Das_Absinth_Depot in Berlin Mitte gehört zum Ur-Gestein der Kiez Szene unweit vom Hackeschen Markt in Berlin. Viele Reiseführer und Stadtmagazine haben den kleinen Laden mit seinem großen Sortiment in der Vergangenheit gehuldigt. Le Matin hat sich mit Inhaber Hermann Plöckl getroffen und geschaut, was aus dem gemütlichen Laden in der Weinmeisterstraße geworden ist.
Das fängt schon mit dem Verbrennen der Zuckerwürfel an. Die meisten Leute lieben diese Zeremonie, aber ursprünglich gehört das Anzünden nicht zum Absinth-Konsum. „Eigentlich werden die Zuckerwürfel auf dem Löffel durch das Eiswasser gelöst, das zum Absinth gegeben wird. Der Zucker tropft dann zusammen mit dem Wasser in das Glas,“ so der Experte. „Ich lasse mich da aber auf keine Diskussionen mehr ein. Wer seinen Zuckerwürfel gern angezündet haben möchte. Bitte!“
Es scheint, als vermisse der alteingesessene Ladenbesitzer sein anspruchsvolles, neugieriges Publikum. Als der Münchener kurz nach der Wende seinen Späti in Berlin eröffnete, war der Verkauf von Absinth noch verboten und das Scheunenviertel in Berlin mehr als verwegen. Erst 2001 wurde das Sortiment des kleinen Späties um den grünen Anisschnaps Absinth erweitert. Damals hat Plöckl seinen Laden auch komplett umgebaut, mit einer schönen Bar aus dunklem Eichenholz und stilechten Glasschränken. Seitdem bekommt der Absinth-Genuss hier einen Hauch der französischen Bohéme, in der die grüne Fee Anfang des 20. Jahrhunderts ihre Blütezeit hatte.
Die Legende, dass der Absinth aufgrund seines hohen Thujon-Gehalts früher viel aufregender war als heute, hält sich standhaft. Aber auch an dieser Stelle wird Hermann Plöckl nicht müde, einen weiteren Irrtum des alltäglichen Absinth-Halbwissens aufzudecken. „Der Thujon-Gehalt der damaliger Absinth-Sorten unterscheidet sich kaum von den heutigen“, erklärt er fachmännisch. „Die gesundheitlichen Schäden und die Halluzinationen, von denen immer alle reden, kommen vielmehr von der schlechten Qualität des verwendeten Alkohols und von dem viel höheren Ethanolgehalt.“ Viele Leute unterschätzen den gehaltvollen Tropfen noch heute. Immerhin hat das pure Getränk um die 72 Prozent Alkohol. Aber sollte allein die hohe Promillezahl die Besonderheit von Absinth ausmachen? Auch hierauf hat Hermann Plöckl eine Erklärung. „Die besondere Wirkung von Absinth ergibt sich dadurch, dass der Alkohol nicht direkt ins Gehirn geht“, zwinkert er. „Damit fühlt man sich eher fit und lustig ohne das Gefühl zu haben, betrunken zu sein.“ Das Eiswasser, mit dem der Absinth verdünnt wird, verstärkt den erfrischenden Effekt noch zusätzlich.
In den letzten Jahren hat der Ladenbesitzer schon einige Erfahrungen mit seinen allzu beschwingten Gästen gemacht. Deshalb gibt es am Gruppentisch zum Beispiel gar keine Barstühle. „Die würden zu späterer Stunden sowieso nur in meine Glasvitrine fallen“, winkt Plöckl ab.
Barstühle hin oder her. Das Absinth-Depot in Berlin Mitte ist immer noch ein wundervoller Ort, um die geschmacklichen Besonderheiten der grünen Fee auf sich wirken zu lassen und dabei ganz im Stil der französischen Bohéme zu schwelgen. Es fällt schwer nicht doch nach einem kleinen Mitbringsel zu fragen. In diesem Fall lohnt es sich einen Blick auf die wunderschönen Holzpostkarten zu werfen, die Plöckl unter seiner Vitrine hat. Die kleinen Karten mit originellen Motiven, wie der Absinth schlürfenden schwarzen Katze, ist auch etwas, dass es in Berlin nicht zwei Mal gibt. (cd)