Bahnindustrie: Geschäftsjahr 2023 spiegelt Bewegung im deutschen Schienennetz wider. Jetzt muss Momentum gehalten werden.

 

  • Bahnindustrie erzielt 2023 mit 14,4 Mrd. Euro neuen Spitzenumsatz.
    Auftragseingang wächst um 57 Prozent auf historisches Hoch von 21,5 Mrd. Euro an.
  • VDB-Präsident Andre Rodenbeck fordert langfristige Investitionen, vereinfachte Spielregeln und faire Maßnahmen gegen die Inflation, um aktuelles Momentum für schnelle und notwendige Verbesserung des deutschen Schienenverkehrs halten zu können.

Der Verband der Bahnindustrie in Deutschland (VDB) e.V. zieht Bilanz für das Geschäftsjahr 2023: Mit insgesamt 14,4 Milliarden Euro erzielt die Bahnindustrie in Deutschland einen neuen Spitzenumsatz. Das Fahrzeuggeschäft bleibt mit 10,4 Milliarden Euro das stärkste Segment, doch die Infrastruktursparte zieht merkbar an. „Der Infrastrukturbereich ist auf dem Heimatmarkt ein zuverlässiger Indikator dafür, wie weit die Sanierungs- und Modernisierungspläne der Bundesregierung auf der Schiene vorankommen. Und jetzt gibt es Bewegung“, sagte VDB-Präsident Andre Rodenbeck. Nachdem das Infrastrukturgeschäft in Deutschland in den vergangenen Jahren stagnierte, wächst der inländische Infrastrukturumsatz 2023 um 17 Prozent.

Auch der Auftragseingang wächst im In- wie im Ausland mit einem Gesamtvolumen von 21,5 Milliarden Euro um 57 Prozent auf ein historisches Hoch an. Dabei machen die inländischen Aufträge mit 13 Milliarden Euro rund 60 Prozent aller Eingänge aus. Das Auftragsvolumen im Schienenfahrzeugsegment steigt um 64 Prozent und auch der Infrastrukturbereich steigt um 40 Prozent an. Auf dem Heimatmarkt gehen Infrastrukturaufträge in der Höhe von 3,6 Milliarden Euro ein, was einem Wachstum von 29 Prozent entspricht. „Von den Systemhäusern bis zum Mittelstand entwickelt sich die Auftragslage sehr stark. Für die notwendige Verbesserung des deutschen Schienenverkehrs hat es jetzt oberste Priorität dieses Momentum zu halten“, so Rodenbeck.

Entscheidende Treiber seien stabile und langfristig verbindliche Investitionenvereinfachte Spielregeln sowie faire Maßnahmen gegen die Inflation. Mittels überjähriger Schienenfonds könnten Gelder einerseits schneller verwendet werden und Unternehmen andererseits motivieren in mehr Gerät und einen deutlichen Personalaufwuchs zu investieren, so Rodenbeck. Um mehr Tempo in die Digitalisierung der Schiene zu bringen, sei es darüber hinaus notwendig zu klären, wie und in welche Segmente die Bunderegierung künftige investiere: „Mehr Kapazität und Zuverlässigkeit erzielen wir vor allem über die Digitalisierung des Schienensystems. Dazu zählt neben dem Up-Grade der Infrastruktur aber auch die entsprechende Aus- und Umrüstung von Fahrzeugen. Diese muss der Bund steuern und finanziell unterstützen, damit der deutschlandweite Rollout gelingt“, warnte VDB-Hauptgeschäftsführerin Sarah Stark.

Aktuell mangele es der Branche trotz Investitionen des Bundes an langfristiger Planungssicherheit. Und auch die Inflation und Energiepreissteigerungen würden die Bahnindustrie weiterhin belasten: „Bei den erfreulichen Bilanzzahlen dürfen Umsatz und Ertrag nicht verwechselt werden. Nur über vertragliche Preisgleitung besteht die Möglichkeit, die überdurchschnittlich gestiegenen Kosten fair zu verteilen. Das ist für Fälle höherer Gewalt gesetzlich auch so geregelt, derzeit aber mitnichten flächendeckend gelebte Praxis“, erklärte der VDB-Präsident.

Verband der Bahnindustrie in Deutschland (VDB)

Jahrespressekonferenz

20. März 2024

Tagungszentrum der Bundespressekonferenz

Berlin

Andre Rodenbeck

Präsident des Verbandes

der Bahnindustrie in Deutschland (VDB)

Es gilt das gesprochene Wort!

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

ich begrüße Sie herzlich zur VDB-Jahrespressekonferenz live aus Berlin.

Vergangenes Jahr haben wir von einem Aufbruchin der Bahnbranche gesprochen. Jetzt ist in den letzten Monaten viel passiert. Auch an uns ist das Ringen um den Bundeshaushalt 2024 nicht spurlos vorbeigegangen. Aber: Die Bundesmittel für die Schiene wachsen wenn auch nicht so umfangreich, wie angekündigt.

Wie viel Aufbruch bleibt also?

Wir befinden uns jetzt in einer spannenden Phase. Nach Jahren der mangelnden politischen Aufmerksamkeit für die Schiene und der Problemanalysen, starten wir endlich mit der tatsächlichen Umsetzung. Zumindest teilweise.

Die Sanierung der Hochleistungskorridore hat begonnen und die Bahnindustrie in Deutschland trägt ihren Teil zum Gelingen bei. Klar ist: wir fangen gerade erst an unser Netz zu sanieren. Und es wird einige Jahre dauern bis es ausreichend elektrifiziert und digitalisiert ist.

Wir müssen den eingeschlagenen Weg konsequent weitergehen und das Netz sanieren, modernisieren sowie ausbauen, um mehr Verkehr auf der Schiene abfahren zu können. Dafür brauchen wir längerfristige Planungssicherheit.

Aber: Es passiert etwas im deutschen Schienennetz. Und das deutet sich langsam auch in unseren Zahlen an. Schauen wir zunächst auf die Entwicklungen im Infrastrukturmarkt.

Im Infrastrukturbereich, der auf dem Heimatmarkt ein zuverlässiger Indikator dafür ist, wie weit die Sanierungs- und Modernisierungspläne der Bundesregierung auf der Schiene vorankommen, gibt es jetzt Bewegung.

Nachdem die Umsätze aus der Infrastruktursparte in den letzten Jahren – konträr zu den erklärten politischen Zielen in Deutschland – stagnierten oder sich gar rückläufig entwickelten, sehen wir 2023 in Deutschland ein Wachstum um knapp 17 Prozent, im Ausland sogar um 20 Prozent.

Wie in den vergangenen Jahren erzielt die Bahnindustrie in Deutschland auch im Geschäftsjahr 2023 mit insgesamt 14,4 Milliarden Euro ein neues Umsatzhoch. Noch kommt das Wachstum allerdings weiterhin aus dem Exportgeschäft, das mit 35 Prozent den kleineren Teil des gesamten Umsatzes ausmacht.

Während das Geschäft im Ausland um 31 Prozent anzieht, geht der Umsatz auf dem Heimatmarkt um 7 Prozent zurück. Diese Schwankung ist maßgeblich auf die Schienenfahrzeugsparte zurückzuführen, die abhängig von Großbestellungen und damit naturgemäß volatil ist.

Das Fahrzeuggeschäft ist mit 10,4 Milliarden Euro nach wie vor das stärkste Segment der Bahnindustrie. Jedoch verzeichnen wir einen Rückgang um 1 Prozent, der dem inländischen Markt zuzurechnen ist.

Im Export von Schienenfahrzeugen und -ausrüstung steigt der Umsatz um 35 Prozent, während der Umsatz in Deutschland um 15 Prozent zurückgeht.

Schauen wir uns den Auftragseingang an.

Der ist 2023 enorm. Mit knapp 22 Milliarden Euro verzeichnen wir zum Vorjahr ein Plus von 57 Prozent. Von den Systemhäusern bis zum Mittelstand entwickelt sich die Auftragslage sehr stark. Wir haben in den nächsten Jahren alle gut zu tun!

Und das größte Auftragsvolumen kommt aus dem Inland: fast 13 Milliarden Euro. 56 Prozent mehr als noch im Vorjahr. Im Ausland verzeichnen wir sogar ein Plus von 58 Prozent. Das Auftragsvolumen im Schienenfahrzeugsegment steigt auf knapp 16 Milliarden Euro und damit um 64 Prozent an. Dahinter stecken die Bestellungen für große Fahrzeugflotten in Deutschland, aber auch internationale Großaufträge. Wachstum sowohl im In- als auch im Ausland.

Und auch der Infrastrukturbereich steigt um 40 Prozent an.

  • Auf dem Heimatmarkt gehen Aufträge in der Höhe von 3,6 Milliarden Euro ein. Plus 29 Prozent.
  • Im Ausland wächst das Auftragsvolumen auf 2 Milliarden Euro an. Plus 67 Prozent.

Überdurchschnittliche Zahlen einer starken Industrie – in nach wie vor herausfordernden Zeiten. Zahlen, die sich bereits angedeutet hatten. Definitiv Zahlen eines Aufbruchs.

Wie geht es jetzt weiter? Oberste Priorität nach den ersten Erfolgen: Momentum halten.

Die Zeichen stehen auf Los. Die Zahlen sind ein klarer Beleg dafür, dass die Branche bereitsteht und die Bahnindustrie loslegen kann.

Im Grunde ist es ein simpler Plan: Ambitionierten Zielen folgen Investitionen. Investitionen folgen Projekte. Mit der Umsetzung der Projekte folgt die Erreichung der ambitionierten Ziele. Den zweiten Schritt höhere Investitionen haben wir gesetzt.

Jetzt heißt es dranbleiben. Denn Projekte in der Bahnindustrie sind langwierig. Und das bedeutet, wir brauchen:


Erstens: Kontinuität.

  • Bis heute sind lediglich etwa 2 Prozent des deutschen Schienennetzes digitalisiert. Bis 2035 sollten es 100 Prozent sein.
  • Bis heute sind etwa 62 Prozent des deutschen Schienennetzes elektrifiziert. Bis 2030 sollten es 75 Prozent sein.
  • Heute stehen wir vor einer stark erneuerungsbedürftigen Infrastruktur. Bis 2030 soll ein Hochleistungsnetz aus 9.000 Kilometern entstehen. Und allein die demografischen Entwicklungen zwingen uns zu digitaler Technologie, die deutlich andere Produktivität im Schienennetz ermöglicht.

Wir stehen vor Projekten, die es in der Größe und dem Umfang im modernen Schienenverkehr noch nicht gegeben hat. Unternehmen wie Behörden müssen sich gleichermaßen auf solche Mammutaufgaben einstellen und angemessen vorbereiten.

Für die Industrie bedeutet das: Ressourcen hochfahren. Personal einstellen und über mehrere Jahre schulen. Spezielles Gerät beschaffen und gegebenenfalls zulassen. Das erfordert Planungssicherheit.

Eine Planungssicherheit, die die Bundesregierung für die Bedarfsträger, beispielsweise die Eisenbahninfrastrukturunternehmen, in ihrem Verhältnis zur Bahn- und Bauindustrie gewährleisten müssen.

  • Durch stetige Investitionen.
  • Durch dem Bedarf angemessene Investitionen.
  • Und vor allem durch überjährige Investitionen.

Zweitens: Wir brauchen Beschleunigung.

Wir müssen die Regeln, nach denen heute investiert wird, deutlich einfacher gestalten und gleichzeitig transparent vergeben.

  • Derzeit müssen für die Planung und Realisierung von jedem Neubau-Schienenprojekt jeweils einzelne Finanzierungsvereinbarungen zwischen Bund und Bedarfsträger abgeschlossen werden.
  • Sinnvoller wären überjährige Schienenfonds, wie es die vielbeachtete Beschleunigungskommission Schiene bereits 2022 in ihrem Abschlussbericht empfohlen hat.

    • o
      Einerseits könnten Gelder schneller verwendet werden und andererseits auch für längere Zeiträume als von Bundeshaushalt zu Bundeshaushalt bereitgestellt werden.
    • o
      Die Neuaufstellung der InfraGO ist der ideale Zeitpunkt und Adressat für eine solche Optimierung der Finanzierungsarchitektur.

Und abschließend darf man bei den erfreulichen Bilanzzahlen, die wir vorgestellt haben, den Umsatz nicht mit dem Ertrag verwechseln. Die Auftragsbücher unserer Unternehmen sind prall gefüllt. Die anhaltende Inflation und Energiepreissteigerungen belasten die Industrie aber nach wie vor. Und in Bestandsaufträgen bleiben die Hersteller von Bahntechnik nach wie vor auf ihren nicht selbstverschuldeten und inflationsbedingten Mehrkosten sitzen.


Wir brauchen also drittens auch ein Miteinander auf Augenhöhe.

  • Die Bahnbranche arbeitet mit langlaufenden Liefer- und Rahmenverträgen zu festen Preisen.
  • Nur über vertragliche Preisgleitung besteht die Möglichkeit, die aktuell überdurchschnittlich gestiegenen Kosten von Materialien und Komponenten entlang der gesamten bahnindustriellen Wertschöpfungskette fair zu verteilen.
  • Das ist für Fälle höherer Gewalt über Preisgleitung auch gesetzlich geregelt, derzeit aber mitnichten flächendeckend gelebte Praxis.
  • Zur Unterstützung einer praxisgerechten Abbildung der realen Preisentwicklung von Schienenfahrzeugen, hat der VDB einen eigenen, für Schienenfahrzeuge geltenden Warenkorb erstellt, der aus wesentlichen Elementen der Vorproduktekette besteht.
  • Die Bahnindustrie bleibt jedoch darauf angewiesen, dass Preisgleitung zugelassen wird und vor allem in Bestandsverträgen mit den öffentlichen Auftraggebern akzeptable Lösungen gefunden werden.

Also kurz: Aufbruch? Ja. Ziel in Sicht? Noch nicht ganz.

  • Erstens: stabile, sukzessiv anwachsende Investitionen.
  • Zweitens: vereinfachte Spielregeln.
  • Drittens: faire Maßnahmen gegen die Inflation.

Das sind jetzt die entscheidenden Treiber für die schnelle und notwendige Verbesserung des deutschen Schienenverkehrs.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Ich bin gespannt auf Ihre Fragen im Anschluss und übergebe an Sarah Stark, die näher darauf eingehen wird, welche politischen Weichen in dieser Legislaturperiode noch für die Schiene zu stellen sind.

Von admin