Juan Bros auf der Demo – River Flow fließt am schnellsten – alles „oranje“ im Auktionsrennen – Napsters Monté-Debüt verblüfft selbst den Trainer
Berlin-Mariendorf, Sonntag, 21. Juli 2019.
Es ist angerichtet für das höchstdotierte deutsche Trabrennen des Jahres, das in zwei Wochen zum 124. Mal ausgetragene Derby. Wie tags zuvor bei den Stuten kannten die in den vier Vorläufen gesetzten der 34 eingeschriebenen Hengste und Wallache – eine Stute wagte sich heuer nicht gegen das starke Geschlecht – wenig Erbarmen mit dem Gremium des Veranstalters: Otero purzelte über die Todesspur als Fünfter aus dem Finale, Gladiateur flog in der ersten Kurve im Galopp aus selbiger und damit aus dem Endlauf, und auch Jason Dragons Griff nach der Derby-Krone hing nach einem Startaussetzer am seidenen Faden. Ohne den späten Patzer Ornellos wäre die Finalteilnahme des „Drachen“ kaum zustande gekommen, wobei genau jener die Rennleitung der kniffligen Entscheidung enthob, ihn im Nachgang zurücksetzen oder gar disqualifizieren zu müssen: Marc Elias hatte sich in der ersten Kurve wenig gentlemanlike vor Piet de Wit an die Innenkante gequetscht und den Rivalen dabei zum Galopp genötigt. Es war das einzige grobe Foul der ausufernden 14-Rennen-Karte, das die Stewards mit 500 Euro Geldbuße und 7 Tagen „Zuschauen“ maßgerecht würzten.
Jene, die für die Gemeinten in die Bresche sprangen – wobei die Setzliste wie üblich streng nach den in wichtigen Vorprüfungen gezeigten Resultaten erstellt wurde -, setzten andererseits deutliche Duftmarken. 170:10-Überraschungsgast River Flow erledigte mit 1:13,1 die Pflicht von allen Aspiranten am zügigsten, Juan Bros mit einem unnachahmlichen Sturmlauf, bei dem der Rest um „zwei Weilen“ oder rund 40 Metern kräftig zerzaust wurde, mit dem größten Vorsprung, was fürs Finale grande noch lange kein Freifahrtschein zu ähnlichen Heldentaten ist. Velten von Flevo war mit 1:14,6 der langsamste der Vorlauf-Sieger, was nicht bedeuten muss, dass er für den 4. August um „kurz nach Fünfe“ auch die meisten Körner sparen konnte. Juan Les Pins, der kleine Bruder der unvergessenen Derby-Sieger Unforgettable und Expo Express, war der Einzige, der als Gesetzter und Favorit des Wettvolks die Erwartungen erfüllte – und dies in bestechender Manier.
Mit einem Paukenschlag begann der Vorlauf-Reigen, denn der gesetzte und selbst für den Derby-Sieg im Vorfeld hoch gehandelte Otero war nach einem Run durch die Todesspur an der letzten Ecke gründlich rasiert und wurde mit Ach und Krach Fünfter. Doch auch sein vermeintlich größter Gegenspieler Jaxon Schermer, mit dem sich Michael Nimczyk von River Flow Mitte der ersten Kurve die Führung krallte, kam im Einlauf für keinen der beiden besten Plätze in Frage, obwohl der Varenne-Sohn wie gewünscht frei von der Leber weg marschieren durfte. „Aus der Kiste“ waren River Flow und Thorsten Tietz, die mit 1:13,1 den ersten, nicht mehr übertroffenen Maßstab setzten, ebenso stärker wie der in dessen Fahrwasser gelegene Rancoon, so dass die Bayern-Fraktion eins/zwei war.
Zumindest beim gesetzten 14:10-Favoriten Juan Les Pins stand in Qualifier 2, in dem drei der lediglich sieben Kandidaten das erste Klassenziel „durchgehender Trab“ nicht erreichten und mit roten Karten ausgemustert wurden, die Form 1a. Mit dem Schützling Arnold Mollemas konnte es sich Jaap van Rijn sogar leisten, 1100 Meter vorm Ziel die Führung an Gangster abzutreten und dahinter der Dinge zu harren, die vielleicht kommen sollten. Kamen sie aber bis 600 Meter vorm Ziel, als sich Hollands Nachwuchsstar nach außen orientierte, nicht. Der Rest war ein Kinderspiel für den Schwarzbraunen, „der noch recht unerfahren ist und mit jedem Start gewaltig dazu lernt. Er kann mal ein richtig Guter werden“, wie van Rijn befand. Leichtfüßig flitzte er in 1:13,3 1½ Längen vor Jackpot of Steel und Gangster durchs Ziel. Als Vierter war ManU zugleich Letzter.
Realität wurde in Vorlauf 3, was die Kiebitze aus Italien über Juan Bros zu berichten wussten, der, obwohl nicht gesetzt, bei 16:10 „wie Wasser“ gehandelt wurde. Alessandro Gocciadoro, der nur mit extrem chancenreichen Kandidaten auf Reisen geht, stellte ihn und sich erstmals in Deutschland vor – und das ungemein beeindruckend. 500 Meter leistete Roland Hülskath mit Orkan von Haithabu Widerstand, dann ließ er den wie aus dem Ei gepellt daherkommenden Muscle-Mass-Sohn vorbei, mit dem „Alex“ auf den finalen 800 Metern zur Solo-Show anhob. In Windeseile vergrößerte sich der Vorsprung und betrug am Zielstrich, den er in 1:13,4 erreichte, gepflegte 40 Meter vor Real Perfect, der den Windschatten Orkan von Haithabus trefflich nutzte. Dem Europabummler ging für Platz zwei etwas die Luft aus, als dritter Finalist war er jedoch ungefährdet. Eines gab Gocciadoro, Herr über rund 120 Traber, bei der stürmischen Siegerehrung den Besuchern mit auf den Weg: „In 14 Tagen holen wir uns das Blaue Band.“ Der gesetzte Gladiateur war im ersten Bogen aus dem Takt geraten.
Auch im 4. Qualifier hatte der Veranstalter mit seiner Setzliste wenig Glück, denn Jason Dragon begann im Galopp, was ihn 30 Meter und eine gute Rennlage kostete. Robin Bakker kam mit dem Bot-Schützling lediglich im dritten Paar außen unter. Wie am Samstag bei den Ladys präsentierte sich Rick Ebbinge in weltmeisterlicher Form, hielt mit Velten von Flevo an der „1“ die Pole Position eisern fest und durfte zwei extrem langsame Abschnitte vorlegen. Fast selbstverständlich hatte der Dunkelbraune von Eishockey-Legende Bernie Johnston auf den finalen 600 Metern so viele Reserven, dass er sich in 1:14,6 überlegen auf 2½ Längen abzusetzen vermochte. Endgültig in trockenen Tüchern war der Sieg des Hamburger Winterfavoriten, als sich Ornello im Bemühen, ihn vom Sockel zu stoßen, 100 Meter vorm Ziel überging und wie Caprioso disqualifiziert wurde. Den Ausfall dieses Duos nutzten Place Royal und Jason Dragon, für den nach dem anfänglichen Lapsus das Erreichen des Endlaufs oberste Maxime war, zu den Rängen zwei und drei. Flüsterfavorit Jambers ging in der Todesspur unter.
Oranje boven im Vierjährigen-Auktionsrennen
Fest in niederländischer Hand war das erstmals ausgetragene Equine-Auktionsrennen um 30.000 Euro für all jene Vierjährigen, die bei der Derby-Jährlingsauktion 2016 in den Ring gekommen waren. Von den in Nordeuropa und Frankreich gestählten Officer Stephen, Very Impressive S und Great Gatsby As erschwerte sich der „beeindruckende“ Hengst Cees Kammingas die Aufgabe durch einen Fehler beim Beschleunigen des Startautos, wogegen der Officer sofort die Kontrolle übernahm und der aus der zweiten Startreihe blendend durchs vordere Getümmel schneidende Great Gatsby As im ersten Bogen den Platz in seinem Windschatten ergatterte. Dort blieb Robin Bakker bei extrem gemächlichem Tempo auch liegen, als gegenüber Charmeur Royal und Copernikus die Bude zuzunageln begannen. Als Dion Tesselaar das Tempo für den letzten Abschnitt forcierte, war es um die kecken Underdogs rasch geschehen. In die Suppe spucken ließ sich der mächtige Officer vom passend freikommenden Great Gatsby As nicht mehr, und dahinter reichte es tatsächlich für den speedigen Very Impressive S noch zu Bronze. Den totalen Triumph der Oranjes machte mit Saisondebütantin Isabella Boshoeve, Tesselaars zweite Waffe perfekt.
Zum Auftakt, dem Finale des Handicap de Luxe, gab’s wie bei diesem Meeting üblich den Sieg des Favoriten, bei dem allein die Frage war, ob er den Bänderstart ohne Fehl und Tadel hinbekommen würde. Errakis begann zwar vorsichtig, blieb jedoch im Takt und kreuzte bald schon an der Flanke Goofy Wans auf, den er bis zur letzten Ecke begleitete und sich dann überlegen verabschiedete, ohne dass sich Jörgen Sjunnesson auch nur einmal Sorgen machen musste. Der in Berlin immer prominenter auftrumpfende schwedische Profi scheint den in Frankreich überwiegend durch Galoppaden aufgefallenen Widerspenstigen gemeinsam mit Olaf Schröder allmählich gezähmt zu haben.
Das Rennen der Gewinnarmen wurde eine sichere Beute von San Pardo und Dennis Spangenberg, die Tempomacher Joule VS knackten, dem letzten Ansturm Ibracadabras widerstanden und bei der dritten gemeinsamen Ausfahrt erstmals im Winner Crircle landeten. Einen zweiten Treffer des Nachwuchstrainers verhinderte der Goldhelm. Michael Nimczyk knöpfte ihm mit der kleinen Cora Sun im ersten Bogen die Pole Position ab und widerstand dem Endspurt Don’t forget mes mit einem Lächeln.
Nach längerer Durststrecke fuhr die erfolgsgewöhnte Dr. Marie Lindinger endlich wieder zur Siegerehrung vor. In einer knallharten Eröffnung setzte sie sich mit Seriensieger Provenzano gegen die sich in ihren Windschatten verkrümelnde Tessa durch und konnte dem Wallach fortan die Kräfte optimal einteilen. Auf der Zielgeraden zwei, drei Längen voraus, wurde es dennoch höchste Eisenbahn, dass der rettende Hafen in Gestalt der Ziellinie erreicht war, denn mit Riesenspeed kam Realist angestiefelt und lediglich um einen „Hals“ zu spät. Hoch her ging’s im Kommentatoren-Zirkel nach dem zweiten Treffen der Hobbyfahrer, denn Falco, der sich mit Yanick Mollema trotz des letzten Kilometers durch die Todesspur sicher vor Panasonic Diamant und Los Vascos durchsetzte, gehört Hollands Trabrennsport-Experte Nummer eins Hans-Peter Sinnige.
Eine stolze Serie ging in der Monté-Meile für Sattelspezialist Garry zu Ende, der nach sechs Siegen am Stück geboxt wurde. Verantwortlich dafür war Startreihe zwei hinterm Auto, wodurch Ronja Walter die Explosivität ihres Schützlings nicht auszuspielen vermochte und 40 Meter hinter Napster lag, mit dem Lea Ahokas ihr Reiterherz in beide Hände nahm und mit Volldampf auf die 1609 Meter kurze Reise ging. Auf der Überseite schloss Garry die Riesenlücke, was entscheidende Kräfte kostete. Besser als er kam Charm Evening auf Touren und hätte Napster fast noch erwischt, der im Training unterm Sattel gar nicht recht zu überzeugen gewusst hatte, wie Übungsleiter Jochen Holzschuh zu berichten wusste. „Letztlich ist er hier nur gestartet, weil Besitzerin Kirsten Kleinbrahm darauf bestanden hat.“
„Neese“ waren all jene, die sich im Derby-Pokal der Stuten auf ein heißes Duell zwischen So Keck und dem Pferd mit den meisten Besitzern in Deutschland fokussiert hatten. Der Tietz-Stute wie Hannah Hazelaar aus der Besitzergemeinschaft TraberParti drehte Lucky Lady Blue eine lange Nase. Nach einer Runde von Hannu Voutilainen nach vorn beordert, rannte die Fünfjährige, die mit dem richtigen Bein angefangen hatte, den Beiden auf und davon und verbesserte 2½ Längen voraus ihre Bestmarke um eine volle Sekunde auf 1:13,6. Genauso leichtes Spiel hatte am Sommersonntag ein Eisfink: Jaap van Rijn regierte mit Ijsvink Start-Ziel und beließ dem Abano-As-Sohn einige Körner für weitere Auftritte im zweiten Teil des Meetings.
Das Adieu war mal wieder den Franzosen-Trabern vorbehalten, die mit einem bis zur Linie spannenden Finish überzeugten. Durfte Anne Lehmann lange auf den ersten Deutschland-Sieg ihrer Neuerwerbung Dream Gibus hoffen, der Tempomacher Diego du Bellay an der letzten Ecke zerpflückt hatte, so zerstörte die aus dem Hintertreffen mit Robert Pletschacher spät, aber gewaltig nachsetzende Erha d’Antan den Traum der sympathischen Holländerin auf den letzten Metern, und auch Astasia du Vivier, von der man nach ihrem jüngsten Erfolg doch ein bisschen mehr erwartet hatte, hatte eine ordentliche Hand im Spiel.
Mehr erwartet hatte der Veranstalter auch vom Umsatz. Trotz eines 6.652-Euro-Jackpots in der V7+-Königswette rollten acht Prozent weniger „Rubel“ durch tatsächliche oder virtuelle Wettkassen als im Vorjahr.
Umsatz bei 14 Rennen: 359.736,52 Euro (incl. 219.078,57 Euro Außenwette).
Auf der Mariendorfer-Bahn geht es am 1. August ab 16.30 Uhr mit der Internationalen Derby-Meisterschaft der Amateure und dem Shootingstar-Cup weiter.