In Frankreich ist Pas Lá bereits ein Number One Hit in Deutschland soll er es noch werden. Mit seinem Debütalbum „Ideés Blanches“ startet der französische Chanson-Sänger Vianney ab August in Deutschland durch. Im Gepäck hat er nichts weiter als seine klangvolle Stimme und die mal lauten und mal sanften Töne seiner kleinen Gitarre. Für den jungen Franzosen ist Musik nicht einfach Spaß, sondern vor allem ein Gefühl, dass er am besten in seiner Muttersprache französisch ausdrückt. Vianney kann sich so in seiner Musik verlieren, dass der Virtuose nach Konzerten noch so in seiner eigenen Welt ist, dass er gar keine Interviews gibt. So wie zuletzt nach einem Auftritt im Juli auf dem Französischen Musikfestival Francofolies in La Rochelle.

 
Le Matin hat den Weltenbummler mit dem Hang zum Chanson in Berlin getroffen und sich ganz ohne Konzertatmosphäre ein wenig über seine Musik unterhalten.

Le Matin:
Vianney, du bist viel in der Welt herumgereist, hast in Großbritannien gelebt, sprichst neben französisch und englisch auch ganz gut schwedisch. Was bewegt dich dazu deine Songs, trotz deiner internationalen Karriereziele auf Französisch zu singen?

Vianney:
Das liegt ganz einfach daran, dass ich mich auf Französisch am besten ausdrücken kann. Ein schöner Text, der mit der Sprache spielt ist für die Musik sehr wichtig. Ich habe schon auf Französisch gesungen bevor ich mich dazu entschlossen habe international aufzutreten und das will ich jetzt nicht einfach rückgängig machen. Es ist ja auch nicht nur der Text, der das Lied ausmacht, sondern vielmehr das Gefühl, das dahinter steht.

Le Matin :
Aber gleichzeitig sagst du, dass es dir wichtig ist, in deiner Muttersprache zu singen, weil der Text für deine Musik eine besondere Bedeutung hat. Wie passt das zusammen?

Vianney:
Sagen wir es so: Ich will beides. Ich will auf der einen Seite einen schönen Text und auf der anderen Seite das Gefühl. Beides soll sich in meiner Musik vereinen. Das Gefühl kommt doch mit einem bestimmten Text ganz anders rüber. Wenn ich zum Beispiel drei Mal die Textzeile „ich vermisse dich“ singe, hat das eine ganz andere Wahrnehmung, als wenn ich versuche diesen Zustand mit ganz unterschiedlichen Wörtern zu beschreiben.

Le Matin :
Französisch ist also die einzige Sprache, die du so gut kennst, um deine künstlerischen Freiheit uneingeschränkt zu nutzen?

Vianney:
Genau! Für mich ist Französisch so präzise. Die Lieder, die ich singe kommen direkt von meinem Herzen. Es würde mir sehr schwer fallen, das in einer anderen Sprache auszudrücken. Wenn ich mich so präzise ausdrücken will, wie ich es in meinen Liedern tue, dann muss ich einfach auf Französisch singen. Wenn ich irgendwann mal etwas Leichteres singen sollte, dann versuche ich es vielleicht mal auf Englisch.

Le Matin :
Du bist 23 Jahre alt, aber deine Musik klingt sehr erwachsen. Wie würdest du sie beschreiben?

Vianney:
Meine Musik hat einen großen Chanson-Einfluss, weil ich es mag zu singen und dabei tatsächlich etwas auszudrücken und mit der Sprache zu spielen. Darüber hatten wir ja gerade gesprochen. Früher wurde der Chanson eher als etwas elitäres betrachtet, aber das muss es nicht sein. Jeder, der in der Lage ist, beim Musik etwas zu empfinden, kann diese Musik verstehen und genießen. Und damit kann Chanson auch populäre Musik sein. Das Chanson gibt mir die Möglichkeit die Tiefsinnigkeit der Texte und die Einfachheit der Empfindungen der Dinge über die ich singe zu vereinen.

Le Matin :
Also würdest du deine Musik eher als fröhlich oder melancholisch bezeichnen?

Vianney:
Ich denke meine Musik beinhaltet beides. Auf der einen Seite gibt es viel Melancholie, weil ich eine dieser dummen französischen Romantiker bin, aber zur gleichen Zeit hasse ich es traurig zu sein und diese traurigen Stimmung zu kommunizieren. Schlechte Stimmung sollte meiner Meinung nach nicht lange anhalten. Natürlich kann man traurig sein, aber man sollte seinen Optimismus dabei nicht verlieren. Deshalb versuche ich bedauerliche Momente auf eine fröhliche, eher optimistischen Art und Weise rüberzubringen. Mir ist es immer wichtig, am Ende eine positive Stimmung zu haben und sich nicht von Hoffnungslosigkeit entmutigen zu lassen.

Le Matin :
Woher kommt es dann, dass du dich in deinen jungen Jahren so von dem klassischen Musikstil angezogen fühlst?

Vianney:
Das kommt wohl von der französischen Kultur, in der die Texte in der Musik einen hohen Stellenwert einnehmen. In Frankreich ist es möglich ein Sänger zu sein, ohne überhaupt singen zu können, wir haben Sänger, die wirklich überhaupt gar nicht singen, sondern einfach nur einen Text aufsagen und trotzdem sehr erfolgreich sind. So wichtig sind die Texte bei uns in Frankreich.

Le Matin :
Hast du schon einmal vor ausländischem Publikum gespielt? Wie war die Reaktion auf deine Songs?

Vianney:
Als ich das erste Mal vor meiner Plattenfirma in Deutschland gespielt habe, war ich so in meine Songs vertieft, dass ich gar nicht daran gedacht habe, dass das Publikum meine Texte überhaupt nicht verstehen kann. Im Nachhinein ist mir aufgefallen, dass es denen aber auch gar nicht anzumerken war, dass sie vermutlich kein Wort verstanden haben. Sie waren trotzdem genauso in die Musik vertieft und haben mir zugehört, wie das französische Publikum sonst auch. Das war ein sehr bewegendes Ereignis für mich. Es hat mir gezeigt, dass die Sprache nicht alles ist.
Wahrscheinlich waren sie fasziniert davon, wie du mit den Höhen und Tiefen deiner Stimme variiren kannst. Das hört man vor allem in deinem Song Pas Lá. Wovon handelt das Lied?
Pas Lá bedeutet „nicht hier“. Der Song ist an jemanden gerichtet, den ich vermisse. Für mich ist das der Sofa-Song, denn es geht um dieses Mädchen, mit dem ich immer zusammen auf dem Sofa gegessen habe. Eines Tages sitze ich dort allein und ich frage mich wo sie ist. Es ist eigentlich ein ganz einfacher Song. Der Inhalt ist sehr klar. Es fragt einfach nur; Wo bist du?

Le Matin :
Das klingt schön. Deine Lieder erzählen viel von zwischenmenschlichen Beziehungen. Woher nimmst du die Inspiration für deine Geschichten?

Vianney:
Die Inspiration kommt eigentlich von überall her. Einzelne Dinge, die ich sehe, können ein Gefühl in mir hervorrufen und darüber schreibe ich dann ein Lied. Das können ganz einfache Sachen sein, wie jetzt zum Beispiel, wenn ich mir deine ausgewaschene Jeans betrachte. Das erinnert mich daran, dass die Zeit vergeht und was in der Vergangenheit so passiert ist. Dazu denke ich mir dann ein paar Zeilen aus, spiele meine Gitarre dazu und daraus kann schon ein Song entstehen. Meistens sind es aber tatsächlich Liebesgeschichten, die mich inspirieren. Wie der Moment, wo ich allein auf diesem Sofa saß. Das hat mich dazu inspiriert einen Song über jemanden zu schreiben, den ich vermisse.

Le Matin :
Wie schreibst du deine Songs? Hast du dann immer ein kleines Büchlein bei dir, in denen du dir bestimmte Zeilen aufschreibst, wenn sie dir durch den Kopf gehen?

Vianney:
Haha nein, das habe ich nicht. Ich schreibe meine Lieder immer allein in meinem stillen Kämmerchen. Nur ich und meine Gitarre. Ich erinnere mich dann an bestimmte Momente und schreibe einfach drauf los.

Le Matin :
Viel Erfolg. Wir freuen uns auf Dich in Berlin zum Konzert.

Zum Album „Idées Blanches“
Idées blanches ist die Geschichte eines Musikers, dem dies bis zur Entstehung dieser 12 Stücke selbst kaum bewusst war. Im Alter von gerade einmal 23 Jahren präsentiert sich der Texter, Komponist und Interpret dieser Lieder in einer Art schillernder Zurückhaltung – mit Haut und Haaren, in wechselnden, mitunter bis ins Paradoxe widersprüchlichen Gefühlen, ohne aber dabei jemals zur Karikatur zu werden. Hingebungsvoll und mitreißend webt der Autodidakt Vianney, der tatsächlich gerade sein Diplom in der Haute Couture gemacht hat, den Stoff seiner Träume und bringt seine Akkorde, gefüttert mit Leinen oder Satin, zum Glänzen.

Der Künstler Vianney
Lange Zeit befand sich die Musik für Vianney an einem anderen Ort, jenseits des Möglichen: „Ich habe mit 12 Jahren begonnen, Gitarre zu spielen, dachte aber nie daran, einmal Sänger zu werden. Allerhöchstens vielleicht Gitarrist… Im Laufe der Zeit interessierten sich dann aber immer mehr Leute für meine Lieder und überzeugten mich schließlich davon, dass sie so schlecht nicht sein konnten.“ Nach dem Abitur im Militärinternat von Saint-Cyr, wo er drei Jahre verbringt („eine unglaubliche Erfahrung, man hörte mir dort zu und ermutigte mich, weiterzumachen“) folgen ein Wirtschaftsstudium in Frankreich und London und schließlich der Besuch einer Modeschule in Paris. Seine Leidenschaft für die Musik ist jedoch nicht neu: Bereits als kleines Kind führt sein musikbegeisterter Vater ihn in die Welt des französischen Chansons ein, mit Künstlern wie Barbara und Dick Annegarn, Thomas Fersen oder Maxime Le Forestier. „Das französische Chanson,“ so Vianney, „ist meine Kultur. In Bezug auf die Texte habe ich nirgendwo etwas Vergleichbares gefunden.“
Die Kunst des musikalischen Gimmicks liegt dem subtilen Komponisten und feinfühligen Stilisten besonders am Herzen. Seine auf den ersten Blick einfach anmutenden Texte bestechen durch ihre natürliche Gutmütigkeit und ihren geschärften Blick auf Andere. Vianney gelingt es, in wenigen Sätzen ein Bild, einen Augenblick, ein Gefühl einzufangen: „Ich versuche, etwas hervorzurufen, eine leichte Gänsehaut, ein Lachen, eine Träne… Es gefällt mir, die Flüchtigkeit von Gefühlen zu beschreiben. Auf meinem Album finden sich alle Gefühle wieder, bis auf Hass vielleicht. Das kann ich nicht.“ Seine Poesie des Augenblicks zeigt sich in diesen Songs, die er über die Jahre zusammengetragen hat: irgendwo zwischen den pulsierenden Straßen der Welt und kleinen Kirchhöfen, zwischen Balletthäusern und traditionellen Johannisfeuern. Detailverliebte Chansons, gekonnt arrangiert, von seiner ersten Single „Je Te Déteste“ bis hin zum herzerweichend melancholischen „Pas Là“: Idées Blanches ist voller Glanzstücke von verblüffender Aufrichtigkeit.
Doch so offen es auch sein mag, letztlich ist und bleibt Idées Blanches ein sehr persönliches Album voller Überzeugungen und intimer Entscheidungen. Durch all die stimmlichen Arabesken, Risse und Sprünge, durch all die Höhen und Tiefen, scheint Vianney immer als ein Mann des Austauschs und der Motivationen hindurch, als der Mann, der er ist. Mit 100 Euro in der Tasche reiste er im Rahmen einer Wette per Anhalter bis in die Türkei, oder auch mit dem Fahrrad nach Schweden. 2012 fuhr er mit dem Elektroroller quer durch Frankreich. „Ich musste meine Kiste ständig aufladen, manchmal dreimal am Tag, so dass ich ständig an irgendwelche Türen klopfte. Ich liebe es, ohne Geld zu reisen, unter freiem Himmel zu schlafen, unter Bedingungen, die mich dazu zwingen, auf andere zuzugehen und mich gleichzeitig auf mich selbst zurückzubesinnen.“
Aus dieser manchmal amüsanten, oft aber auch kräftezehrenden Konfrontation mit der Realität schöpft er die Ideen für seine Lieder, in denen er, mit Unterstützung seiner Gitarre, die ihn überallhin begleitet, unverblümt einen nicht immer rosigen Alltag beschreibt („Les gens sont méchants“). Manche wollen in „Tu le sais“ die Wärme eines Pierre Vassiliu und seine fröhliche Nord-Süd-Beziehung erkennen; andere hören aus der Leichtigkeit, mit der er schon in den ersten Takten von „Aux débutants de l’amour“ seelischen Schmerz in schöne Musik verwandelt, die Empfindsamkeit eines Stromae heraus oder die feine Handwerkskunst eines Renan Luce. Unhaltbar und unmittelbar erinnern Hymnen wie „On est bien comme ça“ oder „Veronica“ nacheinander an Gérald de Palmas und Jean-Jacques Goldmann, mit dem Vianney, ohne es zu wissen, sowohl die melodische Selbstverständlichkeit als auch den Sinn für das Menschliche teilt.
Weibliche Unterstützung von Antoine Essertier
Um das Wesen dieser CD einzufangen, vertraut er auf Antoine Essertier (Daran et les Chaises, Soha, Boulevard des Airs). Irgendwo zwischen Pop und lebendigem Folk sowie hier und da mäandernden Elektronikeinflüssen ist das Ergebnis dieser Studiosessions in sich stimmig und absolut rund. „Ich wollte einen holzigen, trockenen Klang“, erläutert Vianney, „viel Gitarre und vor allem Rhythmus, sodass man die Titel mit sechs Saiten und einem großen Korpus spielen kann… mal abgesehen von der kleinen Prise Autotune bei ‚Labello‘“, dieser Ode an die Freude, in der es um einen Kuss auf den Champs-Elysées geht.
Neben dem Gitarrenspiel von Vianney und den wenigen Elektroriffs von Antoine Essertier lebt das in nur drei Wochen in der Auvergne eingespielte Album Idées Blanches auch von der mal kraftvollen, mal leichthändigen Präsenz von Julien Tekeyan am Schlagzeug, von seinem Bruder Geoffroy am Bass und von Cyril Barbessol am Klavier. Gemeinsam ist es ihnen gelungen, dieses Debütalbum zu einem Spielfeld zu machen, auf dem Einzigartigkeit und Modernität Hand in Hand gehen.

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Von admin

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