Der fürchterliche Krieg in der Ukraine hat nicht nur Auswirkungen auf Verbraucherpreise für Diesel und Benzin, sondern auch auf die Milchmärkte in Deutschland und Europa. Die Effekte werden sich bis hin zu den Preisen an der Ladentheke auswirken.

Milch- und Butterpreise haben es wieder in die Schlagzeilen fast aller deutscher Medien geschafft. Nicht die Ukraine-Krise ist hier als alleinige Ursache zu nennen, vielmehr gingen in vielen erzeugerstarken Regionen die Milchanlieferungen merklich zurück. Einer der Gründe hierfür liegt in den Kosten des Inputs bei der Milchproduktion, die teilweise drastisch gestiegen sind. Unterbrochene oder gestörte Lieferketten auch in Folge von Corona sind hier als weiterer Grund zu nennen. Dazu kommt eine überdurchschnittliche Bevorratung industrieller Kunden gerade bei Milchpulver und Butter. Auch der Kunde des deutschen LEH greift, um Vorräte anzulegen, gerne zu H-Milch und Co.

Die Meldungen über Preiserhöhungen im LEH haben darüber hinaus zu einer Mehrnachfrage geführt. Dazu ist auszuführen, dass zum 1. April nur die wenigsten Produkte tatsächlich gegenüber der Molkerei im Preis angehoben wurden. Wir erwarten eine größere Runde an Preisanpassungen erst zum Sommer.

Besonderes Augenmerk verdient der Bulkhandel. Der sogenannte „Kieler Rohstoffwert Milch“ ist zum ersten Mal auf über 60 Eurocent je Kilogramm Rohmilch geklettert. Diejenigen Molkereien, die traditionell stark im Handel von gering verarbeiteten Rohwaren (Bulk) unterwegs sind, konnten sehr rasch die Milchpreise für die Erzeuger anheben. Die Nachbarmolkereien mit einem hohen Anteil im Lebensmitteleinzelhandel mussten infolgedessen tatsächlich auch die Milchpreise anheben, um im Wettbewerb um den Rohstoff zu bestehen.

Der Milchindustrie-Verband e.V. (MIV) schätzt, dass viele Molkereien deshalb finanziell stark unter Duck geraten sind und schon deshalb die Produktpreise gegenüber den Kunden anheben müssen. Die Preisanhebungen beim Erzeugerpreis sind jedoch auch bitter notwendig, um die gestiegenen Kosten der Milchbauern für Futtermittel, Energie und Düngemittel auszugleichen. Doch auch die Molkereien klagen über stark angestiegene Inputkosten. Insbesondere die Entwicklung bei Energie machen den Milchverarbeitern Sorgen. Es geht nicht nur um den Preis, sondern auch um die Verfügbarkeit. „Das Abdrehen des Gashahns hätte katastrophale Folgen für die gesamte Kette der Milch“, so Peter Stahl, Vorsitzender des Milchindustrie-Verbandes e.V., Berlin. Die Lieferketten würden in geschätzten drei Tagen zusammenbrechen, wenn kein Gas mehr zur Verfügung stünde. Die Molkereien könnten die Milch nicht mehr annehmen und verarbeiten, zum Kühlen, Erhitzen und für die Haltbarkeit bis zum Verbraucher ist Gas heute existentiell. Die Milch würde auf den Höfen verbleiben. Bereits Mitte März hatte der Verband zur Bundesnetzagentur Verbindung aufgenommen und Verwaltung sowie Politik auf den Sachverhalt hingewiesen. „Wir haben Hoffnung, dass wir im Fall der Fälle tatsächlich prioritär behandelt werden“, so Peter Stahl.

Futtermittelmarkt unter Druck
Auch am Futtermittelmarkt ergeben sich Schwierigkeiten. Die Milchindustrie ist einer der großen Nutzer des VLOG-Gütesiegels. Immer mehr Landwirte zeigen aber an, dass Futtermittel „Ohne Gentechnik“ nur noch zu horrenden Preisen zur Verfügung stehen und Verträge für das 2. Halbjahr 2022 kaum möglich sind. Die Ukraine war bislang ein großer Lieferant dieser Futtermittel – jetzt sitzen die Schiffe fest, z. B. in Odessa, und Lkw und Züge werden es nicht schaffen, die für den Markt notwendigen Menge auszuführen. Noch dazu ist an vielen Stellen unklar, welche landwirtschaftlichen Flächen in diesem Jahr in der Ukraine bestellt und geerntet werden können. Die Vorschläge des VLOG e.V. zur Abmilderung hält der Milchindustrie-Verband für nicht praxistauglich, diese gefährden insgesamt das Geschäft mit gentechnikfreien Lebensmitteln.

Tierwohlkennzeichnung kommt

Die Arbeiten an den verschiedenen Systemen, um die Kriterien der Initiative Tierwohl (ITW) für haltungsform.de zu erfüllen, sind abgeschlossen. Erste Produkte sind bereits am Markt. Wenig Verständnis hat der Verband für politische Vorschläge einer verpflichtenden Haltungskennzeichnung nach dem „Eiermodell“. Dieses soll noch in 2022 bei der Schweinfleischproduktion gestartet und später auf andere tierische Erzeugnisse ausgerollt werden. „Der Staat hat jahrelang Maßnahmen nur angekündigt. Wenn nun die Wirtschaft mit der ITW eigene Wege geht, sollten diese nicht durch staatliche Maßnahmen konterkariert werden“, mahnt Stahl.

Von admin