Auf einer Pressekonferenz stellte sich heute Norwegen als Ehrengast der Frankfurter Buchmesse 2019 (16. bis 20. Oktober) im Museum Angewandte Kunst vor. Der Auftritt steht unter dem Motto „Der Traum in uns“, das dem Gedicht „Das ist der Traum“ des Dichters Olav H. Hauge entlehnt ist. Das Gespräch führten Matthias Wagner K (Direktor des Museums), Juergen Boos (Direktor der Frankfurter Buchmesse), Margit Walsø (Direktorin von NORLA – Norwegian Literature Abroad), Halldór Guðmundsson (Projektleiter des Ehrengastauftrittes 2019) und Petter Ølberg (Botschafter Norwegens in Deutschland). Als Vertreter(innen) des Kulturprogramms wurden Stein Olav Henrichsen (Direktor des Munch Museums Oslo), Esther Schlicht (Ausstellungsleiterin der Schirn Kunsthalle Frankfurt), Anette Kruszynski (stellvertretende künstlerische Direktorin der Kunstsammlung NRW) und Matthias Pees (Intendant des Künstlerhauses Mousonturm) begrüßt.

Das Kulturprogramm 

Neben dem Literaturprogramm präsentiert Norwegen ein umfangreiches Kulturprogramm, das bildende Kunst, Bühnenkunst, Musik, Film und Architektur umfasst. Die Schirn Kunsthalle, ebenfalls in Frankfurt, zeigt vom 26. September 2019 bis zum 12. Januar 2020 eine Ausstellung mit 26 Werken der Textilkünstlerin Hannah Ryggen (1894–1970). Das Museum Angewandte Kunst widmet seine gesamte Ausstellungsfläche ab dem 11. Oktober 2019 bis zum 26. Januar 2020 dem Ehrengast der Frankfurter Buchmesse 2019. Als House of Norway versammelt es herausragende Positionen aus Norwegens Kunst und Kultur, Design, Handwerk und Architektur. Die Kunstsammlung NRW in Düsseldorf präsentiert vom 12. Oktober 2019 bis zum 1. März 2020 „Edvard Munch gesehen von Karl Ove Knausgård“. Außerdem ergänzen eine Ausstellung zum Werk von Harald Sohlberg in Wiesbaden, Aufführungen von Stücken Henrik Ibsens und Jon Fosses, Ausstellungen zeitgenössischer Künstlerinnen und Künstler sowie zahlreiche Konzerte das Programm im deutschsprachigen Raum. In Frankfurt nehmen das Deutsche Architekturmuseum, das Fotografie Forum Frankfurt, die Ausstellungshalle Portikus, das Künstlerhaus Mousonturm, das Deutsche Filmmuseum und viele andere am Kulturprogramm teil.

„Das Kulturprogramm soll das Publikum überraschen, begeistern und engagieren sowie Norwegen und norwegische Kultur von einer neuen Seite zeigen. Das umfangreiche Kulturprogramm, das wir heute präsentieren, ist das Ergebnis einer wunderbaren Zusammenarbeit zwischen deutschen und norwegischen Kulturinstitutionen. Wir freuen uns darauf, in den kommenden Jahren auch die nachhaltige Wirkung dieser Kooperationsprojekte zu sehen“, kommentierte Margit Walsø, Direktorin von NORLA.

Autorinnen und Autoren in Frankfurt

Auf der Eröffnungsfeier der Frankfurter Buchmesse werden Erika Fatland und Karl Ove Knausgård als literarische Redner sprechen. Die Journalistin und Autorin Erika Fatland beherrscht acht Sprachen und hat bereits mehrere hochgelobte Bücher veröffentlicht, darunter Sowjetistan, das mit dem norwegischen Buchhandelspreis ausgezeichnet und schon in zehn Ländern veröffentlicht wurde; gerade ist ihr Buch Die Grenze auf Deutsch erschienen. Karl Ove Knausgård gilt als vielleicht wichtigster norwegischer Gegenwartsautor. Seine Bücher, unter anderem sein sechsbändiges autobiografisches Projekt – Min Kamp – wurden in über 30 Sprachen übersetzt und sind vielfach preisgekrönt. Rund um die Frankfurter Buchmesse werden mehr als 75 norwegische Autorinnen und Autoren erwartet. Unter anderem reisen Maja Lunde, Jo Nesbø, Dag Solstad und Maria Parr nach Frankfurt. Eine vollständige Liste aller Namen finden Sie in der Pressemappe.

„In diesem Jahr werden wir Norwegens vitale Literaturszene kennenlernen, und darauf freue ich persönlich mich schon sehr. Wir können von unserem diesjährigen Ehrengast sehr viel lernen: Nicht nur werden Autorinnen und Autoren sowie Übersetzungen aller Genres nachhaltig gefördert; auch das Lesen selbst als Kulturtechnik und als Grundlage für jede Art des demokratischen Zusammenlebens erhält in Norwegen große Aufmerksamkeit. Das sieht man nicht zuletzt an dem hohen Stellenwert, den Bibliotheken in Norwegen genießen. Ich freue mich persönlich sehr auf die Begegnungen mit Autorinnen und Autoren wie Tomas Espedal, Maja Lunde, Linn Ullmann, Karl Ove Knausgård und auf viele literarische und kulturelle Entdeckungen in diesem Jahr“, erklärte Juergen Boos, Direktor der Frankfurter Buchmesse.

Der Literaturzug 

IKH Kronprinzessin Mette-Marit wird mit einem durch Deutschland fahrenden Literaturzug zur Frankfurter Buchmesse anreisen. Die Fahrt des Literaturzugs durch Deutschland ist einer Zusammenarbeit zwischen dem norwegischen Außenministerium, NORLA und der Deutschen Bahn AG zu verdanken. Am Montag, den 14. Oktober, besteigt die Kronprinzessin, die zuvor in Düsseldorf und Berlin zu Gast sein wird, den Zug nach Köln – zusammen mit einer Gruppe Schulkinder. Auf der Reise geht es besonders um norwegische Kinder- und Jugendbücher. Wenn in Köln norwegische Schriftstellerinnen und Schriftsteller zugestiegen sind, wird der Literaturzug nach Frankfurt fahren. Als Botschafterin norwegischer Literatur reist die Kronprinzessin jedes Jahr mit einem Spezialzug durch Norwegen, um die Bekanntheit der zeitgenössischen Landesliteratur und die Leselust zu fördern.

„Ich bin stolz und dankbar für die einzigartige Möglichkeit, die norwegische Literatur hervorheben zu dürfen. Ich freue mich darauf, mit einigen unserer besten Autorinnen und Autoren durch das Land zu reisen und dabei die deutschen Leserinnen und Leser kennenzulernen. Ich freue mich natürlich auch darauf, Norwegen auf der weltweit wichtigsten Arena für Literatur und Meinungsfreiheit repräsentieren zu dürfen. Die Frankfurter Buchmesse ist eine einmalige Gelegenheit, unsere norwegische Literatur unter Lesern der ganzen Welt zu verbreiten“, kommentierte IKH Kronprinzessin Mette-Marit.

„Deutschland und Norwegen sind schon seit Langem durch viele Kulturprojekte eng miteinander verbunden und inspirieren sich gegenseitig. Wir sind gleichgesinnte Nachbarn mit häufig zusammenfallenden politischen Interessen und Werten. Wir glauben beide an internationale Zusammenarbeit, Demokratie, Menschenrechte und Meinungsfreiheit. Das Ehrengastprojekt auf der Frankfurter Buchmesse mit dem Literaturzug Ihrer Königlichen Hoheit Kronprinzessin Mette-Marit und dem breiten Kulturprogramm werden wir nutzen, um diese Partnerschaft weiter zu vertiefen“, sagte Petter Ølberg, Botschafter Norwegens in Deutschland.

Der Ehrengast-Pavillon 

Auf der Pressekonferenz wurde auch der Siegerentwurf für die 2.300 Quadratmeter große Ausstellungshalle präsentiert: Das Konzept, das die beiden Architekturbüros LCLA und manthey kula gemeinsam entwarfen, zeichnet eine imaginäre Geografie der norwegischen Literatur. Der Entwurf verbindet einen Bereich für größere Veranstaltungen und eine ausgedehnte Innenlandschaft aus tischartigen Objekten, die skulptural-abstrakt und zugleich narrativ-verspielt sind. Ihr Design ist inspiriert von norwegischen Gedichten und greift Ausstattungsdetails berühmter Bibliotheken auf – von Louis Kahns Leseplätzen in Exeter bis zu Gunnar Asplunds Trinkwasserbrunnen in Stockholm. Dabei bietet der Pavillon Platz für die internationale Buchausstellung „Books on Norway“, zwei Bühnen für Buchvorstellungen und andere Programmpunkte sowie ein Café.

Über den Ehrengast 

Norwegen ist 2019 Ehrengast der Frankfurter Buchmesse (16.- 20. Oktober 2019). Organisator des Gastlandauftritts ist NORLA – Norwegian Literature Abroad. Das Zentrum für norwegische Literatur im Ausland organisiert im Auftrag der norwegischen Regierung und des norwegischen Buchwesens den Gastlandauftritt. NORLA wurde 1978 gegründet und hat allein seit 2004 zur Übersetzung von rund 5.200 norwegischen Büchern in 65 Sprachen beigetragen. Das Gastland präsentiert seine Literatur und Kultur auf der Messe, in der Stadt Frankfurt und an vielen weiteren Orten in Deutschland. Norwegens Ehrengastauftritt steht unter dem Motto „Der Traum in uns“.

 

 

 

Heinrich Riethmüller zur Eröffnung der Frankfurter Buchmesse 2019

– Das gesprochene Wort gilt –

Zwei Menschen haben mich in den letzten Wochen immer wieder beschäftigt, die auf den ersten Blick unterschiedlicher nicht sein könnten. Die eine ist 16 Jahre alt und Schülerin aus Stockholm, der andere 72 Jahre alt und pensionierter Lehrer aus Tübingen. Die eine segelt um die Welt, trifft hochrangige Politiker und spricht vor der UN, der andere hat jeden Samstag einen festen Termin in der Fußgängerzone meiner Heimatstadt. Die eine heißt Greta Thunberg und ist die derzeit wohl bekannteste Klimaaktivistin der Welt. Mit Fridays for Future hat sie eine Bewegung gestartet, der sich hunderttausende von Jugendlichen weltweit angeschlossen haben. Der andere heißt Max Steinacher und steht seit vier Jahren jeden Samstag von 11 bis 12 Uhr auf dem Tübinger Holzmarkt. Zusammen mit etwa 20 bis 30 Bürgerinnen und Bürgern erinnert er die Passanten an das Schicksal des seit sieben Jahren inhaftierten saudi-arabischen Bloggers Raif Badawi.

Die beiden, die grundsätzlich so viel unterscheidet, haben etwas gemeinsam. Was ist es, das sie verbindet? Sie sind beide Revolutionäre, auf ihre Art. Mit unerschütterlichem Einsatz und bemerkenswerter Ausdauer und Konsequenz treten sie öffentlich für ihre Überzeugung ein. Sie gehen hinaus, ob auf die Straßen von Tübingen oder mit einem Segelboot auf andere Kontinente, sprechen Menschen an und fordern sie zum Nachdenken und Handeln auf. Wie viel von Greta und Max steckt in uns? Wie revolutionär sind wir?

Liebe Kolleginnen und Kollegen aus aller Welt,
meine Damen, meine Herren,

zur Eröffnung der diesjährigen Frankfurter Buchmesse begrüße ich Sie im Namen der im Börsenverein des Deutschen Buchhandels versammelten Verlage und Buchhandlungen sehr herzlich.

Die revolutionäre Kraft der Kunst und Kultur und die Rolle Kunst- und Kulturschaffender in unserer Gesellschaft – das steht im Zentrum der Frankfurter Buchmesse 2019. „Create your revolution“ ist das Motto, unter dem in den kommenden Tagen viele Debatten, Lesungen und Gespräche stehen. Bis Sonntag sind wir alle aufgerufen, uns damit zu beschäftigen, welchen Beitrag wir als Buch- und Medienbranche zu den drängenden Fragen unserer Zeit leisten wollen und können. Und es geht um die Themen selbst: Globalisierung und Digitalisierung, Klima- und Umweltschutz, die Zukunft unserer Gesellschaft und unserer Demokratie.

Kunst- und Kulturschaffende haben seit jeher den Anspruch, die Gesellschaft mitzugestalten. Autorinnen und Autoren, Übersetzerinnen und Übersetzer, Verlegerinnen und Verleger, Buchhändlerinnen und Buchhändler – zusammen mit vielen anderen gesellschaftlichen Akteuren haben wir die Möglichkeit, einen wesentlichen Beitrag zum Meinungsbildungsprozess und damit zu unserer Demokratie zu leisten. Wie ernst nehmen wir diesen unseren gesellschaftlichen Auftrag? Wie oft erheben wir noch die Stimme? Und wird sie auch gehört von denen, die auf wirtschaftlicher und politischer Ebene Entscheidungen über unsere Zukunft treffen?

Max Steinacher aus Tübingen wirkt mit der Ausdauer und Vehemenz seines Engagements fast wie ein Exot. In der heutigen Nachrichtenwelt hat die Aufmerksamkeit für einzelne Themen in der Regel eine Halbwertszeit von ein paar Tagen, manchmal auch Wochen. Dass der Blogger Raif Badawi in Saudi-Arabien im Gefängnis sitzt, gehört schon fast zum Alltag. Jeder weiß es, viele sind besorgt, aber das Leben geht weiter. Aber nicht das von Raif Badawi. Seit er 2012 verhaftet und zu Gefängnis und 1000 Peitschenhieben verurteilt wurde, vegetiert er im wahrsten Sinne des Wortes im Gefängnis vor sich hin. Und er ist erst 35 Jahre alt! Über seine Frau berichtet er von katastrophalen Zuständen und Misshandlungen in der Haft. Erst kürzlich hat er sich deshalb zum wiederholten Male in einen Hungerstreik begeben. Wie bemerkenswert, dass dieser Mann noch die Kraft findet, aufzubegehren   ̶ nach sieben Jahren Haft! Medien berichten nur noch vereinzelt über ihn. Und Deutschland unterhält weiterhin wirtschaftliche Beziehungen zu dem Staat, der diesen Blogger willkürlich festhält, ohne wirkungsvoll für freiheitliche Werte einzutreten. Die persönliche Tragödie von Raif Badawi steht stellvertretend für hunderte und tausende Menschen, für Autoren, Journalisten, Verleger, Buchhändler, die weltweit Repressalien erleiden müssen, weil sie von ihrem Recht auf freie Meinungsäußerung Gebrauch machen. Ihre Fälle führen uns allzu häufig vor Augen, wie schnell solche Schicksale in Vergessenheit geraten und Menschenrechtsverletzungen „business as usual“ werden.

Max Steinacher und Greta Thunberg sind Menschen, die das nicht akzeptieren. Die nicht damit leben wollen, dass wir aus Bequemlichkeit Ungerechtigkeit und die Zerstörung der Natur hinnehmen. Sie können und sollten Ansporn für uns sein, uns mehr einzusetzen und den Mund aufzumachen – dort, wo gerade die Weichen gestellt werden für die Zukunft unserer Gesellschaft und unseres Planeten.

Hunderttausende Schülerinnen und Schüler gehen derzeit freitags auf die Straße, um angesichts der drohenden Natur- und Klimakatastrophe zum Handeln aufzurufen. Dieser globale Protest hat in den letzten Monaten wichtige Impulse gesetzt und die Öffentlichkeit von der Dringlichkeit überzeugt, unser Denken und unsere gewohnten Lebensweisen zu ändern. Denn nur so können wir weitere unumkehrbare Folgen für alle Lebewesen auf dieser Welt abwenden.

Jeder trägt Verantwortung, auch die Buch- und Kulturbranche. Zum einen sind wir es, die mit unseren Büchern, Medien und unserer Vermittlungsarbeit einen wesentlichen Beitrag zur Information und Meinungsbildung leisten können. Dass die Menschen verlässliche und gut recherchierte Informationen suchen, zeigt die große Nachfrage an Sachbüchern, die wir seit einiger Zeit verzeichnen. Aber wir sind auch konkret gefragt, nachhaltig zu denken und zu handeln. An vielen Stellen in der Branche lässt sich bereits ein stärker werdendes Umweltbewusstsein beobachten. Müll zu reduzieren, nachhaltig zu wirtschaften und umweltfreundlich zu produzieren ist in den Köpfen vieler Verlage und Buchhandlungen fest verankert: Nahezu alle deutschen Verlage verwenden Papier aus nachhaltiger Forstwirtschaft. Immer mehr von ihnen verzichten auf Einschweißfolien, Buchhandlungen reduzieren Plastiktüten oder schaffen sie ganz ab. Wir müssen uns aber auch fragen: Machen wir genug? Sind wir in bestimmten Punkten doch noch zu bequem, zu sehr in gewohnten Vorstellungen verhaftet? Lassen Sie uns weiterdenken und hier einen Bewusstseinswandel vorantreiben – in der Branche und in der Gesellschaft.

Ein zweiter zentraler Punkt ist die Zukunft unserer Demokratie. In diesem Jahr wird das deutsche Grundgesetz 70 Jahre alt. Dieses Werk aus 148 Artikeln, das am 23. Mai 1949 in Kraft getreten ist, bildet die Grundlage unserer demokratischen Gesellschaft. Zentral sind die ersten 19 Artikel, die Grundrechte. Zu ihnen zählen die Unantastbarkeit der Menschenwürde, die Gleichheit vor dem Gesetz, Meinungs- und Versammlungsfreiheit oder das Recht auf Asyl. Diese Rechte sind von unschätzbarem Wert: Sie geben jeder Bürgerin und jedem Bürger die Freiheit, zu arbeiten, zu glauben, zu tun und zu sagen, was sie oder er möchte. Sie stehen für eine offene, vielfältige und solidarische Gesellschaft. Es liegt an uns, für die Grundrechte einzutreten und sie auch zu nutzen. Die im Grundgesetz angelegte Demokratie ist nur aus Papier, durch unser Handeln machen wir sie erst lebendig. Und nicht alle teilen diese Werte. Freiheitsrechte sind zunehmend Angriffen ausgesetzt. Auch hier bei uns nehmen antidemokratische Strömungen zu, werden ausgrenzende, rechtsextremistische und antisemitische Haltungen lauter oder führen zu Übergriffen, wie erst vergangene Woche bei dem schrecklichen Angriff in Halle.

Und ich frage mich derzeit häufiger: Mache ich genug? Nutze ich meine Möglichkeiten aus, um Dinge zu verändern? Entscheidend ist es für mich, anzufangen, und den Weg zu finden, mit dem ich mich auf meine Art und mit meinen Möglichkeiten am besten einbringen kann. Ich kann das zum Beispiel hier an dieser Stelle tun, bei der Eröffnung der Frankfurter Buchmesse. Oder indem ich meine Buchhandlung auch als Ort des gesellschaftlichen Austauschs verstehe und Gesprächsrunden und Lesungen zu aktuellen Themen organisiere. Verlegerinnen und Verleger können durch die Wahl ihres Programms einen Unterschied machen, indem sie mutig Bücher publizieren, die Entwicklungen anstoßen können. Andere sind gut darin, rassistischen oder populistischen Kommentaren auf Facebook oder Twitter etwas entgegenzuhalten – oder wie Max Steinacher ihr Recht auf Versammlungsfreiheit zu nutzen und demonstrieren zu gehen.

Auch diese Buchmesse wollen wir nutzen, um ein Zeichen zu setzen. Zum Beispiel indem wir Solidarität mit verfolgten und inhaftierten Kunst- und Kulturschaffenden bekunden. Gleichzeitig fordern wir die politischen Entscheider dazu auf, sich für die Freilassung dieser Menschen einzusetzen, die einzig und allein im Gefängnis sitzen, weil Regierungen ihre Gedanken und Ideen unterdrücken wollen. Besonders denken wir in diesem Jahr an die Menschen in Hongkong. Es ist bemerkenswert, mit welch langem Atem sich Bürgerinnen und Bürger dort gegen Einschränkungen ihrer Freiheitsrechte einsetzen.

Herr Maas, Sie haben sich kürzlich mit Joshua Wong, einem der Aktivisten aus Hongkong, getroffen. Von der chinesischen Regierung sind Sie dafür scharf kritisiert worden. Ich danke Ihnen für diesen Einsatz und auch für dieses Zeichen, das Sie damit für die Menschen in Hongkong gesetzt haben.

Um Veränderung zu bewirken, ist die Zivilgesellschaft auf die Politik angewiesen. Das Engagement von Menschen wie Max Steinacher kann nur dauerhaft Menschen motivieren, wenn die Politik diesen Akteuren Rückendeckung gibt und ihr Einsatz Resonanz findet.

Beispielhaft für viele Verfolgte und Inhaftierte steht Gui Minhai, der schwedisch-hongkonger Autor, Buchhändler und Verleger, der vor genau vier Jahren verschleppt wurde. Niemand weiß bis heute, wo er festgehalten wird. Mit seinen Büchern über chinesische Politiker und Persönlichkeiten hatte er den Unmut der Regierung in Peking auf sich gezogen. Mit einer Mahnwache am Donnerstag wollen wir auf sein Schicksal und die Bedeutung des freien Wortes für die Zukunft unserer Gesellschaften aufmerksam machen. Sichtbares Zeichen soll ein Meer aus Regenschirmen sein, dem Symbol der Hongkonger Freiheitsbewegung. Auch Sie sind alle herzlich eingeladen, am Donnerstag, um 13.30 Uhr auf der Agora.

Wenn es um Demokratie und Meinungsfreiheit geht, sind nicht nur Greta und Max meine Vorbilder, sondern auch unser Ehrengast Norwegen. Ich begrüße unsere Kolleginnen und Kollegen aus Norwegen ganz herzlich. Im jährlich erhobenen Demokratieindex der Zeitschrift „The Economist“ liegt Norwegen seit vielen Jahren auf Rang 1, genauso wie im Ranking der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen. Sicherlich steht Norwegen genauso wie Deutschland vor gesellschaftlichen Herausforderungen, die es bewältigen muss. Und hier können wir im grenzüberschreitenden Austausch vielleicht neue Lösungen finden. Aber wir können die nächsten Tage auch nutzen, um von unseren Gästen zu lernen, sei es in Demokratie und Meinungsfreiheit, oder auch in vorbildlicher Leseförderung und Buchkultur. Wir sind geehrt und schätzen es außerordentlich, unsere Kolleginnen und Kollegen aus Norwegen in diesem Jahr bei uns zu haben. Wir freuen uns auf die Begegnung, den Austausch und darauf, voneinander zu lernen.

Lassen Sie uns gemeinsam dafür eintreten, was uns hier im Saal verbindet – und was wir mit Greta und Max gemeinsam haben: die Überzeugung von der Bedeutung unserer freiheitlich-demokratischen Werte, das Vertrauen in die Kraft des Wortes und die Vision von einer gerechteren und nachhaltigeren Welt.

Vielen Dank!

Von admin