Der 3. Ordentliche Gewerkschaftstag der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) hat seinen ersten inhaltlichen Meilenstein absolviert: den Rückblick auf die vergangenen fünf Jahre und die Entlastung des Bundesvorstandes.

In ihren mündlichen Ergänzungen zum Geschäftsbericht haben die Mitglieder des Geschäftsführenden Vorstandes die vergangene Legislaturperiode Revue passieren lassen.

Verkehrspolitik: „Wir haben erfolgreich Einfluss auf die Koalitionsverhandlungen genommen.“ Er erinnerte daran, dass die EVG vor fast einem Jahr eine Kampagne förmlich aus dem Boden gestampft hat, als FDP und Grüne den DB-Konzern zerschlagen wollten. „Und wir waren erfolgreich. Diese Schnapsidee war schnell vom Tisch.“ Als weiteres Highlight würdigte er den Verkehrsausschuss der EVG. „Ich freue mich, dass unser Verkehrsausschuss wieder so aktiv ist. In diesem Gremium erarbeiten wir unsere verkehrspolitischen Forderungen, auch zum 9-ET und zu seinem Nachfolgemodell.“

Sozialpolitik: Die Stabilisierung des gesetzlichen Rentenniveaus und die Abschaffung der Doppelverbeitragung von Betriebsrenten wertete Martin als gemeinsame Erfolge der Gewerkschaften. Er würdigte die Arbeit der sozialpolitischen Ansprechpartnerinnen in den Betriebsgruppen. „Ihr seid vor Ort da für die Kolleginnen und Kollegen.“

Personengruppen: EVG-Senior:innen und – Jugend haben gemeinsam dafür gesorgt, dass auch Senior:innen und Studierende eine Energiepreispauschale bekommen. „Wir waren die Treiber.“ Beim Thema Altersversorgung Deutsche Reichsbahn „haben wir uns eingesetzt und Teilerfolge erzielt. Im Bundeshaushalt ist Geld eingestellt, jetzt blockieren die Länder.“ Im Laufe des Gewerkschaftstages wird die EVG auch den Dialog mit Franziska Giffey dazu suchen. „Dass die Länder blockieren, ist ein Schlag ins Gesicht. Wir wollen weiterhin einen Gerechtigkeitsfonds und wir werden nicht locker lassen.“

Mit der europaweiten Vereinbarung „Women in Rail“ habe die EVG gemeinsam mit ihren Bündnispartnern auf europäischer Ebene Standards gesetzt, u.a. bei der Bekämpfung der Gewalt gegen Frauen. „Wir müssen dranbleiben und dafür sorgen, dass diese Standards auch umgesetzt werden.“

Klare Kante gegen rechts: Martin wies noch einmal darauf hin, dass die EVG als erste Gewerkschaft überhaupt einen Unvereinbarkeitsbeschluss gefasst hat. „Unsere Botschaft an die AfD: Es gibt für euch keinen Platz in der EVG.“

Mitgliederentwicklung: Eine schlagkräftige Gewerkschaft, so Cosima, „hat nur eine Währung, das sind ihre Mitglieder. Wir haben unsere Arbeit mehr und mehr an den Interessen unserer Mitglieder ausgerichtet.“

Mitmachgewerkschaft: Bewährt haben sich die Regionale Aktionsteams. „Wir wollen, dass jeder, der sich einbringen will, dazu auch die Möglichkeit hat, vielleicht auch nur zeitweise oder punktuell.“ Die EVG stehe vor einer herausfordernden Tarifrunde, „bei der es Spitz auf Knopf steht und da brauche wir jede und jeden.“ Auch habe die EVG die Möglichkeiten der Mitglieder erweitert, ihre Meinung zu sagen, z.B. durch die Neumitgliederumfrage.

Betriebs- und Dienststellengruppen: Sie sind „unser Nervensystem in den Betrieben, sie sind für die Kolleginnen und Kollegen da.“ In der Betreuung unserer Mitglieder „blicken wir aber auch auf die Betriebsräte, denn die EVG-Betriebsräte setzen die Rechte unserer Mitglieder durch, und das jeden Tag.“

Gemeinsame Einrichtungen: Über 100.000 Kolleg:innen, so Cosima, haben im vergangenen Jahr von den Leistungen des Fonds soziale Sicherung profitiert. “Und was mich besonders freut, diese Kolleginnen und Kollegen kommen aus 100 Betrieben. Das zeigt, wir sind für die ganze Branche da und beim Fonds bringen wir das auf den Punkt.“ Die EVG, so Cosima weiter, werde für den Fortbestand der gemeinsamen Einrichtungen kämpfen. „Gerade jetzt, wo alles teurer wird, werden wir dafür sorgen, dass wir für unsere Mitglieder da sind.“

Sachlichkeit und Respekt: „Die EVG ist krisenfest“, so Cosima. Sie blickte noch einmal zurück auf das 125-Jahre-Jubiläumsjahr zurück. „Wir knüpfen an das an, was wir aus unserer nun fast 126-jährigen Geschichte gelernt haben: Wir lassen uns nicht spalten. Auch in der Konkurrenz zu einer anderen Organisation haben wir die Fahne hochgehalten für Sachlichkeit uns Respekt.“ Ein Kurs, der sich auszahlt: denn in diesem Jahr sind bereits deutlich mehr Mitglieder von der Konkurrenz zu uns gewechselt. „Auch in den TEG-Betrieben sind wir für unsere Mitglieder da. Wir sind nach wie vor dafür, die Mitgliedszahlen gerichtlich feststellen zu lassen. Und wir sind nach wie vor dafür, Mitgliedsgelder für die Belange unserer Mitglieder auszugeben und nicht für Gerichtsverfahren.“

Bündnis für unsere Bahn: „Wir haben es mit dem Bündnis für unsere Bahn geschafft, für unsere Branche etwas zu erreichen“, so Kristian. Bei Lufthansa und anderen Unternehmen hätten Beschäftigte und Auszubildende ihre Arbeitsplätze verloren, „das hat es bei uns nicht gegeben.“ Entscheidend im Bündnispapier sei auch der erweiterte Fokus auf die NE-Bahnen: „Auch wenn es nur ein Satz war, aber auf dieser Basis konnten die Rettungsschirme für die ÖPNV-Branche aufgespannt werden. Das haben nur wir getan, ich habe da keine andere Organisation gesehen.“

Tarifrunden 2018 und 2023: Auch im Nachhinein, so Kristian, sei beeindruckend, was die EVG damals erreicht hat – 38 Forderungen konnten durchgesetzt werden, eine Entgelterhöhung von 6,1 wurde umgesetzt inklusive des zweiten Wahlmodells. Ein Punkt, an dem Kristian vom Rückblick in den Vorausblick wechselte, denn im kommenden Jahr wird die EVG in eine Mega-Tarifrunde gehen: „Einen Abschluss von 6% werden wir nicht machen können, liebe Arbeitgeber. Angesichts der aktuellen Teuerungswelle ist das nicht mehr denkbar.“ Die Vorbereitungen für diese Tarifrunde laufen übrigens bereits auf Hochtouren. 2023 wird die EVG mit insgesamt 50 Unternehmen parallel verhandeln, „und das bedarf schon einer guten Vorbereitung.“ Eine klare Absage erteilte Kristian der Forderung nach einer außertariflichen Sonderzahlung als Inflationsausgleich. Eine solche Sonderzahlung würde auf das Gesamtvolumen der Tarifrunde angerechnet und würde als Einmalzahlung auch verpuffen. „Die Leute bekommen einmalige Geld und geben es einmalig aus. Wir werden dagegen nachhaltige Tarifpolitik nach vorne betreiben.“

Wahlen: Zahlreiche Wahlen zu den Interessenvertretung haben in den vergangenen fünf Jahren stattgefunden: zu Betriebs- und Personalräten, Aufsichtsräten, Jugend- und Auszubildendenvertretungen, Schwerbehindertenvertreter:innen. Hier konnte die EVG durchweg viele Mandate erzielen; zu denken geben müsse allerdings der Trend zu einer immer geringeren Wahlbeteiligung. Wir müssen, so Kristian, „die Leute wieder mehr für die innerbetriebliche Demokratie begeistern.“

 

EVG an Bundesverkehrsminister Volker Wissing: Vom goldenen Hemmschuh zur goldenen Weiche?

Richtig politisch wurde es am Montagabend: Zum Politikabend hatten wir insgesamt rund 50 Bundestags-Abgeordnete zu Gast. Nach einer einleitenden Podiumsdiskussion u.a. mit SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert gingen sie in lockere Gespräche mit den Delegierten der EVG. Dazwischen aber gab es noch ein weiteres Highlight: Besuch von Bundesverkehrsminister Volker Wissing.

„An der Verkehrswende führt kein Weg vorbei. In dem knapp einem Jahr seit Antritt der Bundesregierung ist uns da zu wenig passiert“, so der frisch gewählte EVG-Vorsitzende Martin Burkert. „Im Koalitionsvertrag steht: Schiene vor Straße. Und das ist nicht unsere Hoffnung, sondern unsere Erwartung.“

Für einen besonderen Akzent sorgten Kolleginnen und Kollegen aus Rheinland-Pfalz. Zwei Tage vor der Kundgebung der EVG vor dem Bundesverkehrsministerium zur Rettung des Einzelwagenverkehrs überreichten sie dem Bundesverkehrsminister einen goldenen Hemmschuh. „Wenn die Schiene endlich Vorrang vor der Straße hat“, so Martin, „kommen wir wieder zu Ihnen und machen daraus die goldene Weiche.“

In der Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften habe er bisher „nur beste Erfahrungen gemacht“, sagte Volker Wissing in seiner Entgegnung. „Ich weiß, dass wir Sie brauchen und ich werde immer ein offenes Ohr für Sie haben.“ Starke Bahnen bräuchten starke Beschäftigte. Was die Bahn leiste, so Wissing mit Blick u.a. auf die Energietransportzüge, sei „unverzichtbar dafür, dass wir in Deutschland in Sicherheit leben können.“

Er wisse auch, was die Beschäftigten während des 9-Euro-Aktionszeitraums geleistet haben, so Wissing weiter. „Sie haben gezeigt, dass in Deutschland was geht.“ Die Bahn-Beschäftigten hätten dafür Anerkennung verdient, aber nicht nur das: „Wir halten unser Wort, dass wir mehr in die Schiene als in die Straße investieren.“

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