George Soros mit dem Europäischen Bürgerrechtspreis der Sinti und Roma geehrt
Auszeichnung für jahrzehntelanges Engagement für Demokratie, Menschenrechte und Minderheitenschutz
Der Holocaustüberlebende, Investor und Philanthrop George Soros ist in Berlin mit dem Europäischen Bürgerrechtspreis der Sinti und Roma ausgezeichnet worden. Der mit 15.000 Euro dotierte Preis würdigt Persönlichkeiten, die sich in besonderer Weise für die gleichberechtigte Teilhabe und die Menschenrechte von Sinti und Roma in Europa einsetzen. Vergeben wird er vom Zentralrat Deutscher Sinti und Roma, dem Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma sowie der Manfred Lautenschläger-Stiftung, die die Auszeichnung stiftet.
Die feierliche Verleihung fand am 23. Oktober 2025 im traditionsreichen Hotel Adlon Kempinski in Berlin statt. Da der 95-jährige Preisträger aus gesundheitlichen Gründen nicht persönlich anwesend sein konnte, nahm sein Sohn Alexander Soros die Ehrung stellvertretend entgegen.
„Ein würdiger Träger des Europäischen Bürgerrechtspreises“
In seiner Laudatio würdigte der Parlamentarische Staatssekretär Michael Brand, Beauftragter der Bundesregierung gegen Antiziganismus und für das Leben der Sinti und Roma in Deutschland, den Preisträger als herausragende Persönlichkeit im weltweiten Einsatz für Demokratie und Menschenrechte.
„George Soros ist ein würdiger Träger des Europäischen Bürgerrechtspreises der Sinti und Roma“, sagte Brand. „Als Holocaustüberlebender, aktiver Vorkämpfer gegen Diktatur und für die Offene Gesellschaft sowie als international bedeutender Unterstützer des Konzeptes von Zivilgesellschaft steht Soros auch dafür, dass Minderheitenrechte immer Menschenrechte sind. Sein jahrzehntelanger Einsatz für Demokratie und Menschenrechte weltweit ist einzigartig. Das gilt besonders für seinen Beitrag im Kampf gegen Antiziganismus in Europa.“
Brand hob hervor, dass Soros mit seinen Open Society Foundations Millionen von Menschen Hoffnung und konkrete Unterstützung gegeben habe.
Dankesbotschaft des Preisträgers
In einer übermittelten Botschaft zeigte sich George Soros geehrt und nachdenklich zugleich.
„Es ist mir eine große Ehre, den Europäischen Bürgerrechtspreis der Sinti und Roma entgegenzunehmen“, erklärte er. „Seit Beginn meiner Arbeit mit Roma-Gemeinschaften haben diese sich an vorderster Front für die Verbesserung ihrer Lebensbedingungen eingesetzt. Es wurden echte Fortschritte erzielt, aber der Kampf ist noch nicht vorbei.“
Soros verwies darauf, dass Jahrhunderte der Marginalisierung nicht schnell überwunden werden könnten. Diskriminierung bestehe weiterhin, doch die wachsende Zahl von Roma-Führungspersönlichkeiten, Unternehmern, Wissenschaftlern und Studierenden gebe ihm große Hoffnung. Das Preisgeld werde dem Roma Education Fund zugutekommen, der jungen Roma Zugang zu Bildung und Ausbildung ermöglicht.
„Ein sichtbares Zeichen gegen antiziganistische Ausgrenzung“
Der Vorsitzende des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma, Romani Rose, würdigte Soros für dessen jahrzehntelanges Engagement für gesellschaftliche Gleichstellung und Teilhabe.
„George Soros und seine Stiftungen haben zur beruflichen Selbstbestimmung junger Menschen beigetragen, deren Familien oftmals unter apartheidsähnlicher Ausgrenzung in EU-Mitgliedsländern leben“, sagte Rose.
Er verwies darauf, dass 85 Prozent der Roma-Kinder in der Europäischen Union armutsgefährdet seien, im Vergleich zu 20 Prozent der übrigen Bevölkerung. Mit der Auszeichnung solle ein „sichtbares Zeichen gegen antiziganistische Ausgrenzung der größten ethnischen Minderheit Europas“ gesetzt werden.
Rose erinnerte in seiner Rede auch an den historischen Auftrag des deutschen Grundgesetzes: Nach dem Zivilisationsbruch des Holocaust müsse sich der demokratische Rechtsstaat gerade in Krisenzeiten bewähren. Eine Aufnahme der nationalen Minderheiten in das Grundgesetz, wie sie derzeit vom Bundesrat diskutiert werde, wäre ein starkes Signal für den Schutz der Minderheiten in Deutschland.
„Die Menschenwürde ist universell und orientiert sich nicht an Abstammung, Religion, Hautfarbe oder Nationalität“, so Rose. „Daran will der Europäische Bürgerrechtspreis im Angedenken an Oskar und Vinzenz Rose erinnern – die Gründer der Bürgerrechtsbewegung der deutschen Sinti und Roma.“
„Eine Bedrohung für ganz Europa“
In seiner Dankesrede erklärte Alexander Soros, er nehme den Preis im Namen seines Vaters und der gesamten Open Society Foundations entgegen.
„Die Diskriminierung, der die Roma ausgesetzt sind, ist eine Bedrohung für ganz Europa“, sagte er. „Wir haben uns für die Roma-Gemeinschaft eingesetzt, weil wir ihre Stärke und Widerstandsfähigkeit erkannt haben. Und wir werden uns auch weiterhin für sie engagieren – jetzt und in Zukunft.“
Alexander Soros kündigte an, dass die Familie Soros die Roma Foundation for Europe weiterhin unterstützen werde, „die zeigt, dass die Roma nicht nur ein schutzbedürftiges Volk sind, sondern eine Gemeinschaft voller Stolz, Potenzial und Stärke“.
Engagement, das verpflichtet
Der Stifter des Preises, Dr. h.c. Manfred Lautenschläger, betonte im Vorfeld der Verleihung die gesellschaftliche Verantwortung, Antiziganismus entschieden entgegenzutreten.
„Der Europäische Bürgerrechtspreis ist vor allem ein Signal an die Mehrheitsgesellschaft, in historischer Erinnerung dem heute wieder besorgniserregenden Antiziganismus entgegenzutreten“, sagte Lautenschläger.
Sein Sohn Markus Lautenschläger, Geschäftsführer der Manfred Lautenschläger-Stiftung, würdigte den Preisträger als Vorbild:
„George Soros verkörpert mit seinem selbstlosen Engagement für Menschenrechte und Demokratie wie kaum ein anderer unsere Überzeugung, dass Eigentum auch sozial verpflichtet. Er zeigt, wie wirtschaftlicher Erfolg und gesellschaftliche Verantwortung miteinander einhergehen können.“
Ein Preis mit Geschichte
Der Europäische Bürgerrechtspreis der Sinti und Roma wurde 2008 ins Leben gerufen und seit 2019 in Gedenken an Vinzenz und Oskar Rose vergeben, die als Gründer der Bürgerrechtsbewegung der deutschen Sinti und Roma gelten. Der Preis würdigt Persönlichkeiten, die sich in besonderem Maße für Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und die Verbesserung der Menschenrechtssituation der Minderheit einsetzen.
Zu den bisherigen Preisträgerinnen und Preisträgern zählen unter anderem Wladyslaw Bartoszewski, Simone Veil, Thomas Hammarberg, Tilman Zülch, Amnesty International, Andrej Kiska, Angela Merkel und Daniel Libeskind.
Der Stifter
Dr. h.c. Manfred Lautenschläger, Mitgründer des Finanzdienstleisters MLP SE, engagiert sich seit vielen Jahren in Wissenschaft, Bildung, Kultur und Völkerverständigung. Mit der 2002 gegründeten Manfred Lautenschläger-Stiftung unterstützt er zahlreiche soziale und kulturelle Projekte. Seit 2008 stiftet die Stiftung den Europäischen Bürgerrechtspreis der Sinti und Roma.
Kommentar:
Mit der Auszeichnung von George Soros wird ein Mann geehrt, dessen Lebenswerk den Grundgedanken des europäischen Humanismus verkörpert: die Überzeugung, dass Freiheit, Würde und gleiche Rechte für alle Menschen nicht verhandelbar sind. In Zeiten wachsender Intoleranz ist diese Botschaft aktueller denn je.
