Auf diesen Moment haben meine Frau und ich drei Jahre gewartet: Endlich ist dieser Park wieder voll mit Menschen aus allen Teilen unseres Landes, endlich können wir uns hier wieder begegnen, gemeinsam essen, trinken, tanzen und feiern! Nach der langen Coronapause kann Bellevue endlich wieder das sein, was es ist: Ein offenes Schloss, ein Ort der Demokratie, der allen Bürgerinnen und Bürgern dieses Landes gehört.

Meine Frau und ich, wir freuen uns riesig, dass Sie heute hier sind. Es ist Ihr Fest, das wir heute und morgen zusammen feiern: ein Fest des Gemeinsinns, ein Fest der Vielfalt, ein Fest der offenen Gesellschaft. Seien Sie ganz herzlich willkommen hier in Bellevue!

Die Schar der Gäste ist heute wieder größer, aber die Sorgen, die uns umtreiben, sind nicht kleiner geworden.

Wir wissen, in der kalten Jahreszeit wird Corona unseren Alltag wieder stärker bestimmen. Wir erleben seit einem halben Jahr, wie Russlands brutaler Angriffskrieg Zerstörung, Leid und Tod über die Menschen in der Ukraine bringt. Und wir erleben, dass dieser verbrecherische Krieg Folgen für große Teile der Welt hat: Die Preise für Lebensmittel und Energie steigen, Versorgungsengpässe zeichnen sich ab, in ärmeren Ländern des Südens drohen Hungersnöte. Auch bei uns in Deutschland fragen sich viele Menschen, ob sie gut durch Herbst und Winter kommen werden.

Nicht zuletzt haben wir in diesem Sommer, ein Jahr nach der Flutkatastrophe im Ahrtal, die Folgen der Erderwärmung am eigenen Leib zu spüren bekommen. Hitze und Dürre, Wasserknappheit und Waldbrände, all das macht uns bewusst, dass der Klimawandel nicht erst in zehn, zwanzig oder dreißig Jahren stattfindet – sondern jetzt.

Krisen und Katastrophen, ein Krieg mitten in Europa: Wir leben in einer Zeit schwerer Erschütterungen. Vieles ist ins Rutschen geraten, vieles unsicher und ungewiss geworden. Es ist eine Zeit, in der wir in Politik und Gesellschaft umdenken und umsteuern müssen, wenn wir möglichst vielen Menschen ein Leben in Frieden, Freiheit und Würde ermöglichen wollen, heute und in Zukunft, bei uns und weltweit.

Jetzt ist die Stunde der Politik, die Stunde von demokratischer Öffentlichkeit, Parlament und Regierung. Dass wir in diesen Wochen um politische Lösungen ringen, das ist kein Zeichen der Schwäche, sondern ein Zeichen der Stärke unserer Demokratie! Zugleich ist es aber die Aufgabe von Parlament und Regierung, inmitten der Krise wirksame – und schnelle – Entscheidungen zu treffen. Es liegt in ihrer Verantwortung, dass sich in unserem Land niemand zurückgelassen fühlen muss!

Jetzt ist auch die Stunde der Mitmenschlichkeit. Wir spüren in diesen Wochen einmal mehr, wie sehr wir aufeinander angewiesen sind. Wir erfahren, dass es niemandem besser geht, wenn jeder nur sein eigenes Fortkommen im Blick hat. Uns wird bewusst, dass wir uns einander zuwenden, miteinander ins Gespräch kommen, aufeinander achtgeben müssen. Und dass wir vor allem für diejenigen da sein müssen, die sich nach Trost und Halt sehnen, die Hilfe und Unterstützung benötigen.

Ja, wir brauchen einen leistungsfähigen und unterstützenden Staat, wir brauchen Bildung und Wissenschaft, wir brauchen technologische und wirtschaftliche Innovationen, um die großen Herausforderungen dieser Zeit zu meistern. Aber wir brauchen eben auch das Engagement von Bürgerinnen und Bürgern. Gemeinsinn und gemeinnütziges Tun liefern uns die Energie, die Kraft und die Wärme, die wir brauchen, um gut durch die kommenden Monate und Jahre zu kommen!

Sie alle hier im Park verbreiten diese Energie, diese Kraft, diese Wärme! Sie alle stiften Nähe und Gemeinschaft. Sie alle machen Mut, dass wir die Dinge gemeinsam zum Besseren verändern können!

Es ist großartig, Sie alle hier zu sehen: So viele Menschen aus ganz Deutschland, die sich um mehr kümmern als nur um sich selbst. Die Zeit schenken für das gemeinsame Ganze. Die sich engagieren in Vereinen, Verbänden und Initiativen, in Stadt- und Gemeinderäten, in Kirchen und Religionsgemeinschaften – und das oft schon seit vielen, vielen Jahren!

Sie alle hier im Park stehen für die große Vielfalt des bürgerschaftlichen Engagements in unserem Land. Sie schicken Hilfsgüter in die zerstörten Städte der Ukraine, organisieren Unterkünfte für geflüchtete Familien, helfen Geflüchteten beim Ankommen. Sie unterstützen notleidende Menschen in Afrika und Asien, haben einen Blick für Menschen in Ihrer Nachbarschaft, die krank oder einsam sind und vergeblich auf Besuch warten.

Sie sorgen dafür, dass ihr Dorf oder ihr Stadtteil lebenswert bleibt, schützen Natur, Umwelt und Klima. Sie streiten gegen Ausgrenzung und Menschenfeindlichkeit, fördern Respekt und Vernunft, stärken die demokratische Debattenkultur, gewinnen Menschen für die Politik. Sie pflegen regionales Brauchtum, halten die Erinnerung an unsere Geschichte wach, leiten Chöre und Orchester, trainieren die Jungs und Mädchen im Fußballverein, begeistern Menschen für Kultur und Sport.

Hier bei uns im Park sind heute auch Frauen und Männer, die freiwillig Dienst leisten bei der Feuerwehr, dem Technischen Hilfswerk oder dem Roten Kreuz. Und wir haben Feuerwehrleute aus Sachsen, Brandenburg und Berlin hier, die mitgeholfen haben, die Brände in der Sächsischen Schweiz, im Elbe-Elster-Kreis und im Grunewald zu löschen.

Ich finde, all diese Männer und Frauen, die ihr Leben riskieren, um Feuer zu löschen, Keller auszupumpen, Verletzte und Verschüttete zu bergen, auch sie haben heute besondere Anerkennung verdient. Liebe Feuerwehrleute, Katastrophenhelfer und Lebensretter: Ihnen allen gilt ein riesiges Dankeschön!

Was mich ganz besonders freut: Unter uns sind heute auch viele Jugendliche und junge Erwachsene, die sich freiwillig engagieren. Sie gehören zu einer Generation, die besonders unter der Corona-Krise gelitten hat, sie werden in einer alternden Gesellschaft größere Lasten schultern müssen, und sie werden stärker unter dem Klimawandel leiden als wir Älteren. Und trotzdem oder gerade deshalb sagen diese jungen Menschen: Wir wollen nicht mehr warten und auf andere hoffen! Wir wollen selbst etwas tun, uns einbringen und Verantwortung übernehmen!

Liebe junge Engagierte, ohne Euch, ohne Sie sähe unser Land ganz schön alt aus! Deshalb haben wir dieses Bürgerfest besonders den Jugendlichen und jungen Erwachsenen gewidmet. Und ich finde, alle jungen Menschen, die sich für das Gemeinwohl einsetzen, haben heute Nachmittag einen donnernden Applaus verdient!

Liebe Gäste, für Sie alle ist Engagement Ehrensache. Und das Beste ist: Sie sind nicht allein. Sie stehen stellvertretend für Millionen Menschen in unserem Land, die sich freiwillig engagieren. Millionen Menschen, aus allen Altersgruppen und allen Teilen der Gesellschaft!  Diese engagierten Bürgerinnen und Bürger sind der größte Schatz, den Deutschland zu bieten hat. Ihnen allen meinen herzlichen Dank, im Namen unserer Republik!

Es sind viele, die freiwillig Gutes tun. Aber nicht wenige von Ihnen erleben in Ihren Vereinen und Organisationen auch, dass es an Nachwuchs für das Ehrenamt mangelt. In einem alternden Land altert auch das Ehrenamt, das Rückgrat unserer Gesellschaft droht schwächer zu werden – und das gerade in einer Zeit, in der wir noch mehr Engagement von Menschen für Menschen brauchen, um gut durch die Zeit der Krisen und Veränderungen zu kommen!

Aber die Demokratie braucht ein starkes Rückgrat! Wir brauchen auch in Zukunft mehr engagierte Bürgerinnen und Bürger, um das Miteinander in unserem Land zu stärken – nicht nur in der Krise, sondern auf Dauer! Wie wir das hinkriegen, darüber müssen wir reden, offen und rechtzeitig, solange die Strukturen noch bestehen!

Ehrenamtliches Engagement ist keine Zumutung, es ist auch nicht Verzicht auf eigene Entfaltung. Sie alle hier erleben es ja Tag für Tag: Bürgerschaftliches Engagement weitet den Blick, verändert Perspektiven, fördert Verständigung und Respekt, schafft Freundschaften und stiftet Sinn. Sich für andere einzusetzen, kostet Zeit, Kraft und Nerven, ja – aber es macht eben auch Freude, und es lohnt sich, für einen selbst und für die ganze Gesellschaft!

Ich weiß, die meisten von Ihnen hier tun Gutes, ohne viel darüber zu reden. Wenn ich Engagierten danke, höre ich immer wieder den Satz: „Ist doch Ehrensache, ich mach‘ das gern.“ Diese Bescheidenheit ehrt Sie, und ich finde sie sehr sympathisch! Aber ein bisschen weniger Zurückhaltung dürfte es gern sein. Vorbilder wie Sie müssen sichtbar und hörbar sein, damit andere sich an ihnen ein Beispiel nehmen können!

Deshalb ist es toll, dass heute und morgen viele Initiativen, Organisationen und Unternehmen hier im Park ihre ehrenamtliche und gemeinwohlorientierte Arbeit vorstellen werden.

Ich freue mich auch, dass wir den Freistaat Bayern und die Republik Irland als Partner für dieses Bürgerfest gewinnen konnten. Sie bringen ein bisschen Berg- und Meeresluft hier nach Berlin, was mir sehr gut gefällt. Lieber Bayerinnen und Bayern, liebe Irinnen und Iren, Sie stehen für die kulturelle Vielfalt unseres Landes und Europas. Es ist schön, dass Sie heute bei uns sind – Servus und Fáilte!

Ein großes Dankeschön auch an alle anderen Partner, die dieses Bürgerfest mit ihren Ideen, ihrer Umsicht, ihrer Tatkraft überhaupt erst möglich gemacht haben. Ich kann allen Gästen nur empfehlen: Schauen Sie sich um hier im Park, lassen Sie sich treiben und inspirieren, es lohnt sich und macht gute Laune!

Liebe Gäste, dass unser Land ein starkes, ein menschliches, ein freies und demokratisches Land ist, das haben wir engagierten Bürgerinnen und Bürgern wie Ihnen zu verdanken. Wir haben es Ihrem Gemeinsinn zu verdanken, aber auch Ihrer Lebensfreude. Auch diese Lebensfreude macht uns stark, auch sie gilt es in dieser schwierigen Zeit zu verteidigen!

Deshalb: Lassen Sie uns heute und morgen gemeinsam feiern und tanzen. Lassen Sie uns dieses Bürgerfest zu einem Fest des Miteinanders machen, zu einem Fest der Hoffnung!

Ich wünsche Ihnen und uns allen einen wundervollen Abend.

Und jetzt kommt nur noch der Satz, auf den meine Frau und ich drei Jahre lang warten mussten: Das Bürgerfest ist eröffnet!

Von admin