Es ist angerichtet für das höchst dotierte deutsche Trabrennen des Jahres, das am kommenden Sonntag zum 120. Mal ausgetragene Traberderby. Wie tags zuvor bei den Stuten – die im Übrigen heuer dem starken Geschlecht komplett aus dem Weg gingen – scheiterte nur einer der vom Veranstalter Gesetzten, und das – anders als bei den Ladys – nicht einmal unerwartet. Im vermeintlich am stärksten besetzten der vier Vorläufe, aus denen die jeweils besten Drei ins mit 225.068 Euro dotierte Finale weiterzogen, war Schluss für Conrad Lugauers Floyd Fortuna, der als Fünfter einkam und sich nun noch einmal im Trostlauf versuchen darf, genau wie sein Trainingskamerad Gri Power Jet, von dem man das ohnehin erwartet hatte.
Der Wikinger düpiert sie alle
In besagtem, dem 1. Vorlauf, setzte es die zweitgrößte Überraschung des ansonsten von vielen Favoritensiegen durchzogenen Renntages, an dem nach stürmischem, aber trockenem Beginn die Sonne immer stärker vom Himmel lachte. Halva von Haithabu, dessen „Nachname“ an die alte Wikinger-Metropole in der Nähe des heutigen Schleswig erinnert, schlug mit Thomas Panschow, dem Derbysiegfahrer von 2008, nach einem traumhaften Rennverlauf aus dem Rücken des führenden Favoriten Falcon Dragon bombensicher zu, während der gesetzte Floyd Fortuna, immerhin Zweiter des Buddenbrock-Rennens, am Ende in der Todesspur doch recht müde Beine bekam. So überraschend, wie die Toto-Quote von 186:10 auswies, war der Sieg des jungen Wikingers allerdings nicht, der auf diesem Niveau der erfahrenste aller Derby-Teilnehmer überhaupt und seit Kindesbeinen in hochkarätigen Prüfungen unterwegs ist. Heuer ist er viel fester geworden und verkneift sich seit langem all jene Galoppaden, die ihn als Youngster um viele Früchte guter Arbeit gebracht haben
Berlin darf weiter hoffen
Einer, der noch auf seinen ersten Treffer im Blauen Band wartet, ist Berlins Lokalmatador Thorsten Tietz. Er gab der Hoffnung der Berliner auf den ersten Derbysieg eines Einheimischen seit dem Triumphzug Tornado Hanovers 1988 weitere Nahrung. 1100 Meter vorm Ziel gegen Nikkei, die zweite „halbe“ Berliner Derbyhoffnung, in Front gezogen, ließ sich Cash Hanover, der bei 11:10 fast zum Geldwechsel-Kurs antrat, auch vom Geheimfavoriten aus dem Stall von Marion Jauß nicht ins Bockshorn jagen, als es ans Abrechnen ging, und siegte sicher mit einer halben Länge Vorsprung. „Der Druck war nicht so groß. Ich weiß um die Kapazitäten meines Pferdes, wir haben unserer Hausaufgaben gemacht – alles andere ist Schicksal“, diktierte der 37jährige gebürtige „Ruhrpöttler“ den Journalisten in die Notizblöcke.
Sicher sein kann er sich natürlich noch lange nicht – dafür sorgte im vierten, letzten und langsamsten Vorlauf Europabummler Flashback, der eine andere Art der Vorbereitung gewählt hatte und sich den Feinschliff, die letzte Härte in zwei Vergleichen mit der Dreijährigen-Spitze Nordeuropas geholt hatte. Von Hugo Langeweg junior sofort in Front gescheucht, hatte es der Bruder der Derbysieger Unforgettable und Expo Express im Mittelstück alles andere als eilig. Umso schneller war der letzte Abschnitt, bei dem Hollands oftmaliger Champion dem Braunen noch nicht einmal den Kopf richtig freigab („Die Zugwatte blieb fürs Finale drin.“). Mit Augenmaß siegte Flashback eine Länge vor dem auf den finalen 100 Metern regelrecht explodierenden Fox Dragon. Der wird im Süden Berlins von Maik Esper vorbereitet, womit die Hauptstadt ein weiteres nicht eben kaltes Eisen im Derby-Feuer hat.
Gestandene Recken enttäuschen
Hatte man im Vorfeld des Charlie-Mills-Memorial, das an den lange Jahre in Berlin aktiven, 1972 verstorbenen Großmeister des Trabrennsports erinnert, mit einem neuen Bahnrekord auf der neuen Hochgeschwindigkeitspiste geliebäugelt, so gipfelte das Match der internationalen Cracks in eine ziemliche Enttäuschung. Das lag ganz sicher nicht an Vrai Lord. Der Franzose aus Österreich hatte hier 2013 und 2014 zwei noble Siegerschleifen abgeholt und scheint ein wahrer Freund Mariendorfs zu sein. Urgewaltig donnerte Austrias Dauerchampion Gerhard Mayr mit dem Hengst los, schnappte sich sofort das Kommando – und ließ es dann etwas gemächlicher angehen. Ausgerechnet jene, die man im Vorfeld als Protagonisten ausgemacht hatte, versagten auf ganzer Linie: „Local Hero“ Harry’s Bar macht seit seinen „Auftritten“ in Presse, Funk und Fernsehen immer mehr Zicken und kam zum dritten Mal in Folge nicht fehlerfrei um den Parcours, ja wurde gar nach wenigen hundert Metern disqualifiziert. Nicht besser erging es King of the World. Der Fuchs war durchweg Schlusslicht und sprang nach einer Runde ins Aus. Shoemaker, der dritte der deutschen Musketiere, blieb mit seinem Angriffsversuch in der Schlusskurve komplett stecken – anders als Zorba Oldeson. Der auf der Zielgeraden geradezu fliegende Holländer entschädigte mit einem heißen Tänzchen aus dem Hinterstübchen, das Vrai Lord doch noch ein bisschen forderte. Der holte sich in 1:12,6 den dritten hiesigen Titel seiner Laufbahn und wird die Berliner vermutlich am kommenden Wochenende noch einmal verzaubern.
Dass Alter beileibe nicht vor rasanten Finishs schützt, gab’s im Rennen der Oldies für Fahrer, die das 60. Lebensjahr vollendet haben, zu sehen. Dabei widerstand der mit Honoree sofort in Front gedüste Arnold Mollema dem mit Merana energisch nachsetzenden Heinz Wewering um Nüsternbreite und wiederholte damit seinen Vorjahrssieg.
Mehr als nur einen Wimpernschlag besser war das Umsatzergebnis bei idealem „Rennbahnwetter“: Mit einem Plus von 15 Prozent gegenüber der Vorjahrsveranstaltung setzte sich der sehr deutliche Aufwärtstrend vom Samstag nahtlos fort.
Umsatz bei 14 Rennen: 380.420,46 Euro (incl. 214.485,66 Euro Außenwette)
Text: Dr. Manfred Wegener
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