Wie das (Traber-)Leben so spielt! Ausgerechnet an jener Stelle, an der ihre zwar spät, dafür umso fulminanter begonnene Karriere vor genau einem Jahr den ersten Knick bekommen hatte, schnappte sich eine Spätberufene die wichtigste Prüfung des Freitagabends: Das an Mariendorfs langjährigen Vorsitzenden und Retter aus der ersten, 1913 nur acht Monate nach der Einweihung erfolgten Krise erinnernde Bruno-Cassirer-Rennen.
In Kanada, der Heimat ihres Besitzer Bernard Johnston – seit Jahrzehnten ist der einst in Kanada und Deutschland auch als Trainer aktiv gewesene Eishockey-Profi der Lebensgefährte von Sigrid Velten – gezüchtet, gelang Velten New York im Vorjahr erst eine Woche vor ihrem (tatsächlichen) fünften Geburtstag die Gesellenprüfung, sprich Qualifikation unter der Regie von Michael Nimczyk. Umgehend schien die Rappstute zu Höherem berufen: Die ersten sechs Rennen gewann sie an der Strippe, und so war es am 1. August 2014 kein Wunder, dass ihr Meisterstück ausgemachte Sache schien. Doch bereits im Vorlauf zum Shootingstar-Cup klebte ihr das Pech an den Füße, verhakte ihr Sulky mit jenem des galoppierenden King of Love und bescherte ihr nur Rang drei. Noch schlimmer sollte es im Finale kommen. In Front sprang sie unter dem Druck des späteren Siegers Indio Corner und verschwand nach zwei weiteren Nullnummern in eine Pause, aus der es erst im April ein zunächst recht mäßiges Comeback gab.
Genau diese Startmethode spielte im Endlauf Schicksal gegen die beiden Einheimischen, die sofort alle Chancen einbüßten. Michael Nimczyk dagegen überließ im Bewusstsein, seine Stute sei aus der Defensive stärker, der pfeilschnellen Peaches Diamant das Sagen und parkte an dritter Stelle hinter Astasia du Vivier ein. Bis 150 Meter vorm Ziel genoss sie den exzellenten Windschatten, wurde dann nach außen beordert, huschte leichtfüßig an der sich prächtig verkaufenden und für die Tempoarbeit mit Rang drei entlohnten Peaches Diamant vorbei, und widerstand der Schlussattacke Amicellinas mit einem Lächeln. So leicht geht das mit dem nötigen Quäntchen Fortune, das man stets braucht. Wer wüsste das besser als ihr im harten Profi-Geschäft der Puckjäger gestählter Besitzer.
Man darf gespannt sein, wie die Karriere der Rappstute weitergeht, die als Sechsjährige mit neun Siegen aus 18 Starts noch gar nicht allzu intensiv Rennluft geschnuppert hat.
Den Spieß umgedreht
Auch den zweiten Edelstein holte sich im Shootingstar-Cup eine, die in ihrem Vorlauf lediglich als Zweite angeschlagen hatte: Dom Perrignon. Die Tochter des Franzosen Orlando Vici, mit sechs Volltreffern aus 35 Starts nicht unbedingt das, was man eine Siegmaschine nennt, hatte mit Roland Hülskath ihren Lieblingsfahrer im Sulky. Der fünfmalige deutsche Goldhelm hatte sie bislang viermal an die Kandare genommen und je zwei erste und zweite Plätze belegt. Ihr Trainer und Mitbesitzer Rico Plug war sich sicher, sie vermöchte diese kleine Serie auszubauen.
Da war es im Grunde nur logisch, dass sie nach der glasklaren Vorlauf-Niederlage gegen Voraus-Favorit Edgar Flevo, der ihr um vier Längen sehr deutlich das Nachsehen gegeben hatte, im Finale den Spieß umdrehen würde – auch wenn es nicht nur den Wettern bei einer Sieg-Quote von 69:10 am rechten Glauben daran etwas mangelte. „Eigentlich geht sie ihre besten Rennen, wenn man sie unterwegs in Ruhe lässt und ihr nicht allzu viel abverlangt“, kommentierte der Hülskath im Anschluss, „doch diesmal musste ich mir was Besonderes einfallen lassen und hab alles auf eine Karte gesetzt.“ Die lautete „rasanter Start“, mit dem sie Edgar Flevo und Barreltje über die gesamte erste Kurve in zweiter bzw. dritter Spur kräftig Mehrarbeit aufdrückte, bevor der bei 20:10 notierte Edgar Flevo eine Runde vor Schluss endlich das Kommando übernehmen durfte. Für die junge Mutter Barreltje – die Siebenjährige hat ein Fohlen zur Welt gebracht und dann ihre Rennlaufbahn fortgesetzt – wurde es in der Todesspur nicht sehr viel angenehmer. Die Quittung folgte nach einer Runde: Erst meldete sich Barreltje ab, dann hatte die zuvor hinter ihr postierte zweite Vorlaufsiegerin Dynamite Dikaria ihr Pulver verschossen, und als Ozon Anführer Edgar Flevo den Siegzahn gründlich gezogen hatte, brauchte sich Dom Perrignon aus dessen Windschatten „nur“ noch kräftig zu strecken, um mit diesem Hieb ihre Gewinnsumme auf einen Schlag fast zu verdoppeln.
Der nächste „Frischling“ im Reiten vorn
Bevor Fans und Vollmond bei klarem Himmel, aber recht maikühlen Temperaturen vom Barock-Feuerwerk beglückt wurden, gab es die letzte kleine Überraschung des Abends. „Ich hätte nie gedacht, dass wir gegen die Spezialisten gewinnen könnten“, sprudelte es aus Sina Baruffolo heraus. Duplizität der Ereignisse: So, wie Greenspan mit Lea Ahokas vor sechs Tagen den gestandenen Größen im Derby-Monté bei seinem Sattel-Debüt eine lange Nase gedreht hatte, machten es die 23jährige Essenerin und ihre Partnerin Jette Joo im Derby-Pokal der Trabreiter nach. Vom Fleck weg gab die Abano-As-Tochter den Takt vor, bot den Monté-erfahrenen Bendt Ricardo, Giordano, Amy Nasad und Zwaan’s Dean nie die geringste Angriffsfläche und war bei ihrer Premiere zur Schnapszahl von 111:10 allzeit sicher voraus.
Der Fingerzeig gen Himmel, mit dem Sina Baruffolo im Sattel stehend jubelnd durchs Ziel ritt, könnte durchaus als Sinnbild für die Gemütslage des Veranstalters stehen: Auch am Freitag wurde das Vorjahrsergebnis übertroffen. Zwar machte der Wettumsatz nicht solche Sprünge wie an den Tagen zuvor, doch ein Plus von rund 20.000 Euro oder knapp fünf Prozent kann sich in diesen schwierigen Zeiten sehen lassen – zumal man auf den Umsatzmotor „Highroller-Turnier“ verzichten musste. Das Gute daran war das Gute darin: Aufwärts ging’s mit dem Umsatz vor Ort; von außen wurden rund 10.000 Euro weniger als 2014 durch die Wettkassen geschleust.
Umsatz bei 13 Rennen: 403.764,99 Euro (incl. 181.190,69 Euro Außenumsatz)
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