Unter dem Titel ‚UNSCHARF‘ zeigten Jale Richert und Michele Beil die Frühjahr/Sommer Kollektion 2020: Inspiriert von der visionären Arbeit Rudi Gernreichs in den späten 1960er und 1970er Jahren, präsentierten sie eine Kollektion, die stereotypische Schönheitsideale herausfordert und ästhetische Unterschiede zwischen Frauen und Männern sowie Sehgewohnheiten dekonstruiert. Die RICHERT BEIL Kollektion unterstützt Menschen dabei, ihr Selbstbewusstsein in Zeiten optimierter Körperbilder und der steigenden Bedeutung von Virtual Reality und Social Media zu finden und zu behaupten. Wolle wird in dieser Kollektion, die je zur Hälfte für Frauen und zur Hälfte für Männer geschaffen ist, erneut ein zentrales Element sein. Mit leichteren Stoffen wie Seide und Baumwolle kombiniert, interpretieren Richert und Beil ihr Lieblingsmaterial in ihrer sechsten Kollektion saisonal.

‚UNSCHARF‘ bot Videoinstallaton, Performance und Runway

Die Show begann mit einem Voice-Intro, das einen Wandel in der Modebranche in Bezug auf Respekt vor dem menschlichen Körper, Produktionsbedingungen und Verantwortung für die Umwelt fordert. Es folgte die Videoinstellation „THERE IS HUMAN UNDERNEATH“, die in Zusammenarbeit mit Denis Bivour und Joachim Baldauf entstand und die Show im Loop begleitete. Sie dokumentiert im Stile eines Überwachungsfilms, wie das RICHERT BEIL-Duo sich nicht nur seiner Haare, sondern nach und nach auch seiner Kleidung entledigt. Angelehnt an Gernreichs ästhetischen Aktionismus demonstrieren die beiden Designer was passiert, wenn Mann und Frau von äußeren und definierenden Merkmalen wie Haaren und Kleidung frei machen. Die 30 Looks der Ready-to-Wear Kollektion wurden in dramaturgischer Konsequenz von einem diversen Cast mit ebenfalls abrasierten Haaren vorgeführt.

Unterwäsche wird in Kooperation mit CALIDA zur Haute Couture

Besonderer Höhepunkt der Kollektion: In Kooperation mit dem Schweizer Wäschelabel CALIDA entstand ein Haute-Couture Mantel aus mehr als 100 schwarzen BHs, die im Sinne eines Upcyclings aus ruhenden Lagerbeständen gewählt wurden. Harald Lenzinger, Senior Productmanager / Design Men von CALIDA (https://www.calida.com): „Mit einem jungen und avantgardistischen Designerduo wie Richert Beil zu arbeiten, ist für eine Traditionsmarke wie CALIDA sehr spannend. Uns verbindet der bedingungslose Anspruch, Mode nachhaltig zu entwickeln und zu produzieren – das hat uns überzeugt.“ Im Zusammenschluss entstanden außerdem zwei Unisex-Wäscheteile als spielerischer Umgang mit den hohen Erwartungen, die an Frauen bei der Wahl ihrer Unterwäsche gestellt werden, während Männer im Allgemeinen auf Bequemlichkeit statt Sexiness setzen. In Anlehnung an Rudi Gernreichs Vorstellung einer desexualisierten Funktionsweise von Unterwäsche, zeigte die RICHERT BEIL Show einen seamless Tanga in Rot sowie eine schwarze Panties, die geschlechterübegreifend getragen werden können.

Tampon-Anhänger, haarige Ringe und zweckentfremdete Accessories

Nicht nur in ihrer auf die individuellen körperlichen Ansprüche geschneiderte Unisex-Mode stellen RICHERT BEIL Geschlechterrollen und Schönheitsstandards unscharf, auch auf Detailebene zog sich das Thema durch die Inszenierung: In Anlehnung an den eigenen Radikalhaarschnitt entstand gemeinsam mit der Berliner Goldschmiedin und Schmuckdesignerin Johanna Gauder (https://johannagauder.com/) eine 9-teilige Sonderedition in Silber, die zwischen lauten Showpieces und formaleren Kollektionsstücken variiert. Die Key-Pieces sind gegossene Tampons die als Gürtel, Ohrringe und Anhänger getragen wurden. Ein Statement sowohl gegen die ungerechtfertigte Besteuerung dieser alltäglichen Kosmetikmittel als Luxusartikel, als auch für die Enttabuisierung des weiblichen Zyklus. Das Haar fehlte nicht nur auf dem Köpfen aller Protagonisten – es findet sich auch in Schmuckstücken wieder, die unter großem handwerklichen Aufwand durch Gauder entstanden: Die Zurschaustellung langer Strähnen unterschiedlicher Haarfarben an Ringen und Ohrringen verwandeln das abgeschnittene, leblose Haar in ein dekoratives Accessoire und steht der Prämisse gegenüber, es könne nur am vorzugsweise weiblichen Kopf ein Hingucker sein. Gemeinsam mit dem Label Livalike (https://www.livalike.com/), das auf hochwertige Papiertaschen spezialisiert ist, entwarfen Richert und Beil eine elegante Interpretation der ‚Tüte über den Kopf‘. Eine Papiermaske als Anonymisierung des Gesichts, entbindet das Individuum entgültig von sämtlichen Beauty-Standards, erinnert aber auch die anmaßende Empfehlung, sein vermeintlich hässliches Angesicht zu verbergen, um andere davor zu verschonen.

Unter grafischer Leitung von Dagmar Sucrow-Barthel, ehemals Artdirektorin bei Helmut Lang, entstanden die Goodie Bags, die den Gästen unter dem Titel ‚EVIDENCE/ Designer’s DNA‘ über die Inszenierung hinaus buchstäblich einen besonderen Teil der Designer mitgaben: Es beinhaltete eine Strähne ihrer Haare und eine ‚scheinbar’ getragene Unterhose.

Über RICHERT BEIL

Jale Richert und Michele Beil designen nach ihrem Credo: Kleidung darf kein saisonal austauschbares Konsumprodukt mehr sein, sondern nachhaltig im ursprünglichsten Sinn. Inspiriert von historischer Kleidung und ihren Verarbeitungstechniken, verwenden Richert und Beil hochwertigste Stoffe in bester Verarbeitung mit einer individuellen, klaren Designsprache. RICHERT BEIL steht nicht nur für zeitlose, authentische und reduzierte Mode, sondern für die Weltanschauung und gesellschaftlichen Ansprüche einer neuen Designergeneration. RICHERT BEIL wurde 2014 in Berlin gegründet und kreiert Kollektionen für Damen und Herren mit dem Schwerpunkt auf Jacken und Mänteln.

Von admin