Eröffnung der Buchtage: Vorsteher des Börsenvereins kritisiert Kommunikationsüberwachung der USA / Boualem Sansal, Abbas Maroufi und Wilfried Weber sprechen über innere und äußere Freiheit der Buchkultur / Rund 900 Teilnehmer und Gäste auf Buchtagen Berlin 2013 und AKEP-Kongress / Infos unter www.boersenverein.de/buchtage

Die innere und äußere Freiheit der Buchkultur stand im Zentrum der Eröffnung der Buchtage Berlin 2013. Zum Auftakt kritisierte Prof. Dr. Gottfried Honnefelder, Vorsteher des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, die Kommunikationsüberwachung der USA und die Zusammenarbeit amerikanischer Internet-Unternehmen mit dem amerikanischen Geheimdienst NSA. „Wenn wir uns überlegen müssen, was wir sagen und schreiben, dann überlegen wir auch, was wir denken. Damit ist die innere Freiheit berührt. In einer rechtsstaatlichen Gesellschaft ist kein Platz für die Überwachung der Kommunikation. Das gilt auch für die Vereinigten Staaten“, so Honnefelder anlässlich des Staatsbesuchs von US-Präsident Barack Obama. „Die Basis der verlegerischen und buchhändlerischen Tätigkeit ist die Freiheit des Wortes, weltweit. Sie ist damit längst tangiert.“

„Welche Freiheit braucht das Buch?“: Zur Eröffnung haben Boualem Sansal (Friedenspreisträger 2011), Abbas Maroufi (iranischer Verleger und Buchhändler in Berlin) und Wilfried Weber (Buchhandlung Felix Jud) gesprochen.

900 Verleger, Buchhändler und Branchenpartner treffen sich seit Mittwoch in Berlin zu den Buchtagen 2013 und zur Jahrestagung des Arbeitskreises Elektronisches Publizieren (AKEP) im Berliner Congress Center (bcc).

Der Börsenverein des Deutschen Buchhandels ist die Interessenvertretung der deutschen Buchhändler, Zwischenbuchhändler, Antiquare und Verleger gegenüber der Politik und der Öffentlichkeit. Er hat rund 5500 Mitglieder. Gegründet wurde der Börsenverein 1825. Im Zentrum seiner Arbeit steht das Engagement für den Erhalt der Buchpreisbindung und für ein faires Urheberrecht. Der Kultur- und Wirtsch

 
Swetlana Alexijewitsch erhält den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels 2013

Der Stiftungsrat des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels hat die weißrussische Schriftstellerin Swetlana Alexijewitsch zur diesjährigen Trägerin des Friedenspreises gewählt. Das gab Prof. Dr. Gottfried Honnefelder, Vorsteher des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, zur Eröffnung der Buchtage Berlin 2013 bekannt. Die Verleihung findet während der Frankfurter Buchmesse am Sonntag, 13. Oktober 2013, in der Paulskirche statt und wird live im ZDF übertragen. Der Friedenspreis wird seit 1950 vergeben und ist mit 25.000 Euro dotiert.

In der Begründung des Stiftungsrats heißt es: „Den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels verleiht der Börsenverein im Jahr 2013 an Swetlana Alexijewitsch und ehrt damit die weißrussische Schriftstellerin, die die Lebenswelten ihrer Mitmenschen aus Weißrussland, Russland und der Ukraine nachzeichnet und in Demut und Großzügigkeit deren Leid und deren Leidenschaften Ausdruck verleiht. Mit den Berichten über Tschernobyl, über den sowjetischen Afghanistankrieg und über die unerfüllten Hoffnungen auf ein freiheitliches Land nach dem Auseinanderbrechen des Sowjetimperiums lässt sie in der tragischen Chronik der Menschen einen Grundstrom existentieller Enttäuschungen spürbar werden.“

Swetlana Alexijewitsch, geboren am 31. Mai 1948 im westukrainischen Stanislaw (heute Iwano-Frankowsk), arbeitet nach einem Journalistik-Studium zunächst bei einer Lokalzeitung sowie als Lehrerin. Im Jahr darauf arbeitet sie für die »Land-Zeitung« in Minsk und wechselt 1976 als Korrespondentin zum Literaturmagazin »Neman«. Sie versucht sich in verschiedenen literarischen Genres wie Kurzgeschichten, Essays und Reportagen und entwickelt eine literarische Methode, die »eine größtmögliche Annäherung an das wahre Leben« erlaubt, ein Chorus individueller Stimmen als Collage des tagtäglichen Lebens.

Erstmals wendet Alexijewitsch diese Methode in dem Buch »Der Krieg hat kein weibliches Gesicht« an, das sie im Jahr 1983 vollendet. Mit Hilfe zahlreicher Interviews thematisiert sie hier das Schicksal sowjetischer Soldatinnen im Zweiten Weltkrieg. Während der folgenden Auseinandersetzungen mit der Zensurbehörde wird sie angeklagt, die »Ehre des Großen Vaterländischen Krieges« beschmutzt zu haben, und verliert aufgrund ihrer angeblichen »antikommunistischen Haltung« ihre Anstellung. Erst 1985 (dt. 1987) kann es mit Beginn der Perestroika in der Sowjetunion zeitgleich mit ihrem folgenden Buch »Die letzten Zeugen« (1985, dt. 1989) veröffentlicht werden, in dem sie auch die leidvollen Erfahrungen ihrer eigenen Familie im Krieg und während der Stalinzeit schildert.

Wie bei jedem ihrer Bücher arbeitet Alexijewitsch auch an dem folgenden Werk »Zinkjungen« (1989, dt. 1992) mehrere Jahre und führt dabei mehr als fünfhundert Interviews mit Veteranen aus dem sowjetischen Afghanistankrieg und Müttern von gefallenen Soldaten, den so genannten Zinkjungen, deren Überreste in Zinksärgen überführt wurden. Auch wegen dieses Buches steht sie ab 1992 mehrmals ins Minsk vor Gericht, ohne dass es aber zu einer Verurteilung kommt. Nach »Im Banne des Todes« (1993, dt. 1994) folgt ihr Werk über die Reaktorkatastrophe in der Ukraine. »Tschernobyl. Eine Chronik der Zukunft« (1997) ist ein psychologisches Porträt der von der Katastrophe direkt betroffenen Menschen. Gerade wegen der erschütternden Berichte der Betroffenen wird dieses Buch für die Menschen weltweit zu einem Lehrstück im Umgang mit den Folgen einer Atomkatastrophe.

Die Angriffe gegen Swetlana Alexijewitsch durch das weißrussische Regime unter Präsident Lukaschenko verstärken sich. Ihr Telefon wird abgehört, öffentliche Auftritte werden ihr untersagt. Sie geht nach Paris und erhält Stipendien unter anderem für Stockholm und – durch das DAAD-Künstlerprogramm – für Berlin. 2011 geht sie trotz ihrer oppositionellen Haltung gegenüber dem diktatorischen System in Weißrussland, das ihr ein freies Leben und Arbeiten erschwert, zurück nach Minsk.

Für ihr Gesamtwerk, das sich mit dem Buch »Second-Hand-Zeit. Leben auf den Trümmern des Sozialismus« (erscheint im September 2013) wie eine fortlaufende Geschichte Russlands seit dem Weltkrieg liest, hat Alexijewitsch ihre eigene literarische Gattung, den »Roman der Stimmen« kontinuierlich ästhetisch weiterentwickelt. Mit dieser Herangehensweise einer emotionalisierten Geschichtsschreibung ist sie zum moralischen Gedächtnis für die Menschen in den ehemaligen sowjetischen Staaten geworden.

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Von admin

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