschaften besser!

Das zweite große Thema, meine Damen und Herren, ist die Steuer- und Abgabenbelastung. Das ist für uns wahrscheinlich für die nächsten Jahre der größte Brocken, weil es hier in der Tat darum geht, zunächst einmal die Haushalte einigermaßen in Ordnung zu bringen, sie jedenfalls bei den Zuwächsen unter Kontrolle zu halten und die Sozialversicherungssysteme zu reformieren. Ich gebe zu: Wir haben hierzu im Koalitionsvertrag außer Absichtserklärungen noch nichts aufgeschrieben. Das ist auch verdammt schwierig. Aber wir haben in der Koalition verabredet, dass wir zur Rentenversicherung, Pflegeversicherung, Krankenversicherung jeweils eine grundlegende Reform auf den Weg bringen, auch mit dem Ziel, die ständig steigenden Sozialversicherungsbeiträge und die ständig steigende Notwendigkeit eines Bundeszuschusses zu begrenzen und in der längeren Perspektive auch zu korrigieren. Es ist eine Mammutaufgabe, das zu leisten. Das haben wir uns im Koalitionsvertrag in der Kürze der Verhandlungen von vier Wochen nicht zugetraut. Aber wir haben die Absicht aufgeschrieben, und die ist ernst gemeint. Ich bin Lars Klingbeil, dem Vizekanzler und Finanzminister, sehr dankbar, dass er in diesen Tagen über das Wochenende hinweg noch einmal betont hat: Hier haben wir wirklich eine ambitionierte Reformagenda vor uns, die wir einlösen wollen. – Ich weiß, was ich hier sage, ich weiß, wie schwierig das ist, aber wir müssen es machen, wenn wir nicht gleichzeitig die Arbeitskosten in Deutschland ständig weiter steigen lassen wollen.

Das Dritte in diesem Zusammenhang, meine Damen und Herren, sind natürlich auch sonstige Kosten, die Sie in den Unternehmen haben, Arbeitskosten, die Sie haben. Das können Sie alles unter die ganz große Überschrift „Arbeitskosten in Deutschland“ setzen. Wir wollen versuchen, hier in der Summe etwas zu korrigieren und zu verbessern.

Last, but not least: Wir brauchen Arbeitskräfte in Deutschland, ja. Wir brauchen eine bessere Ausschöpfung des vorhandenen Arbeitskräftepotenzials. Ich stimme Ihnen zu in dem, was Sie gesagt haben, Herr Hübner. Ich komme allerdings gerade aus dem Mittagessen mit dem Sachverständigenrat. Deswegen erlauben Sie mir, dass ich vielleicht etwas, sagen wir einmal, detailgenauer auf diesen Sachverhalt eingehe. Wir können nicht so ganz pauschal sagen: Die Deutschen arbeiten zu wenig. – Wir haben in der Summe ein Arbeitsvolumen, das zu gering ist, auch auf die Zahl der Menschen, die in Deutschland leben, bezogen. Aber wir haben in Deutschland Gruppen, vor allen Dingen unter den Jüngeren, die sehr, sehr viel arbeiten. Wir haben Millionen von Überstunden, die in Deutschland gemacht werden. Wir haben in einigen Branchen, in einigen Bereichen wirklich eine sehr, sehr hohe Arbeitsbelastung. Aber die Arbeitsbereitschaft und die Arbeitszeit gehen mit zunehmendem Lebensalter zurück, bis hin zu der Frage, zu welchem Zeitpunkt wir in den Ruhestand gehen. Es müssen sich nicht alle an mir ein Beispiel nehmen, aber wir müssen aufpassen, dass die Menschen, die noch leistungsfähig sind und die arbeiten wollen, auch noch arbeiten können und dies in Deutschland unter vernünftigen Bedingungen tun. Deswegen werden wir sehr bald das einführen, was wir Aktivrente nennen, um nämlich einen ökonomischen Anreiz für diejenigen zu schaffen, die 67 geworden sind und trotzdem noch arbeiten können und arbeiten wollen. Wir werden das mit einer Verdopplung des Grundfreibetrages einhergehen lassen, also mit 2.000 Euro steuerfreiem Einkommen pro Monat. Ich bin sehr gespannt, welche Wirkungen das hat, welchen Anreiz das für die älteren Menschen auslöst, zu arbeiten. Das ist jedenfalls der Schritt, den wir jetzt einmal gehen wollen, um auf diese Art und Weise auch älteren Menschen einen vernünftigen Anreiz zu geben, noch länger zu arbeiten. Wir brauchen längere Lebensarbeitszeiten. Das wissen wir, und wir wollen diesen Weg jetzt zunächst einmal über diese vernünftigen Anreize gehen, das zu tun.

Meine Damen und Herren, das sind sozusagen die Randbedingungen, die für die gesamte Volkswirtschaft, für alle Branchen gelten. Aber ich will gerne noch einmal im letzten Teil auf die Bauindustrie zu sprechen kommen. Herr Hübner, ich habe Ihre Einladung auch deshalb angenommen – ich bin heute das erste Mal im neuen Amt auf einem Industrietag der deutschen Wirtschaft wie diesem – und bin gerne hierhergekommen, weil ich genau diese Rolle der Bauindustrie so einschätze, wie Sie es gesagt haben. Sie haben in Ihrer Industrie eine überproportional hohe Bruttowertschöpfung der Beschäftigten pro Kopf. Es ist eine Schlüsselindustrie für die Frage, ob dieses Land, ob diese Volkswirtschaft, wieder auf die Beine kommt und ob wir wieder nach vorn kommen. Das gilt gleich in doppelter Hinsicht: Das gilt für den bezahlbaren, privaten Wohnraum. Das ist wahrscheinlich einer der größten sozialen Fragen, vor denen wir im Augenblick stehen, und auf die wir bessere Antworten als in der Vergangenheit geben müssen.

Ich will es auf einen ganz einfachen Nenner bringen: Wir bauen in Deutschland zu teuer, zu kompliziert, und es dauert alles viel zu lange. Daran sind wir entschlossen etwas zu ändern. Sie haben eben den Gebäudetyp E angesprochen. Es fehlen uns mehrere 100.000 Wohnungen im Jahr in Deutschland, wahrscheinlich 500.000 und mehr. Wir müssen einfacher bauen, wir müssen seriell bauen. Ich appelliere auch an die Gemeinden, Grundstücke zur Verfügung zu stellen. Wir brauchen Bauland, baureifes Bauland, und wir brauchen dann eben auch Genehmigungsverfahren, die schneller gehen. Frau Brantner hat eben darauf hingewiesen: In einigen Bundesländern gibt es bereits diese Genehmigungsfiktionen. Wir haben leider keine einheitliche Landesbauordnung in Deutschland – da haben wir 16 verschiedene –, aber wir können da auch vom Bund aus einiges machen. Wir sind entschlossen, das zu tun, das zu fördern, und auf den Weg zu bringen, dass in Deutschland schneller, einfacher und preisgünstiger gebaut wird, sodass sich eine durchschnittlich verdienende Familie in Deutschland im Regelfall auch Wohneigentum leisten kann. Ich finde, das sind wir einfach den Menschen in Deutschland schuldig, dass dieses Angebot weiter gilt: Wer in Deutschland normal verdient, der muss ein normales Wohneigentum erwerben können. Es ist inakzeptabel, dass das in vielen großen Städten in Deutschland nicht mehr geht.

Dann bin ich bei dem zweiten großen Thema, das Sie beschäftigt, nämlich der Ausbau der Infrastrukturen. Ja, Sie haben Recht: Wir haben – im Übergang vom 20. auf den 21. Deutschen Bundestag – in einem Kraftakt zwischen den beiden Parlamenten eine Grundgesetzänderung auf den Weg gebracht, um zum einen etwas für die Bundeswehr zu tun – darauf komme ich gleich zurück, weil das nämlich auch Sie betrifft –, zum zweiten ging es im Infrastrukturbereich um das sogenannte Sondervermögen.

Das klingt auf den ersten Blick sehr, sehr viel – 500 Milliarden Euro. Aber, meine Damen und Herren, das ist für zwölf Jahre angelegt. Das heißt, dann sind wir ungefähr bei 40 Milliarden Euro pro Jahr. Wir haben uns für diese Wahlperiode ungefähr 150 Milliarden Euro davon vorgenommen. Aber wenn Sie das einmal zu unserem Bruttoinlandsprodukt von über 4 Billionen Euro ins Verhältnis setzen, dann ist das ein vergleichsweise kleiner Betrag. Für den Bundeshaushalt ist es sehr viel; für die Volkswirtschaft ist es ziemlich wenig. Deswegen kommt es jetzt sehr darauf an, dass wir das im Verfahren richtig machen, dass wir mit den Errichtungsgesetzen, die notwendig sind, die richtigen Prioritäten setzen, sodass dieses Geld wirklich in die zusätzliche Infrastruktur investiert wird, nicht in die konsumtiven Ausgaben – und es kommt noch mehr darauf an, dass damit auch privates Kapital mobilisiert wird.

Wenn wir es nicht hinbekommen, dieses Geld so einzusetzen, dass im Verhältnis von mindestens fünf zu eins – besser: zehn zu eins – privates Kapital zusätzlich an Investitionen in die Infrastruktur mobilisiert wird, dann wird die Wirkung dieses Geldes, die viele von uns – Sie, ich auch – damit hoffentlich verbinden, nicht eintreten. Wir werden damit also sorgfältig umgehen müssen.

Wir brauchen, wie gesagt, noch zwei Gesetze: eins für die Länder und eins für den Bund, das wir gemeinsam machen müssen. Dann müssen wir dieses Geld an der richtigen Stelle investieren, eben in die Infrastruktur unseres Landes. Sie haben in der Podiumsdiskussion, die ich einige Minuten verfolgen konnte, dazu auch die richtigen Themen angesprochen.

Warum ist das Thema Sicherheit, Bundeswehr, auch für Sie wichtig? Ganz einfach: Wir sind auf dem Weg zum  NATO-Gipfel Ende Juni dabei, uns zu verpflichten, 3,5 Prozent der NATO-Quote für die militärische Beschaffung und zusätzlich 1,5 Prozent für die Infrastruktur zur Verfügung zu stellen, die militärische Relevanz hat, also etwa für Brückenstraßen oder Transportwege. Das wird den Bereich der Infrastruktur zusätzlich mit entsprechenden Mitteln versehen. Aber auch hier gilt: Das Geld muss sorgfältig ausgegeben werden. Es muss nachhaltig investiert werden. Es muss so investiert werden, dass daraus eine militärisch nutzbare Infrastruktur entsteht, die wir dann auch in Deutschland bauen.

Wenn Sie dies alles im Zusammenhang sehen, meine Damen und Herren, dann bin ich damit beim Ausgangsthema – unsere Sicherheit – zurück. Wir werden häufig gefragt: Was habt ihr denn für ein Leitbild? Was ist sozusagen die Vision für Deutschland?

Ich bin mit solchen Begriffen wie Vision etwas vorsichtig; aber ein Leitbild habe ich schon. Ich möchte, dass wir ein Land bleiben und werden – werden, wo wir es nicht mehr sind, und bleiben, wo wir es sind –, das zunächst einmal in Frieden und Freiheit leben kann. Das ist angesichts dessen, was wir zurzeit auf der Welt erleben, nicht mehr selbstverständlich.

Dann wollen wir ein Land sein, in dem Wohlstand möglich ist, in dem soziale Absicherung möglich ist, und in dem es einen möglichst großen gesellschaftlichen Zusammenhalt gibt. Deswegen bin ich Ihnen für die Worte dankbar, die Sie hier gefunden haben, Herr Hübner. Das ist genau die Botschaft, die wir auch geben wollen. Ein Land in Freiheit, ein Land im Frieden, aber auch ein Land, in dem insbesondere die junge Generation Chancen erkennt, in Wohlstand und sozialer Sicherheit leben zu können, das ist ein verdammt hoher Anspruch.

Meine Damen und Herren, denn das, was Ludwig Erhard uns Deutschen vor 70 Jahren mit den drei Worten „Wohlstand für alle“ versprochen hat, wird uns von der jungen Generation heute nicht mehr geglaubt. Wir haben das erste Mal eine junge Generation in Deutschland, die wahrscheinlich zu Recht große Zweifel daran hat, ob dieses Aufstiegs- und Wohlstandsversprechen unseres Landes, unserer Gesellschaft, unserer marktwirtschaftlichen Ordnung, das für meine Generation gegolten hat, auch für ihre Generation noch Bestand hat. Genau daran müssen wir arbeiten. Wenn wir den gesellschaftlichen Zusammenhalt unseres Landes erhalten wollen, dann sind nicht nur Freiheit und Frieden die Grundvoraussetzungen, dann ist auch genau diese Lebensperspektive für junge Menschen in unserem Land eine Grundvoraussetzung. Wenn wir das schaffen und auch vermitteln, dass wir das ernsthaft wollen, und wir Schritt für Schritt auf diesem Weg vorankommen – wie wir uns das in der Koalition gemeinsam vorgenommen haben –, dann – so bin ich mir sicher – kommen wir auch aus dieser etwas ambivalenten Stimmung wieder heraus. Dann wird die Mehrheit der Deutschen nicht sagen „Das Glas ist halb leer“, sondern sie wird sagen „Das Glas ist halb voll“, und dann gehen wir mit einigermaßen Zuversicht in die nächsten Jahre. Ich jedenfalls bin fest entschlossen, alles dafür zu tun, was ich tun kann. Die Bundesregierung ist dazu entschlossen, alles zu tun, was wir gemeinsam tun können, und gemeinsam heißt, meine Damen und Herren, Verantwortung für unser Land zu tragen. Da ist nicht zu sagen „die sollen das einmal machen“. Die Verantwortung für unser Land liegt bei jedem einzelnen. Sie liegt bei 84 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern in Deutschland. Herr Hübner, sie liegt auch bei den Tarifvertragsparteien, bei denen, die am Tisch sitzen und in freier Verantwortung die Bedingungen aushandeln, die für unseren Arbeitsmarkt ganz wesentlich sind; das sind auch Sie.

Ich habe von Verantwortung gesprochen. Wir haben „Verantwortung für Deutschland“ über unseren Koalitionsvertrag geschrieben. Ich habe in der letzten Woche in meiner ersten Regierungserklärung ausführlich darüber gesprochen. Wenn wir diese Verantwortung gemeinsam empfinden und diese Verantwortung gemeinsam wahrnehmen, dann bin ich sicher, dass wir eine große Chance haben, aus dieser Stimmung wieder herauszukommen, nämlich wieder Wachstum zu ermöglichen, Beschäftigung dauerhaft zu sichern und auch ein Land zu sein, in dem die Menschen gern fröhlich und mit Optimismus leben.

Herzlichen Dank.

Von admin