Fördern, ohne zu vereinnahmen
Die erste Runde mit MdB Dr. Anna Christmann von den Grünen, Prof. Dr. Edgar Grande vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung, Dr. Inga Michler von der Tageszeitung Die Welt und Dr. Stefan Nährlich diskutierte neben der 1%-Regel auch das Lehr- und Lernkonzept Service Learning. Es verbindet Unterricht an Schulen, aber auch Lehrveranstaltungen an Hochschulen mit Engagementprojekten und kann sowohl das Lernen fördern als auch die Basis für bürgerschaftliches Engagement im weiteren Leben legen. Auch über eine gesetzliche Transparenzpflicht für gemeinnützige Organisationen wurde diskutiert. Sie ermöglicht der Öffentlichkeit die verlässliche Information und stärkt damit das Vertrauen in die Organisationen.
„Wenn der Staat bürgerschaftliches Engagement nachhaltig fördern will, muss nicht nur an Detailverbesserung gearbeitet werden, sondern dann muss auch an den großen Schrauben der Engagementförderung gedreht werden,“ so Nährlich.
Dr. Anna Christmann, MdB und fachpolitische Sprecherin für Bürgerschaftliches Engagement der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen: „Die 1%-Regel und eine Stärkung des Service-Learnings an Hochschulen sind spannende Vorschläge, wie wir eine verlässliche finanzielle Basis und eine neue Dynamik für bürgerschaftliches Engagement erreichen können.“
Vertreter aus Gesellschaft, Politik und Wirtschaft diskutieren beim Forum Aktive Bürgerschaft 2018
Um die Rahmenbedingungen bürgerschaftlichen Engagements und die engagementpolitischen Vorhaben der neuen Regierung ging es in einem der vier Themenräume über die Mittagszeit mit Svenja Stadler, SPD-Fraktion für Bürgerschaftliches Engagement. Dr. Rudolf Speth, Mitglied im Stiftungsrat der Aktiven Bürgerschaft und einer der beiden Moderatoren, mahnte die große Belastung für ehrenamtliche Gremien durch die Bürokratie an. Steuergesetzgebung, EU-Geldwäscheverordnung, EU-Datenschutzgrundverordnung: Die Grenze dessen, was Ehrenamt bewältigen könne, werde zunehmend überschritten. Wim Buesink aus dem Vorstand der Stiftung Aktive Bürgerschaft forderte dazu: „Die Politik muss hier wieder Maß halten und die gemeinnützigen Organisationen bei der Umsetzung gesetzlicher Anforderungen besser unterstützen.“
Was Service Learning bewirken kann – Erkenntnisse aus Forschung und Praxis, war Thema eines weiteren Themenraumes. „Durch ihr Engagement an Orten, an denen es einen echten Bedarf an Unterstützung gibt, erfahren die Schülerinnen und Schüler, dass sie selbst etwas bewirken und ihr Umfeld mitgestalten und verbessern können“, so Ursula Dreeser, Schulleiterin der Gesamtschule Bonns Fünfte. Prof. Dr. Karl-Heinz Gerholz, Universität Bamberg, forderte mit Blick auf die Lehrerausbildung: „Wir brauchen didaktisch sinnvolle Lösungen für Service Learning in der Lehrerbildung. Somit können wir zukünftige Lehrkräfte an Service Learning heranführen und die Implementation an Schulen gelingt langfristig.“
In den beiden anderen Themenräumen erörterten die Teilnehmer, wie Bürgerstiftungen mit Immobilien gute Erträge erwirtschaften können und wie sich zeitgemäßes Stiftungshandeln konkret umsetzen lässt.
Wie gesellschaftspolitisch ist und soll privates Engagement sein?
Wie Staat, Wirtschaft und engagierte Bürger gut zusammenarbeiten können, diskutierten am Nachmittag Dr. Karamba Diaby, Mitglied des Deutschen Bundestages (SPD), Prof. Dr. Paul Nolte, Freie Universität Berlin und Mitglied des Stiftungsrates, Dr. Cornelius Riese, Vorstand der DZ BANK AG und Mitglied des Stiftungsrates, und Katja Suding, stellv. Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion.
Dazu berichtete Jörg Armbruster, Vorstandsvorsitzender der Bürgerstiftung Kehl, was aus den Geflüchteten im Qualifizierungsprojekt geworden ist, für das die Bürgerstiftung 2017 mit dem Förderpreis Aktive Bürgerschaft ausgezeichnet wurde. Alle haben die Ausbildung bestanden, so Armbruster. Ungeachtet dessen wurde bei zweien der Teilnehmer der Asylantrag abgelehnt.
Dr. Cornelius Riese sagte, die Integration Geflüchteter sei eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, für deren Erreichung der enge Austausch zwischen staatlichen und zivilgesellschaftlichen Akteuren zentral ist. Gemeinnützige Organisationen wie zum Beispiel die Bürgerstiftungen, aber auch Unternehmen wie die DZ BANK leisteten dazu ihren Beitrag – etwa durch Beschäftigung und Ausbildung. Prof. Dr. Paul Nolte: „Wer privat und ganz im Stillen helfen will, soll das tun. Eine freie Gesellschaft zwingt niemanden auf die öffentliche oder politische Bühne. Aber umgekehrt gilt auch: Eine freie Gesellschaft, eine lebendige Demokratie brauchen Engagement, das öffentlich sichtbar ist, das sich einmischt und Position bezieht.“
Die Moderation der Runde übernahmen Prof. Dr. Tanja Klenk, Helmut-Schmidt-Universität Hamburg, und Michael Sauer, Vorstandsmitglied der Stiftung Aktive Bürgerschaft und Leiter der Vertriebsdirektion Nord der R+V Versicherung AG.
Mit der Veranstaltung bot die Stiftung Aktive Bürgerschaft ein Forum für den Dialog über die Förderung bürgerschaftlichen Engagements. Ihre eigenen Vorschläge und Impulse hat sie zur Bundestagswahl 2017 in einem offenen Brief an Politik und Regierung veröffentlicht: WWW.AKTIVE-BUERGERSCHAFT.DE/BUERGERGESELLSCHAFT/ENGAGEMENTPOLITIK
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