Auch der 20. Tourismusgipfel hatte wieder spannende Themen und interessante Redner zu bieten. Die mehr als 500 Teilnehmer erlebten Reden von Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel, SPD-Generalsekretärin Dr. Katarina Barley sowie des UNWTO-Generalsekretärs Dr. Taleb Rifai. Inhaltlich ging es um das Thema Wertschätzung, interkulturellen Austausch und das Brückenbauen zwischen Kulturen sowie "Die smarte Diktatur" mit Blick auf Buchungsplattformen, Datennutzung und mehr. Auch das Thema Startups wurde sowohl inhaltlich als auch im Ausstellerbereich aufgegriffen. Den Schlusspunkt setzen die aus ihrer Phoenix-Sendung bekannten „Augstein und Blome“, die sich in einem verbalen Schlagabtausch – einerseits eher linksprogressiv und anderseits eher liberalkonservativ – touristischen Themen näherten.

 
Rede von Bundeskanzlerin Merkel beim 20. Tourismusgipfel des Bundesverbands der Deutschen Tourismuswirtschaft e.V. am 26. September 2016
Datum:
26. September 2016
Ort:
Berlin
in Berlin
Sehr geehrter Herr Präsident Frenzel,
sehr geehrte Frau Staatssekretärin,
liebe Kolleginnen und Kollegen aus dem Deutschen Bundestag,
meine Damen und Herren,
der Sommer liegt hinter uns, die Haupturlaubszeit geht zu Ende. Doch nach dem Urlaub ist vor dem Urlaub. Die Herbstferien liegen schon wieder vor uns. Viele beginnen mit der Rückkehr nach Hause, schon die nächste Reise zu planen. Dabei gehen die Urlaubsgedanken heutzutage keineswegs immer in die weite Welt, liegt doch das Gute so nah. Zwischen Alpen und Nordsee bzw. Ostsee werden die vielfältigsten Urlaubswünsche realisiert. Das Urlaubsland Deutschland hat an Renommee gewonnen und durchaus einiges zu bieten. Ihre Branche ist es, die dafür sorgt, dass Urlaubsträume erfüllt werden. 2015 war ein Jahr der Rekorde. Die Übernachtungen ausländischer Gäste nahmen im Jahr 2015 im Vergleich zum Vorjahr sogar um über fünf Prozent zu.
Ein Charakteristikum neben der Schönheit und der kulturellen Vielfalt, die Deutschland auszeichnen, ist, dass Deutschland auch als ein sicheres Reiseland und Reiseziel gilt. Absolute Sicherheit kann es zwar nie geben, aber wir setzen alles daran und tun alles Menschenmögliche, Risiken so gering wie möglich zu halten. Wir haben dafür zahlreiche Maßnahmen ergriffen. Bei den Sicherheitsbehörden des Bundes schaffen wir mehrere tausend zusätzliche Stellen. Für die Aufgaben der inneren Sicherheit haben wir deutlich mehr Haushaltsmittel eingeplant. Das ist auch ein Signal für den Tourismus. Unsere Gäste aus nah und fern sollen und können sich bei uns sicher fühlen. Sie sollen und können sich ungestört an ihrem Erholungs-, Erlebnis-, Kultur-, Sport-, Gesundheits- oder Wellnessurlaub erfreuen.
Die Urlaubsziele in Deutschland stehen hoch im Kurs. Deshalb hält die positive Entwicklung der Tourismusbranche an. Und deshalb schauen wir wohl alle gemeinsam recht optimistisch auch auf dieses Jahr. Die touristische Anziehungskraft entspricht der Zugkraft Deutschlands als europäischer Wachstumsmotor. Denn die Wirtschaft insgesamt steht gut da. Wir rechnen in diesem Jahr mit einem Wachstum des Bruttoinlandsprodukts in Höhe von etwa 1,7 Prozent. Eine verlässliche Stütze für dieses Wachstum ist der private Konsum. Die Exporte laufen auch gut, trotz mancher Unsicherheit auf den internationalen Märkten.
Es gibt eine Reihe von guten Gründen, optimistisch in die Zukunft zu blicken. Aber wir müssen die gute Lage nutzen und heute die Weichen für den Erfolg der Zukunft stellen. Dafür brauchen Sie hinreichend Spielraum. Herr Frenzel hat, so wie es die Aufgabe eines Verbandspräsidenten ist, schon darauf hingewiesen.
Für die Bundesregierung bedeutet Zukunftspolitik auch eine solide Finanzpolitik, die dem Standort Deutschland nützt. Die Haushalte zu gestalten, ohne neue Schulden aufzunehmen und ohne an der Steuerschraube zu drehen und trotzdem inhaltliche Schwerpunkte zu setzen – das sind drei Faktoren, die sehr hilfreich sind. Aber ich weiß, dass sich immer wieder steuerrechtliche Fragen im Detail stellen.
Sie haben soeben kurz ein Wort dazu fallen lassen. Sie üben Kritik daran, dass Aufwendungen für die Anmietung von Hotelzimmern und für den Kauf von Hotelleistungen der Gewerbesteuer hinzugerechnet werden. Das ist eine komplizierte Frage, bei der wir wie immer abzuwägen haben. Da sind einerseits die Kommunen, deren finanzielle Leistungskraft an vielen Stellen zu wünschen übrig lässt. Und andererseits müssen wir steuerrechtliche Maßnahmen gemeinsam mit den Ländern verabschieden, die ihre finanziellen Spielräume zum Teil auch sehr restriktiv beurteilen. Wie es so ist: Die Sache liegt beim Bundesfinanzhof. Meine Empfehlung an Sie heute ist, dass wir, bevor wir die Diskussion weiterführen, den Ausgang des Revisionsverfahrens abwarten und dann auf das Thema zurückkommen sollten. Ich will durch meine Einlassung hier nur sagen: Uns ist diese Sachfrage bewusst.
Ein zweiter Punkt, der Sie belastet, sind bürokratische Lasten. Diese kosten Zeit und Geld. Beides kann man besser für eigentliche Unternehmenszwecke brauchen. Deshalb haben wir mit Bedacht vor wenigen Tagen das zehnjährige Bestehen des Normenkontrollrats gewürdigt. Wir haben schon einiges im Vorschriftendschungel durchforstet – mit dem Ergebnis, dass zum Beispiel die Berichtspflichten für die Unternehmen um ein Viertel gesunken sind. Wir haben im letzten Jahr etwas sehr Interessantes, die sogenannte Bürokratiebremse, eingeführt. Sie wirkt nach dem Prinzip „one in, one out“. Wenn man also eine neue gesetzliche Regelung mit neuen Belastungen erlässt, müssen andere Belastungen abgeschafft werden. Das gelingt bislang auch recht gut. Aber Sie können sich vorstellen, dass das nicht ganz einfach ist, zumal wir auch viele europäische Richtlinien umzusetzen haben. Das heißt, jedes Mal muss auch etwas abgeschafft werden. Wir konnten im vergangenen Jahr Entlastungen für die Wirtschaft von rund 1,4 Milliarden Euro pro Jahr auf den Weg bringen.
Anfang August dieses Jahres ist das Zweite Bürokratieentlastungsgesetz gefolgt – mit weiteren Entlastungen, die typischerweise kleinen Betrieben mit zwei bis drei Mitarbeitern helfen. Das ist auch etwas, das gerade viele kleine Reisebüros im positiven Sinne betreffen kann. Deren Rundum-Service wird ja von sehr vielen Reiseliebhabern nach wie vor geschätzt. Im Zusammenhang mit meinem Podcast zu Ihrem Tourismustag habe ich gelernt, dass es an die 10.000 Reisebüros in Deutschland gibt. Diese Zahl ist eine richtig tolle Größenordnung. Das Buchungsverhalten hat sich in den letzten Jahren allerdings verändert. Das Internet ist ein wirklich großer Schlüssel geworden, um Reisen zu buchen. Aber ich glaube, die Dualität von persönlicher Beratung und Internetrecherche ist heutzutage das, was für die Kunden noch am besten ist.
Der digitale Wandel erfordert auch, rechtliche Regelungen zu modifizieren. Derzeit gilt der Umsetzung der EU-Pauschalreiserichtlinie in nationales Recht eine große Aufmerksamkeit. Sie haben sich als Verband frühzeitig eingebracht. Man hört immer, wenn sozusagen die Drähte heiß laufen, was gerade wieder in Arbeit ist. Aber ich denke, dass wir die Situation des deutschen Reisemarkts und insbesondere die Lage mittelständischer Reisebüros im Blick haben. Letztlich stehen wir natürlich in der Verantwortung, den Interessen sowohl der Branche als auch der Verbraucher gerecht zu werden. Ich hoffe, dass wir in gemeinsamer Diskussion eine tragfähige Lösung finden werden. – Den vorsichtigen Applaus werte ich als anspornenden Applaus, dass wir auf Sie hören. Sie dürfen davon ausgehen, dass wir uns nicht mit der gesamten Reisebranche anlegen wollen; das wäre dumm. Aber wir dürfen uns natürlich auch nicht mit den Kunden anlegen. Das müssen Sie auch verstehen, das wäre auch nicht in Ihrem Interesse.
Wir haben neue Trends wie zum Beispiel die „Sharing Economy“. Das betrifft auch Sie. Das Verhalten der Kunden ändert sich. Man will sich ein Auto oder gar eine Wohnung mit anderen teilen. Das kann man heute mit wenigen Klicks organisieren. Dahinter verbergen sich Chancen, aber natürlich auch Herausforderungen, denen sich die Reiseveranstalter sowie das Hotel- und Gastgewerbe natürlich stellen müssen.
Sie stehen nicht allein vor solchen Aufgaben, sondern wir müssen insgesamt sehen, dass wir im globalen Wettbewerb um intelligente Angebote die digitalen Möglichkeiten so verwirklichen, dass wir nicht den Anschluss verlieren. Wenn Sie woanders unterwegs sind, dann wissen Sie, wie weit die Digitalisierung dort schon vorangeschritten ist. Auf Dauer werden wir uns davon nicht abkoppeln können; so viel ist sicher. Denn wir spüren ja auch, dass die Menschen die Möglichkeiten digitaler Angebote nutzen.
In Deutschland – das ist erfreulich – hat sich eine vielversprechende Gründerszene entwickelt. Daraus sind auch einige international erfolgreiche Startups hervorgegangen. Auch hierbei geht es um gezielte Förderung. Wir haben neulich im Kabinett nach langer Diskussion steuerrechtliche Maßnahmen beschlossen, die ein Wachsen der Startups besser ermöglichen. Natürlich brauchen wir dafür vor allem auch immer wieder kreative Köpfe und junge Talente. Gute Ausbildung und Qualifizierung bleiben natürlich wesentliche Voraussetzungen für künftige Erfolge.
Ausbildung und Qualifizierung sind auch für die Tourismuswirtschaft ein Markenzeichen. Sie haben soeben darauf hingewiesen: Ihre Betriebe geben vielen Berufsanfängern aussichtsreiche Perspektiven. Sie festigen damit auch die betriebliche Zukunftsfähigkeit. Deshalb möchte ich mich für alles bedanken, was Sie im Ausbildungsbereich leisten. Das ist für sehr viele junge Menschen der Einstieg in eine erfolgreiche Berufslaufbahn.
Ich weiß, dass Sie zum Teil durchaus auch Nachwuchssorgen haben. Man wundert sich: Die Region, aus der ich komme, weist nach wie vor eine relativ hohe Arbeitslosigkeit auf, hat aber gleichzeitig viele offene Ausbildungsstellen und einen riesigen Fachkräftemangel zu verzeichnen. Insgesamt ist die Erwerbstätigenzahl in Deutschland so hoch wie nie. Wir haben deutlich über 43 Millionen Erwerbstätige. Das sind rund vier Millionen mehr als vor zehn Jahren, als ich das letzte Mal bei Ihrem Gipfel war. Das ist durchaus eine deutliche Zunahme der Beschäftigung. Fast drei Millionen der 43 Millionen sind im Tourismussektor beschäftigt.
Sie haben darauf hingewiesen: Auch bei der Integration von Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt geht Ihre Branche mit gutem Beispiel voran. Das Gastgewerbe bietet im Vergleich zu anderen Wirtschaftszweigen überproportional vielen Menschen, die neu bei uns sind, eine Arbeit an. Um nicht zuletzt die Aufnahme einer Ausbildung oder Beschäftigung zu erleichtern, haben wir vor kurzem das Integrationsgesetz verabschiedet. An erster Stelle steht der Erwerb von Sprachkenntnissen.
Wir haben neulich im Kanzleramt eine umfängliche Gesprächsrunde mit Unternehmern über die Frage gehabt, wo es noch hapert. Wir haben zum einen die Möglichkeiten des Spracherwerbs in den Integrationskursen. Dabei geht es nur um ein Grundniveau. Zum anderen bietet die Bundesagentur Kurse für eine fachspezifische Sprachausbildung an. Meine Bitte an Ihren Verband ist, hierbei das enge Gespräch mit der Bundesagentur, mit dem Bundesarbeitsministerium und auch dem Kanzleramt zu suchen, um deutlich zu machen, wo es aus Ihrer Sicht hapert und was man besser machen müsste. Wir wissen natürlich, dass bei der Berufsausbildung die Berufsschule für diejenigen, die der deutschen Sprache nicht mächtig sind, schon eine große Hürde ist.
Ich habe in meinem Wahlkreis mit Jugendlichen aus Spanien, Griechenland und Portugal gesprochen, denen das Förderprogramm „MobiPro“ zugutekam. Wenn sie mir aus der Berufsschule erzählten und davon, wie sie mithilfe von irgendwelchen Sprachdiensten im Internet versuchten, Begriffe wie Kasserolle und Schnellkochtopf zu übersetzen, dann zeigte sich, wie groß die Herausforderung durchaus ist. Das heißt, wir müssen uns auch überlegen, wie wir in den Curricula die Übersetzung von Fachwörtern noch besser berücksichtigen könnten. Denn das bieten die allgemeinen Wörterbücher oft gar nicht an. Gerade bei der theoretischen Ausbildung in der Berufsschule müssen wir uns noch einiges einfallen lassen, damit die jungen Menschen die Prüfungen auch wirklich bestehen können.
Wir haben ein Arbeitsmarktprogramm aufgelegt, das bis 2020 laufen soll und 100.000 zusätzliche Arbeitsgelegenheiten schaffen soll. Das dürfte für Ihre Branche im Allgemeinen nicht so sehr infrage kommen. Aber hiermit versuchen wir, Flüchtlinge erst einmal in Arbeit zu bringen, um ihnen die Möglichkeit zu geben, sich auch sprachlich fortzuentwickeln, um dann eine bessere Chance zu haben, im betrieblichen Bereich eingesetzt zu werden. Wir haben Orientierungspraktika, die ohne Mindestlohn auskommen, um Einblicke in ein ungewohntes Arbeitsumfeld zu gewähren. Und wir haben in den meisten Arbeitsagenturbezirken – das ist ganz wichtig – die Vorrangprüfung abgeschafft. Viele von Ihnen waren in einer Zeit das erste Mal im Jobcenter oder in einer Arbeitsagentur, als die Vorrangprüfung noch galt, und sind dann etwas entnervt weggegangen. Deshalb lautet meine Bitte, jetzt, nachdem in der überwiegenden Zahl der Arbeitsagenturbezirke die Vorrangprüfung weggefallen ist, es doch noch einmal zu versuchen. Der Weg lohnt sich.
Wir müssen uns natürlich erst an die neuen Gegebenheiten gewöhnen, haben aber bereits viele praxisrelevante Schritte eingeleitet. Meine Bitte, Herr Frenzel: Wenn es irgendwo knirscht und es ein systemisches Problem zu geben scheint, dann lassen Sie uns das schnell wissen. Wir sind wirklich gewillt, wo immer möglich, neue Wege zu gehen.
Wir gewährleisten mit „3 plus 2“ – Ausbildung plus zwei Jahre Möglichkeit der Beschäftigung – während dieser Zeit Rechtssicherheit. Das heißt, niemand muss Angst haben, dass Flüchtlinge mit einem noch nicht dauerhaften Aufenthaltsstatus die Ausbildung abbrechen müssen. Ich möchte das Ganze damit abrunden, dass ich mich bei den vielen, die sich ehrenamtlich, zusätzlich und mit viel Leidenschaft der Integration der Flüchtlinge widmen, ganz herzlich bedanke. Das ist eine tolle gesellschaftliche Leistung. Herzlichen Dank dafür.
Ich will das durch die Aussage ergänzen, dass wir alles daransetzen müssen, dass sich eine Situation wie die im Spätsommer des letzten Jahres nicht wiederholt. Es waren damals im Grunde alles Flüchtlinge, die auf dem Weg der illegalen Migration durch Schlepper, durch Schleuser nach Europa gekommen sind. Es hat unzählige Todesopfer gegeben. Menschen sind im Mittelmeer oder in der Ägäis ertrunken. Das heißt, wir haben – um der Menschen willen – auch im Kampf gegen Korruption und Schlepperei die Verantwortung und auch die Pflicht, dass wir entweder legale Wege finden, die Menschen zu uns zu lassen, oder aber Wege finden, die Fluchtursachen zu bekämpfen, bzw. dafür sorgen, dass die Menschen in der Nähe ihrer Heimat eine gute Aufenthaltsmöglichkeit haben.
Das EU-Türkei-Abkommen ist ein Schlüssel, um Illegalität zu bekämpfen und der Legalität den Vorrang zu geben. Das heißt im Klartext: Wir unterstützten syrische Flüchtlinge an der türkisch-syrischen Grenze. Das heißt, wir schicken aus Europa diejenigen zurück, die illegal über die Ägäis gekommen sind, und im Gegenzug haben wir Kontingente von Flüchtlingen, die legal nach Europa kommen, sodass klar wird: Illegal habe ich keine Chance. Das sind Mechanismen, die wir auch mit Blick auf andere Länder, zum Beispiel Ägypten oder auch Tunesien, einführen müssen.
Genauso wichtig ist es, dass wir deutlich machen und denjenigen, die kein Bleiberecht in Deutschland haben, sagen: Ihr müsst unser Land wieder verlassen. Das klappt inzwischen im Zusammenhang mit den Herkunftsländern auf dem westlichen Balkan recht gut. Wir müssen noch viel Arbeit hineinstecken, wenn es um die Herkunftsländer in Afrika geht, aus denen wir natürlich auch zahlreiche Migranten haben.
Es ist wichtig, parallel dazu den afrikanischen Ländern, den Menschen in Afrika Perspektiven zu geben. Der afrikanische Kontinent ist unser Nachbarkontinent. Der afrikanische Kontinent hat eine demografische Entwicklung, die sich genau umgekehrt zu der unsrigen vollzieht. Ich habe es mir neulich einmal genauer angeschaut: Niger ist das Land, durch das 90 Prozent der Flüchtlinge gehen, die nach Libyen kommen und versuchen, von dort mithilfe von Schleppern nach Italien zu kommen. Die nigrische Bevölkerung hat ein Durchschnittsalter von 15,2 Jahren. Die Bevölkerung in Deutschland hat ein Durchschnittsalter von 44,9 Jahren. Niger hat ein Bevölkerungswachstum von 3,9 Prozent. Nach gegenwärtigem Stand verdoppelt sich die Bevölkerung alle 20 Jahre. Sie können sich vorstellen, vor welchen Aufgaben wir stehen. Wir müssen diesen Ländern Perspektiven geben. Wir müssen sie auch zu besserer Regierungsführung anhalten. Das heißt, wir werden mehr für Entwicklungshilfe ausgeben müssen, aber wir müssen auch die Mechanismen durchdenken, mit denen wir dann auch wirklich Erfolge erzielen.
Eine Möglichkeit der wirtschaftlichen Entwicklung von afrikanischen Ländern und Ländern in anderen Regionen der Welt ist der Tourismus. Der Tourismus hat in diesen Ländern einen erheblichen Anteil an der Erwirtschaftung des Bruttoinlandsprodukts. Sie haben soeben darauf hingewiesen, wie viele Arbeitsplätze Tourismus schafft. Wir sehen am Beispiel Tunesiens und anderer Länder, was es für die wirtschaftliche Entwicklung dieser Länder bedeutet, wenn Sicherheitsfragen ins Spiel kommen.
Das heißt also: Die Zunahme des Tourismus birgt eine Vielzahl von Chancen, aber natürlich geht es auch um Fragen nachhaltiger Entwicklung. Themen wie Energieverbrauch, Klimabelastung, Gefahren für Ökosysteme und Biodiversität sind dabei auf der Tagesordnung. Deshalb geht es auch um einen nachhaltigen Ausbau der Branche. Wie wichtig das Thema Nachhaltigkeit ist, unterstreicht nicht zuletzt die Welttourismusorganisation UNWTO. Der Generalsekretär – Herr Frenzel hat es mir erzählt – hat auf Ihrem Gipfel schon gesprochen. Morgen ist der Welttourismustag. Ich denke, es ist wichtig, die Nachhaltigkeitsaspekte im Tourismus noch stärker in den Mittelpunkt zu rücken, als das jetzt schon der Fall ist.
Die Weltgemeinschaft hat bei allen riesigen Problemen, die wir haben, im letzten Jahr zwei große Ergebnisse erzielt. Das ist einmal die Agenda 2030, mit der wir den Hunger auf der Welt abschließend bekämpfen wollen, mit der wir uns Entwicklungsziele setzen – nicht mehr nur für Entwicklungsländer, sondern auch für hochentwickelte Länder wie Deutschland. Und wir haben das Klimaschutzabkommen abgeschlossen. Das war auch ein großer Schritt.
Ich denke, es ist wichtig, auch im Tourismusbereich noch mehr auf lokale Kultur, auf lokale Produkte und Dienstleistungen zu setzen, um daraus echte Entwicklungschancen zu machen. Das bedeutet für die Reiseveranstalter, dass man bei der Organisation, bei der Werbung für bestimmte Angebote neue und immer anspruchsvollere Wege gehen muss. Ich möchte den vielen, die das heute schon tun, von meiner Seite ganz herzlich danken. Sie sind in bestimmter Weise Entwicklungshelfer.
Wir haben Entwicklungshilfe sowieso viel zu lange als eine staatliche, caritative Aufgabe angesehen. Für die Länder, die sich aus absoluter Armut herausgekämpft haben, war und ist der Schlüssel die wirtschaftliche Entwicklung vor allem aus eigener Kraft. Niemand wird so viel Steuergelder in die Entwicklungshilfe geben können, wie eine prosperierende eigene Wirtschaft in diesen Ländern zustande bringt. Und auf nichts kann man mehr Selbstbewusstsein aufbauen als darauf, dass diese Länder Schritt für Schritt von Hilfen unabhängig werden und selber ihre Steuereinnahmen erwirtschaften können.
Wir, die Tourismusbranche und die Bundesregierung, sitzen hierbei sozusagen in einem Boot. Wir haben ein Ziel. Sie wollen Menschen neue Horizonte eröffnen, ihnen neue Einsichten gewähren und ihnen auch schöne Stunden verschaffen. Und wir haben ein Interesse daran, dass sich die wirtschaftliche Ungleichheit auf der Welt nicht dauernd verschärft, sondern dass alle Regionen der Welt Entwicklungschancen haben.
Insofern: Danke für die Zusammenarbeit. Danke auch für die Einladung. Natürlich weiß auch ich als gelegentlicher Urlauber, wie gut es ist, wenn man gute Reiseveranstalter und Angebote hat. Herzlichen Dank und alles Gute.

Volltext nach Login

Von admin

Schreibe einen Kommentar