Heute Begrüßte Michael Müller Gail Halvorsen, Luftbrücken-Veteran und Rosinenbomber-Pilot, zu seinem Berlin-Besuch zum 70. Jahrestag der Beendigung der Berlin Blockade; Rotes Rathaus, Amtszimmer-Foyer.
Am 12. Mai jährt sich zum 70. Mal das Ende der Berliner Blockade und damit eine der größten Hilfsaktionen der Nachkriegsgeschichte in Deutschland. Vom 24. Juni 1948 bis zum 12. Mai 1949 sperrte die Sowjetunion alle Zufahrtswege nach West-Berlin. Maßgeblich von den Alliierten in Westdeutschland organisiert, begann damit die Luftbrücke. Auch CARE beteiligte sich als eines der wenigen privaten Hilfswerke an der Luftbrücke: Über 200.000 CARE-Pakete gelangten mit gecharterten Flugzeugen in das von jeglicher Versorgung abgeschnittene West-Berlin.
„Es war unglaublich. Alles, was da drin war, waren Dinge, die wir nicht hatten. Und dazu auch noch Schlackwurst! Das war wie ein Lottogewinn“, erinnert sich Anita Stapel an die Zeit der Berlin-Blockade, als das CARE-Paket das Überleben der damals stark unterernährten und schwangeren jungen Frau sicherte.
Überlebenshilfe – auch unter schwierigen logistischen Herausforderungen, dafür steht CARE auch heute. In über 90 Ländern weltweit setzt sich CARE mit überwiegend einheimischen Kräften für die Überwindung von Not, Armut und Ausgrenzung ein, und beteiligt insbesondere Frauen und Mädchen. Aktuell leistet CARE unter anderem Nothilfe nach den Zyklonen Idai und Kenneth in Mosambik und Überlebenshilfe in den Kriegsregionen in Syrien und im Jemen.
„In der Berliner Nachkriegszeit waren es Rosinenbomber, heute sind es Boote und Helikopter, über die CARE Menschen mit Lebensmitteln und Hygieneartikeln versorgt“, berichtet CARE-Nothelferin Ninja Taprogge, die bis vor kurzem das CARE-Team in Mosambik unterstützte.
„Vor 67 Jahren endete die Blockade West-Berlins durch die Sowjetunion. Die Menschen, die sich noch bewusst an diese dramatische Zeit erinnern können, werden weniger. Umso wichtiger ist es, dass wir das Gedenken an die junge Generation weitergeben. Ich freue mich deshalb auch, dass Schülerinnen und Schüler des Europäischen Gymnasiums Bertha-von-Suttner in Reinickendorf an dieser Gedenkveranstaltung teilnehmen und dafür sogar einen eigenen Beitrag leisten. Und ich begrüße auch sehr herzlich die Schülerinnen und Schüler der Gail-Halvorsen-Schule in Steglitz, die sich – ihr Namensgeber zeigt es – dem Gedenken der Luftbrücke besonders verpflichtet fühlt. Mein Dank gilt ferner der Bundeswehr, die dieses Gedenken unterstützt, Militärdekan Bernd Schaller sowie dem Polizeiorchester Brandenburg, das die musikalische Umrahmung übernommen hat.
Drei Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges stürzte die Blockade Berlin in eine schwere Krise. Zu diesem Zeitpunkt bestimmten noch immer Trümmer und Kriegsschäden das Stadtbild. Die Versorgung mit Lebensmittel war streng rationiert, der Schwarzmarkt blühte. Von einer funktionierenden Infrastruktur konnte keine Rede sein. In dieser Lage bedeutete die plötzliche Abriegelung West-Berlins eine Katastrophe. Bereits in der Nacht vom 23. Juni auf den 24. Juni 1948 gingen die Lichter in West-Berlin aus. Das Großkraftwerk Zschornewitz, das Berlin seit Jahrzehnten mit Strom versorgte, hatte die Belieferung der Westsektoren eingestellt. Die West-Berliner Kraftwerke konnten den fehlenden Strom nicht ersetzen.
Am Morgen des 24. Juni 1948 folgte die Unterbrechung des gesamten Versorgungsverkehrs nach West-Berlin. Für die rund 2,2 Millionen Menschen – viele davon waren Kriegsflüchtlinge aus dem Osten – ging es ums nackte Überleben. Sie konnten nicht sicher sein, dass ihnen geholfen würde. Zwar hatten die westlichen Alliierten seit Ende des Krieges viel dafür getan, die Versorgungslage zu verbessern und den Berlinerinnen und Berlinern im Westteil der Stadt ein Leben in Freiheit und Sicherheit zu ermöglichen.
Aber unter den Westmächten bestand keineswegs Einigkeit darüber, West-Berlin zu halten und die Stadt nicht preiszugeben. Die Menschen in der Stadt spürten das. Ernst Reuter, der Oberbürgermeister von West-Berlin, brachte diese Stimmung auf den Punkt, als er am 9. September 1948 vor dem zerstörten Reichstagsgebäude vor 300.000 Menschen die Völker der Welt anrief, auf diese Stadt zu schauen, und ‚diese Stadt und dieses Volk‘ nicht preiszugeben. In der akuten Notlage setzten sich die Befürworter eines Verbleibs der Alliierten in West-Berlin um den Militärgouverneur der amerikanischen Zone, General Lucius D. Clay, durch. Die Herausforderung war riesig: Es galt, die Blockade zu umgehen, ohne Kriegsgefahr heraufzubeschwören.
Die Versorgung einer zerstörten Stadt mit mehr als zwei Millionen Menschen aus der Luft war eine einzigartige logistische und humanitäre Leistung. Sie verdient auch heute noch unsere Bewunderung und unseren Respekt.
Mit der Blockade hatte die Sowjetunion den Westen herausgefordert. Durch die Luftbrücke hatten die Alliierten klargestellt, dass sie West-Berlin niemals preisgeben würden. West-Berlin war fortan Teil des Westens und würde – das war die Botschaft an Moskau – mit aller Macht verteidigt werden. Als Folge verlief vier Jahrzehnte lang der Eiserne Vorhang mitten durch die Stadt.
Liebe Schülerinnen und Schüler, Sie sind aufgewachsen in einem vereinten Berlin, in einem vereinten, friedlichen und freien Europa. Sie kennen die Zeiten, als diese Stadt durch eine Mauer geteilt war und im Osten Diktatur und Unterdrückung herrschte, nicht aus eigenem Erleben. Vielleicht haben Sie Eltern oder Familienangehörige, die im Herbst 1989 für ihre Freiheitsrechte in Ost-Berlin oder den Städten der DDR auf die Straße gegangen sind. Es ist das Glück Ihrer Generation, dass Sie diese Freiheit und die vielen Chancen, die aus ihr erwachsen, geerbt haben. Aber die Freiheit und die Einheit Europas ist keine Selbstverständlichkeit. Das war sie nie. Immer wurde darum gerungen und gekämpft, Kriege waren in Europa bis 1945 fast an der Tagesordnung.
Wir erleben in diesen Wochen und Monaten, dass sich viele von der Idee eines einigen Europa verabschieden. Es ist daher an der Zeit und eine der großen Aufgaben Ihrer Generation und meiner Generation, alles dafür zu tun, dass Frieden und Freiheit nicht verspielt werden, dass die Einheit Europas erhalten bleibt. Die Alternative ist nämlich nicht der Rückzug in eine gute, alte Zeit nationalstaatlicher Grenzen, wie es Populisten weismachen wollen. Eine solche Zeit hat es nie gegeben. Die Alternative zum freien, friedlichen und vereinten Europa, das auf gemeinsamen Werten beruht, lautet: Grenzen, Konfrontation, Diktatur und Unterdrückung. Das zeigt der Blick in die Geschichte. Die Blockade Berlins ist ein besonders markantes Beispiel.
Wir dürfen das nicht vergessen, wenn wir jetzt auf Europa schauen. Ein Vierteljahrhundert nach dem Fall des Eisernen Vorhangs erleben wir, dass Europa durch die Finanzkrise und die Flüchtlingsfrage tief gespalten ist. Nutznießer sind die populistischen Bewegungen, die gegen ein vereintes Europa mobilisieren. Der solidarische und humanitäre Geist, der vor 67 Jahren über die Blockade West-Berlins triumphierte: Er darf nicht wieder von nationalen Egoismen verdrängt werden.
Humanitäres Engagement, die Solidarität mit Menschen in Not zahlt sich politisch aus. So war es 1948/49: Das uneingeschränkte Bekenntnis der Schutzmächte zu West-Berlin hat die Freiheit der Stadt und ihrer Bürgerinnen und Bürger gewährleistet. Zwar vertiefte die Berlin-Blockade die Spaltung zwischen den Machtblöcken. Aber West-Berlin blieb ein leuchtendes Beispiel für die Menschen im Ostteil der Stadt, die auf ein Leben in Freiheit und Selbstbestimmtheit hofften. Und diese Sehnsucht war auch in Mittel- und Osteuropa stärker als Diktatur und Unterdrückung – die Ereignisse von 1989 zeigen das eindrucksvoll. Ohne die Entschlossenheit der Alliierten in Berlin, wäre dieser Traum kaum wahr geworden. War die Blockade ein Fanal der Teilung, so zeugt die Luftbrücke eindrucksvoll von der Macht der Versöhnung, von Freiheit und Solidarität.
Wir gedenken voll Dankbarkeit der Männer und Frauen aus Amerika, Großbritannien und Frankreich, aus Kanada, Südafrika, Neuseeland und Australien, die ihr Leben für Berlins Freiheit und Sicherheit riskierten. Und wir gedenken der Toten, die sich für dieses große Ziel aufgeopfert haben. Wir verneigen uns vor den Opfern der Luftbrücke. Ihr Tod ist uns Verpflichtung zu Toleranz und Völkerverständigung in Frieden und Freiheit. Ihr Beispiel zeigt uns bis heute, was erreicht werden kann, wenn wir solidarisch zusammenstehen, wenn wir vertrauensvoll und mit vereinten Kräften zusammenarbeiten.“
Foto :Holger Much | Photography