Der Club der Filmjournalisten Berlin, der jährlich die beste komödiantische Leistung in einem deutschsprachigen Film mit dem Ernst-Lubitsch-Preis kürt, hat gewählt: Am 29. Januar 2016 erhält Anke Engelke die legendäre Auszeichnung für ihre Darstellung einer übergriffigen Mutter in „Frau Müller muss weg“. Die Verleihung findet in Anwesenheit der Künstlerin im Filmtheater Babylon in Berlin-Mitte statt.
Dazu Anke Engelke: „Vielen Dank, lieber Club der Filmjournalisten Berlin, Sie machen mich froh und verlegen mit dieser ehrenwerten Auszeichnung. Selbstverständlich werde ich bei der Preisverleihung auf dem Weg zur Bühne ganz blöde stolpern und volle Kanne in irgendwas Wertvolles reinfallen und im Fallen noch ‚danke Sönke’ und ‚danke an alle die über mich lachen können’ rufen. Blutend aber beseelt! Heißa, das wird ein Spaß! Ich freu mich schon!"
Der Ernst-Lubitsch-Preis ist nach dem gleichnamigen, 1922 in die USA emigrierten Berliner Regisseur (*29.01.1892), benannt, der Komödien-Evergreens wie „Ninotschka“, „Ärger im Paradies“ und „Sein oder Nichtsein“ schuf und 1947 starb. Die Idee, ihm zu Ehren einen Preis zu schaffen, stammt von seinem Kollegen und Oscar-Gewinner Billy Wilder. Unter den Gewinnern der seit 1958 vergebenen, undotierten Statuette finden sich Gert Fröbe, Katja von Garnier, Heinz Rühmann, Ursula Monn, Loriot, Sophie Rois, Mario Adorf, Tom Tykwer, Christiane Hörbiger, Til Schweiger, Katja Riemann und zuletzt Dieter Hallervorden.
Bedeutung und Geschichte des Ernst-Lubitsch-Preises
Was für Hitchcock der MacGuffin, war dem Lubitsch sein Touch: Wenngleich der Ursprung seines Markenzeichens nie umfassend geklärt wurde und eine genaue Definition damit ausbleibt, gilt Ernst Lubitsch heute noch als unangefochtener Meister elegant-frivoler Gesellschafts-Komödien. Bekannt für seine leichtfüßigen Inszenierungen, in denen er Zensierungen von erotischen Zuspitzungen mit ironischen Doppeldeutigkeiten und wohl dosierten Handlungs-Auslassungen umschiffte, schuf er zeitlose Meisterwerke wie "Ärger im Paradies", "Blaubarts achte Frau" und "Ein himmlischer Sünder".
Mit seiner Chuzpe, auch ernste Themen in federleichte Unterhaltung zu kleiden – vor allem in der Nazi-Parodie "Sein oder Nichtsein" – hat der deutsch-jüdische Sohn eines Damenschneiders unzählige Bewunderer gewonnen: Jean Renoir etwa, der in ihm den Erfinder des modernen Hollywood sah. Oder Frankreichs populärster Autorenfilmer François Truffaut, der den Lubitsch-Stil mit seinen Weglassungen zur Kunstform erhob: "Im Lubitsch-Emmentaler ist jedes Loch genial." Und natürlich der unvergessene Billy Wilder, einstiger Lubitsch-Assistent und Drehbuchautor von dessen "Ninotschka", der die Technik seines Förderers anhand einer Filmszene erklärte und resümierte: "Jeder hätte es anders gelöst, aber keiner hätte es so elegant, so witzig und so spannend fürs Publikum gemacht wie der Lubitsch." Als sein Vorbild dann 1947 in Hollywood zu Grabe getragen wurde, brachte Wilder seine Trauer gegenüber Freund und Kollege William Wyler auf den Punkt: "Kein Lubitsch mehr." Die lakonische Antwort des "Ben Hur"-Regisseur: "Es ist ja noch schlimmer: Keine Lubitsch-Filme mehr!"
Jahre später regte Wilder (vielleicht auch rückblickend auf dieses hintersinnige Begräbnis-Gespräch) an, zu Gedenken an das große Idol einen Ernst-Lubitsch-Preis für die beste komödiantische Leistung ins Leben zu rufen. Eine Idee, die vom Club der Filmjournalisten e.V. in Berlin und seines langjährigen Vorstands, dem SFB-Urgestein Goetz Kronburger, mit Begeisterung aufgenommen und auch umgesetzt wurde: Erstmals 1958 an den Regisseur Kurt Hoffmann (für seine Regie zu "Das Wirtshaus im Spessart") verliehen, entscheiden die Mitglieder seitdem jährlich in geheimer Abstimmung, welcher Künstler die Auszeichnung bekommen soll. Überreicht wird die Trophäe – eine Pan-Figur, von dem berühmten Berliner Bildhauer Erich Fritz Reuter entworfen und der Gießerei Hermann Noack (u.a. auch für die Berliner Bären verantwortlich) angefertigt – in der Regel um den 29. Januar herum, dem Geburtstag von Ernst Lubitsch.
Seit 2006 organisiert Filmjournalist Markus Tschiedert die Preisverleihung und hat dafür gesorgt, dass diese in einem größeren öffentlichen Rahmen stattfindet. Mit Filmvorführungen, Sektempfang und Gästen aus Kino, Kultur und Politik erfolgte die Zeremonie seitdem im Berliner Traditions-Kino Babylon, dessen Theaterleiter Timothy Grossman ebenfalls ein großer Lubitsch-Fan ist.
Mit seiner fast 60 Jahren Geschichte gilt der Ernst Lubitsch Preis damit heute nicht nur als einer der renommiertesten Auszeichnungen im Deutschen Film überhaupt, sondern ist ein Spiegelbild deutscher Komödien-Kulturgeschichte. Die bisher ausgezeichneten Schauspieler lesen sich wie das "Who is Who" des deutschen Unterhaltungskinos: Heinz Rühmann ("Der Pauker"), Gert Fröbe ("Der Gauner und der liebe Gott"), Mario Adorf ("Reise nach Wien"), Marius Müller-Westernhagen ("Theo gegen den Rest der Welt"), Loriot ("Ödipussi"), Harald Juhnke ("Schtonk!"), Katja Riemann ("Stadtgespräch"), Christiane Hörbiger ("Die Gottesanbeterin"), Til Schweiger ("Keinohrhasen") – um nur einige zu nennen. Aber auch viele bekannte Regisseure wurden mit dem Ernst Lubitsch-Preis bedacht, darunter Sönke Wortmann ("Der bewegte Mann"), Helmut Dietl ("Rossini") und Tom Tykwer ("Lola rennt"). Selbst Hollywood-Legende Mel Brooks, der Lubitsch mit einem Remake seines berühmtesten Films "Sein oder Nichtsein" Tribut zollte, durfte sich über eine Ehrenauszeichnung im Jahr 2009 freuen.
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