Klinkner: Der Mobilitätsstandort Deutschland braucht innovative Ausschreibungen, eine solide Infrastrukturfinanzierung und Bürokratieentlastung

„Die Zukunft der Mobilität hat bereits begonnen. Die deutsche Branche ist hochinnovativ und Weltmarktführer, die Innovationen sind technologisch mehr als marktreif. Was fehlt, ist eine gezielte Industriepolitik, die den Fortschritt stärkt und die Transformation des Sektors aktiv unterstützt. Dies gelingt mit innovativen Ausschreibungsmodellen, wie etwa die Lebenszyklusbetrachtung, einer soliden Finanzierung der Infrastrukturen und einer wirksamen Bürokratieentlastung“, so der Appell vom DVF-Präsidiumsvorsitzenden Prof. Dr.-Ing. Raimund Klinkner anlässlich des 40-jährigen Jubiliums des Wirtschaftsverbands.

„Der Kompass für die Branche, Politik und Gesellschaft ist seit der Gründung des DVF vor 40 Jahren unverändert: Ein leistungsfähiges, nachhaltiges, bezahlbares und sicheres Mobilitätssystem“, erinnerte der Präsidiumsvorsitzende.

Auf der Jubiläumsveranstaltung wurde mit hochkarätigen Gästen aus Wirtschaft und Politik über die Zukunftsfähigkeit der Mobilitätsbranche diskutiert. Dabei mahnte Klinkner mehr Verbindlichkeit seitens der Politik an: „Marode Infrastruktur, mangelnde Digitalisierung, überzogene Bürokratie und Abgaben bei gleichzeitiger Kürzung von Fördermitteln und Investitionen in Verkehrswege bremsen die Unternehmen aus. Mehr Infrastruktur für den Euro ist heute dringender denn je und es ist machbar! Sei es über Finanzierungsvereinbarungen, Sondervermögen oder öffentlich private Partnerschaften – diese Instrumente muss der Bund nutzen.“

Oliver Luksic MdB, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium für Digitales und Verkehr dankte dem DVF für 40 Jahre kontinuierlicher Arbeit für den Mobilitätsstandort Deutschland. „Das DVF ist eine starke Stimme, die auch sachlich-konstruktiv kritisiert. Herausforderungen sind dabei etwa der Zustand der Infrastruktur, der Bürokratieabbau und langfristige Finanzierung. Daher begrüße ich es, dass das DVF alternative Finanzierungsmodelle wie Fonds thematisiert.“

Der Staatssekretär wies auf die vielen Maßnahmen seitens der Bundesregierung hin, um die Infrastrukturdefizite aufzuholen, sei es bei den Brücken, im Schienenbereich oder der Wasserstraße. Die deutschen Seehäfen sollten laut Luksic als Energiehubs ausgebaut und wettbewerbsfähiger werden. Dafür müssten die Hinterlandanbindungen verbessert werden. Zudem brauche es ein neues Denken in der Datenpolitik, um Raum für Innovationen zu schaffen.

Zur Infrastrukturfinanzierung forderte Prof. Dr. Veronika Grimm, Professorin für Energiesysteme und Marktdesign an der Technischen Universität Nürnberg, Mitglied des Sachverständigenrates Wirtschaft, eine stärkere Priorisierung: „Es ist entscheidend, die bestehenden Infrastrukturen für die Mobilität zu verbessern und neue Infrastrukturen auszubauen. Dafür braucht es auch öffentliche Mittel. Der Spielraum für Verschuldung ist allerdings begrenzt. Es muss im Haushalt eine Priorisierung gelingen, um zukunftsorientierte Themen in den Blick nehmen zu können. Darüber hinaus sollte man über eine Nutzerfinanzierung von Infrastrukturen nachdenken. Das verbessert die Anreize bei der Nutzung und generiert zusätzliche Finanzmittel für Ausbau und Instandhaltung.“ Um die Verkehrswende zu erreichen, sei es entscheidend, den Ausbau der Infrastrukturen voranzubringen und die Attraktivität der Elektromobilität zu erhöhen.

Mit Blick auf den Mobilitätsstandort unterstrich Dr. Patrick Nathen, Co-Gründer & Chief Development Engineer bei der Lilium GmbH, dass die Luft- und Raumfahrt in Deutschland eine lange Tradition habe: „Lilium plant für 2026 die Markteinführung von senkrechtstartenden Batterieflugzeugen für bis zu sechs Personen. Auf dieser Basis werden wir das Produkt skalieren und die Technologie, wie unsere Hochleistungsbatterien, weiterentwickeln. Unser Zukunftsvision ist eine neue Familie nachhaltiger Flugzeuge zuerst für den Regionalverkehr, später auch für den internationalen Verkehr mit bis zu 80 bis 100 Passagieren. Gleichzeitig werden es unsere Batterien in 20 Jahren ermöglichen, dass E-Flugzeuge Reichweiten bis zu 2.000 km erreichen können. So werden wir den Luft- Raumfahrtstandort Deutschland als weltweiten Vorreiter platzieren.“

Zum Thema Mobilitätsverhalten zeigte Lisa Ecke, Akademische Mitarbeiterin, Institut für Verkehrswesen am KIT Sprecherin Pegasus, Netzwerk für Mobilitäts- und Verkehrsforschung, die Ergebnisse aus einer Langzeitstudie auf, in der Menschen in Deutschland von 1994 bis 2022 zu ihrem Mobilitätsverhalten befragt wurden. „In den letzten Jahrzehnten konnten Veränderungen im Mobilitätsverhalten beobachtet werden. So hat sich der Pkw-Bestand in den letzten 20 Jahren in deutschen Haushalten erhöht. Das Augenmerk sei dabei auf ältere Männer und Frauen gelegt sowie auf Personen mittleren Alters, die durch Zusatzmotorisierungen im Haushalt heute einen eigenen Pkw zur Verfügung haben und entsprechend nutzen können. Alternative Pkw-Besitz Konzepte wie Carsharing sind vor allem im urbanen Raum zu finden, erreichen aber nur einen bestimmten Teil der Bevölkerung.“

Zukunft der Mobilität

Der Sektor leiste eine nie dagewesene Transformation, so Klinkner. „Schauen wir 40 Jahre voraus in das Jahr 2064, dann müssten wir seit 14 Jahren klimaneutral sein. Wie soll das funktionieren? Der Bund muss endlich in die Umsetzung kommen und seinen Ankündigungen Taten folgen lassen etwa beim schnellen Aufbau der Ladeinfrastruktur, Versorgung mit sauberen Kraftstoffen, Ausrüstung der Häfen für die Energielieferung, den Schienenverkehr und die Wasserstraße für den Transport von Wasserstoff, Derivaten und CO2.“

Nathen: „Vor 40 Jahren 1984, als das DVF gegründet wurde, gab es unsere Technologie, das senkrechtstartende Batterieflugzeug, nur in den Jetsons Comics als science fiction. Heute bauen wir diese Flugzeuge und wissen, dass es möglich ist. Unsere Wettbewerber finden in ihren Ländern Technologieoffenheit und staatliche Förderung. Da muss Deutschland noch besser werden.“

Für Ecke wird die zukünftige Mobilität komfortabler werden, etwa über autonomes Fahren und Digitalisierung, die auch den Zugang zur Mobilität für maximal viele Menschen ermöglicht. Hier müsse die Politik alle Kraftanstrengungen unternehmen, dass Mobilität für alle zugänglich ist. Auch für den Güterverkehr sah Ecke hohe CO2-Einsparpotenziale über neue Antriebstechnologien und Digitalisierung.

Grimm wies darauf hin, dass die Stromkosten aufgrund des Marktdesigns auch in Zukunft trotz Ausbau der Erneuerbaren Energien hoch blieben. Deshalb sei eine rechtzeitige Zunahme des Wasserstoffimportes notwendig, um die Energiepreise auch für den Mobilitätssektor stabil zu halten.

 

Einführungsrede Prof. Dr.-Ing. Raimund Klinkner

anlässlich der 40. Mitgliederversammlung des Deutschen Verkehrsforums

 

Sehr geehrter Herren Staatssekretäre Luksic und Theurer, sehr geehrte Abgeordnete des Deutschen Bundestages, sehr geehrte Podiumsteilnehmerinnen und -teilnehmer des heutigen Abends: Frau Professorin Grimm, Frau Ecke, Herr Nathen, Herr Reimann, liebe Vertreterinnen und Vertreter der Mitgliedsunternehmen des DVF, meine sehr geehrten Damen und Herren,

ich darf Sie zum öffentlichen Teil der 40. Mitgliederversammlung des Deutschen Verkehrsforums herzlich willkommen heißen. Wir freuen uns sehr, dass Sie heute – an diesem für das DVF besonderen Datum – unsere Gäste sind. Den runden Geburtstag wollen wir gemeinsam mit Ihnen feiern. Und wir wollen den Abend für eine Bestandsaufnahme nutzen: Wo steht der Verkehrssektor in Deutschland heute? Wie gehen wir die Herausforderungen der Zukunft an?

Herr Staatssekretär Luksic, wir freuen uns sehr, dass Sie in Vertretung von Bundesminister Dr. Wissing die Keynote übernehmen.

Lassen Sie uns einen kurzen Blick zurückwerfen – auf den Moment der Entstehung des DVF. Als am 10. September 1984 das „Verkehrsforum Bahn e. V.“ auf Initiative der so genannten Deutschland AG gegründet wurde, war daran zunächst eine kleine, aber bedeutende Gruppe von Unternehmen beteiligt – darunter Siemens, Schenker und die BLG, die heute noch wichtige Mitglieder des DVF sind. Damit war die Mobilitäts-DNA von Anfang an mit an Bord.

Sie haben vielleicht die LinkedIn-Postings mit der Zeitreise „40 Jahre DVF“ verfolgt und die Bilder von Hermann-Josef Abs und anderen Gründungsvätern des DVF gesehen. Gemeinsames Motiv war das Verantwortungsbewusstsein der deutschen Wirtschaft, dass wir ein leistungsfähiges, gut vernetztes Bahnsystem benötigen – eine Zielsetzung, die im Kern unverändert gültig und hochaktuell ist.

Die damalige Bundesbahn war eine Behörde. Es ging darum, die Bahn zu reformieren, zu modernisieren und zu einem starken Partner der Industrie zu machen. Diesen wichtigen Prozess zu begleiten und mitzugestalten – das war das erste große Thema des Verkehrsforums.

Die Dynamik und der Erfolg dieses Ursprungsgedankens haben die Beteiligten dann sehr schnell zu der Überzeugung kommen lassen, dass das Verkehrsforum noch etwas anderes, größeres sein kann und sein sollte: nämlich die übergreifende, zentrale Interessenvertretung des gesamten Verkehrssektors und aller verkehrsaffinen Unternehmen in Deutschland.

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