Zum zweiten Mal nach 2013, als Tiger Woods As triumphierte, ging das Derby an die Kombination aus den Gebrüdern Gerrits und Roman Thomaskamp als Besitzer, Paul Hagoort als Vorbereiter und Robin Bakker als Vollstrecker. Berlin hingegen muss weiter darauf warten, erstmals seit Tornado Hanover 1988 einen in der Nähe der Hauptstadt, die sich immer mehr zur Metropole auch des deutschen Trabrennsports entwickelt, vorbereiteten Dreijährigen nach dem höchstdotierten deutschen Trabrennen im Winner Circle hochleben lassen zu können.

Dabei sah es für die noblen Gastgeber gut wie selten zuvor in den letzten Jahrzehnten aus. Sie stellten mit Cash Hanover, dem in Norddeutschland gezüchteten Braunen in bayerischem Besitz, der von einem in Westdeutschland geborenen Trainer in Schöneiche 30 Kilometer südlich Berlins vorbereitet wird, den nach Siegen in Adbell-Toddington- und Buddenbrock-Rennen sowie im Derby-Vorlauf logischen Favoriten, sowie mit Fox Dragon einen chancenreichen Außenseiter – und standen am Ende mit leeren Händen da.

 
In einem Rennen, das sportlich nicht befriedigen konnte, weil Flashback, der einzige, der Cash Hanover in diesem Jahr hatte bezwingen können, bereits beim Anrollen des Startautos nicht zum Traben zu bewegen war, Geheimfavorit Nikkei, mit dem Marion Jauß endlich ihren ersten Derby-Sieg ins holsteinische Neritz zu holen hoffte, sowie Vorlaufsieger Halva von Haithabu früh ihre Chancen im Galopp einbüßten, ging die Rechnung von Paul Hagoort voll auf. Der schwergewichtige Trainer aus dem kleinen 220-Seelen-Örtchen Oldetrijne „zwei Steinwürfe“ von Hollands Trabermetropole Wolvega entfernt hatte für seinen Ferrari Kievitshof bei der Startplatzvergabe vor einer Woche bewusst die „5“ gewählt: „Wir wollen das Derby wenn irgend möglich von der Spitze bestreiten, und dafür ist der Platz direkt hinter dem Startauto zumindest für ihn ideal“, hatte er seine Wahl begründet. Der 37jährige mischt seit rund fünf Jahren nicht nur Deutschland, sondern ganz Traber-Europa auf und hat mit seinem kleinen Lot von 50 Trabern („So viel wollte ich eigentlich nie haben, aber die Anfragen sind enorm, und immer nur ‚Nein’ sagen kann ich auch nicht. Mehr als 50 können wir nun aber wirklich nicht unterbringen.“) immense Erfolge auf internationalem Parkett erzielt. Robert Bi, der italienische Derby-Sieger, Europa-Champion der Vier- wie Fünfjährigen und Sieger des Copenhagen Cup ist das leuchtende Beispiel. Während sich bei einem ziemlich chaotischen Start einige bereits ihrer Mitspracherechte beraubten, düste der Ferrari los wie die roten Flitzer aus Maranello in ihren besten Formel-I-Zeiten. „Chefpilot“ Robin Bakker, gerade mal 32 Jahre alt, aber in vielen harten europäischen Wettbewerben längst zum erfahrenen Hasen gereift, hatte keinerlei Probleme, die taktischen Vorgaben des Meistertrainers dank einer irre schnellen Anfangsphase in die Tat umzusetzen – womit die Frage nach dem Sieger des 120. deutschen Traber-Derbys früh geklärt war. Nach einem kleinen Boxenstopp, sprich einer kräftigen Tempodrosselung im dritten Abschnitt, die Cash Hanover aus der Deckung hinter dem die Außenspur anführenden Falcon Dragon lockte, gab der Credit-Winner-Sohn, der ein paar PS mehr zur Verfügung zu haben schien als der Rest der Kompanie, erneut sehr kräftig Gas. Spätestens nach dem Fehltritt des Berliner Lokalmatadors 600 Meter vorm Ziel war die Sache für den Credit-Winner-Sohn geritzt. Da spielte es zumindest für ihn keine Rolle mehr, dass mit Fox Dragon auch der zweite heiße Kandidat der Gastgeber in der letzten Kurve über seine müden Beine stolperte und die rote Karte sah. Die Zielgerade wurde zur Straße des Triumphes für Ferrari Kievitshof, der auch beim sechsten Start seiner erst in diesem Jahr eingeläuteten Karriere unbezwingbar blieb und Paul Hagoort nun schon den dritten deutschen Derby-Sieg binnen sechs Jahren bescherte. Bleibt zu hoffen, dass der vom Niederländer Frederik Maarsen gezüchtete dunkelbraune Bomber international weiter kommt als seine Vorgänger Zar As, der völlig in der Versenkung verschwunden ist, und Tiger Woods As, der noch um den Anschluss an einstige Glanztage ringt. „Er ist ein viel einfacher als der ‚Tiger’ zu fahrender Typ mit einem unglaublichen Beschleunigungsvermögen“, war Bakkers Statement. Als Sahnehäubchen zu den 107.534 Euro für den Sieg gab’s den Rennrekord gratis: Mit 1:12,7 holte sich der „Bolide aus Oldetrijne“ das Blaue Band um 0,6 Sekunden schneller als Abano As im Jahr 2000.

Fünf Längen zurück wanderte durch den stets in seinem Windschatten postierten Friendship Newport, bei dem die Gerrits-Brüder gleichfalls Mitbesitzer sind, auch der reiche zweite Scheck nach Holland, bevor mit dem in Bayern geborenen, im Westen trainierten und im Besitz von Bahn-Eigner Ulrich Mommert befindlichen Raffaelo Diamant wenigstens die „Bronze-Medaille“ einen kleinen Berliner Touch hatte.

Nileo in der Derby-Revanche

Mann des Tages, zumindest was die Besuche im Winner Circle anbelangte, war Berlins „Local Hero“ Thorsten Tietz. Fünf Siege fuhr der Bronzehelm mit Mighty Hanover, Star Potential, die die Derby-Revanche der Stuten sehr souverän beherrschte, Big Thunder, Cotton Rich und Dimitri W Eden, der im „Absacker“, dem 14. Rennen, überlegene Ware war, ein – und war dennoch nicht mit dem Tag zufrieden.

Neben der ungenießbaren Pille Cash Hanover, dessen achter Rang mit 2.000 Euro „Kleingeld“ entlohnt wurde, musste er als Vorbereiter noch einen weiteren bitteren Kelch leeren. Die von ihm gemeinsam mit Heinz Wilhalm vorbereitete Emma di Quattro wagte sich in der „offenen“ Derby-Revanche als einzige Lady gegen die Herren – und briet dem starken Geschlecht in dem nach dem Derby sportlich anspruchsvollsten Match fürchterlich eins über. Als die kernige Braune 600 Meter vorm Ziel wuchtig antrat, war’s um die Herrlichkeiten umgehend geschehen. Mit fünf Längen Vorsprung in sagenhaften 1:12,6 sauste die Zweite des Stuten-Derbys 2014 am Zielrichter vorbei – und wurde dennoch nicht als Siegerin geehrt. Im Eifer des Gefechts war Dennis Spangenberg 500 Meter vorm Ziel bei seiner Attacke eine Idee zu früh nach unten geschert, hatte Paymybills Diamant dadurch für einen Moment aus dem Takt gebracht und eine kleine Kettenreaktion ausgelöst, in die Nileo und Jamil Cortina verwickelt waren. Nutznießer der – berechtigten – Disqualifikation war Josef Franzl, der ansonsten ein sehr gebrauchtes Wochenende erlebte. Sein Nileo, der Ärmste der Acht, hatte keine Angst vor großen Tieren und fightete Paymybills Diamant um eine halbe Länge nieder. Die ersten Drei des Derbys 2014 lieferten dagegen allesamt enttäuschende Vorstellungen in einer Revanche, in der vom Start weg, den man so gar nicht hätte abgehen lassen dürfen, der Wurm drin war: Elton Attack und Expo Express kamen nicht mal in die Nähe des Startautos, und Ewald F Boko blieb seinen eher mauen Schweden-Formen treu.

Gustavs Rekord überdauert

Aus der durchaus berechtigten Hoffnung, auf einer der nach der Sanierung schnellsten Bahnen Europas auf einen adäquaten Bahnrekord verweisen zu können, wurde nichts. Dafür wurde das mittlere Drittel der Rekordmeile einfach zu langsam in Angriff genommen. Robin Bakker, der mit Regio aus hinterster Position bei Temperaturen um die 30 Grad eine nervlich wahrhaft eisgekühlte Fahrt hinlegte und den Italiener aus der vertrackten Innenlage genau passend herauslavierte, kam mit dem Varenne-Sohn in 1:12,3 zwar überlegen, aber eben doch ein bisschen zu spät ins Ziel. „Macht in meinen Augen nix – uns ist der Sieg wichtiger als alle Rekorde“, kommentierte Bakker. Der bleibt bis auf weiteres beim „eisernen“ Gustav Diamant und seinen 2007 in dieser Rekordmeile aufgestellten 1:11,9.

Nicht viel Staat zu machen war mit dem Derby-Marathon über die alte, bis 1978 gültige Derby-Distanz von 3200 Metern, die nach Streichung von Quarter Session und unmittelbar vorm Rennen auch von Berlins Publikumsliebling Harry’s Bar neun Pferde in Angriff nahmen. Unbeanstandet erreichte lediglich ein Quintett das Ziel, von dem der Beste, der sich mit einem kleinen Foul zu Beginn der Zielgeraden den nötigen Platz für seinen Endspurt verschafft hatte, deswegen nachträglich disqualifiziert wurde. Zum Glückspilz wurde Michael Nimczyk, der mit dem unberechenbaren, heute ausgesprochen gut gelaunten Alaska Joe zur Ehrung vorfuhr.

Trotz einer rund 40minütigen, bereits in den anfänglichen Rennen aufgebauten Verspätung, die die Live-Übertragung des Derbys in den französischen Wettmarkt sowie in diverse deutsche Fernsehsender gefährdete, war das Umsatzplus auch des Schlusstages bemerkenswert: Erneut ratterten 13 Prozent mehr als vor Jahresfrist durch die Totokassen oder ihre virtuellen Internet-Partner, was fürs Meeting ohne den zusätzlichen „PMU-Freitag“ ein Plus von fast 250.000 Euro bzw. zehn Prozent ergab – weit mehr als nur ein Silberstreif am recht dunklen deutschen Traber-Horizont. Nun gilt es „nur“ noch, diesen Schwung, diese Begeisterung auf die übrigen hiesigen Rennbahnen zu transferieren…

Umsatz bei 14 Rennen: 761.327,46 Euro (incl. 330.722,46 Euro Außenumsatz)

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Von admin

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